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… hatte mich voll im Magen erwischt, sagte Joshua, und ich habe furchtbar geblutet … Ich stand auf. Es muß ein furchtbarer Anblick gewesen sein, mit bleichem Gesicht und blutbesudelt. Und ein seltsames Gefühl breitete sich in mir aus … Julian trank von seinem Wein, lächelte und sagte: Hast du tatsächlich Angst gehabt, ich täte dir in jener Augustnacht etwas an? Vielleicht hätte ich es getan, in meinem Schmerz und meiner Wut. Aber nicht vorher … Marsh sah sein Gesicht, verzerrt und raubtierhaft, als er Jeffers Stockdegen aus dem Körper zog … Er erinnerte sich an Valerie, an das Brennen, an ihren Tod unter dem Boot, erinnerte sich daran, wie sie geschrien hatte und sich auf Karl Framms Kehle stürzte … Er hörte Joshua sagen: Der Mann schlug immer wieder auf mich ein, und ich schlug zurück … Er stürzte sich auf mich …

So muß es sein, dachte Abner Marsh, es war das einzige, woran er denken konnte, das einzige, was ihm einfiel. Er blickte zum Oberlicht. Der Winkel war jetzt spitzer geworden, und es kam ihm so vor, als hätte das Licht einen rötlichen Schimmer bekommen. Joshua saß nun teilweise im Schatten. Vor einer Stunde wäre Marsh noch darüber erleichtert gewesen. Nun war er sich nicht so sicher.

»Helft mir …«, sagte die Stimme. Es war ein gebrochenes Flüstern, ein ersticktes Keuchen. Aber sie hörten es.

Sour Billy Tipton kam aus den Schatten hervorgekrochen und hinterließ eine Blutspur auf dem Teppich. Marsh sah, daß er sich mühsam vorwärtszog, während er sein Messer in den Holzboden rammte und es als Haltegriff benutzte. Seine Wirbelsäule war in einem Winkel verbogen, wie sie es eigentlich nicht sein durfte. Billy sah kaum noch wie ein Mensch aus. Er war bedeckt mit Schleim und Schmutz, war mit Blut verkrustet und blutete immer noch. Er zog sich wieder einen knappen halben Meter vorwärts. Sein Brust sah zerschmettert aus, und die Schmerzen hatten sein Gesicht zu einer abstoßenden Fratze verzerrt.

Joshua York erhob sich langsam aus seinem Sessel, wie ein Mann, der traumwandelt. Sein Gesicht hatte eine schlimme rote Farbe angenommen. »Billy …«, begann er.

»Bleib, wo du bist!« befahl die Bestie.

York sah den anderen dumpf an und befeuchtete sich die aufgesprungenen trockenen Lippen. »Ich bedrohe dich nicht«, sagte er. »Ich will ihn töten. Es ist ein Akt der Gnade.«

Damon Julian lächelte und schüttelte den Kopf. »Töte den armen Billy«, sagte er, »dann muß ich Captain Marsh töten.« Er klang jetzt fast genauso wie Julian.

Sour Billy rutschte noch ein Stück weiter und blieb liegen. Sein Körper bebte. Blut sickerte aus Mund und Nase. »Julian«, sagte er.

»Du mußt schon lauter reden, Billy. Wir können dich nicht verstehen.«

Sour Billy umklammerte sein Messer und verzerrte das Gesicht. Er versuchte den Kopf zu heben. »Ich … helft mir … Schmerzen … Schlimm. Drinnen … Mister Julian.«

Damon Julian stand aus seinem Sessel auf. »Das sehe ich, Billy. Was willst du?«

Sour Billys Mundwinkel zuckte. »Hilfe …«, flüsterte er. »Verwandlung … beenden … muß sein … ich sterbe …«

Julian betrachtete Billy und auch Joshua. Joshua stand noch. Abner Marsh spannte die Muskeln an und starrte auf die Flinte. Wenn Julian schon stand, dann war es fast unmöglich. Aber vielleicht … Er sah zu Billy hinüber, dessen Qualen Marsh beinahe den eigenen gebrochenen Arm vergessen ließen. Billy bettelte: »… ewig leben … Julian … verwandle mich … einer für dich …«

»Ah«, sagte Julian, »ich fürchte, ich habe eine schlechte Nachricht für dich, Billy. Ich kann dich nicht verwandeln. Hast du wirklich geglaubt, eine Kreatur wie du könnte so werden wie wir?«

»… versprochen«, wisperte Billy schrill. »Du hast es versprochen. Ich sterbe!«

Damon Julian lächelte. »Was fange ich bloß ohne dich an?« fragte er. Er lachte, und da wußte Marsh, daß es wieder Julian war, daß das Tier ihm den Vortritt gelassen hatte. Es war Julians Lachen, volltönend, perlend und verrückt. Marsh hörte das Lachen und beobachtete Sour Billys Gesicht und sah seine Hand zittern, als er das Messer aus dem Boden riß.

»Zur Hölle mit dir!« brüllte Marsh Julian an, als er auf die Füße kam. Julian drehte sich erschreckt zu ihm um. Marsh unterdrückte den Schmerz und raste auf das Gewehr zu. Er stürzte auf die Waffe und wurde von dem Schmerz, der ihn durchraste, beinahe bewußtlos, doch noch während er den Lauf unter seinem Bauch spürte, fühlte er, wie Julians kalte Hände sich um seinen Hals legten.

Und dann waren sie verschwunden. Und Damon Julian schrie. Abner Marsh rollte sich herum, Julian stolperte zurück, hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen. Sour Billys Messer ragte aus seinem linken Auge, und Blut sickerte ihm zwischen den bleichen Fingern hervor. »Stirb!« brüllte Marsh, während er den Abzug betätigte. Der Treffer fegte Julian von den Füßen. Das Gewehr sprang in Marshs Hand zurück, er schrie. Für einen kurzen Moment war er besinnungslos. Als der Schmerz so weit nachließ, daß er wieder etwas erkennen konnte, hatte er Mühe, auf die Füße zu kommen. Aber er schaffte es. Gerade rechtzeitig, um ein scharfes Knacken zu hören, wie ein nasser Baumast, der zerbrochen wurde.

Joshua York erhob sich mit blutigen Händen von Sour Billys Körper. »Für ihn gab es sowieso keine Hoffnung«, sagte York.

Marsh sog die Luft in tiefen Zügen ein, sein Herz hämmerte. »Wir haben es geschafft, Joshua«, sagte er. »Wir haben den verdammten …«

Jemand lachte.

Marsh wandte sich um und wich zurück.

Julian lächelte. Er war nicht tot. Er hatte ein Auge verloren, doch das Messer war ihm nicht ins Gehirn gedrungen. Er war halbblind, aber nicht tot. Zu spät erkannte Marsh seinen Irrtum. Er hatte auf Julians Brust geschossen, dabei hätte er seinen Kopf treffen müssen. »Ich bin nicht so leicht zu töten wie der arme Billy«, sagte er. Blut troff ihm aus der Augenhöhle und lief an der Wange hinab. Es verkrustete bereits. »Nicht so leicht wie du.« Er kam auf Marsh zu.

Marsh versuchte das Gewehr mit dem gebrochenen Arm festzuhalten, während er zwei Kugeln aus der Tasche fingerte. Er drückte es gegen den Körper, aber der Schmerz ließ ihn taumeln. Die Finger hatten keine Kraft, und eine der Patronen fiel auf den Fußboden. Marsh stützte sich mit dem Rücken gegen eine Säule. Damon Julian lachte.

»Nein«, sagte Joshua York. Er trat zwischen sie, das Gesicht rot und aufgesprungen. »Ich verbiete es. Ich bin Blutmeister. Halt, Julian!«

»Ach«, murmelte Julian, »schon wieder, Joshua? Aber diesmal bitte zum letztenmal. Sogar Billy hat seine wahre Natur begriffen. Jetzt bist du an der Reihe, lieber Joshua.« Das linke Auge war blutverkrustet, das rechte ein schwarzer Abgrund.

Joshua York rührte sich nicht.

»Du kannst ihn nicht besiegen«, sagte Abner Marsh. »Die verdammte Bestie. Joshua, nein.« Aber Joshua York hörte nicht mehr. Das Gewehr rutschte aus Marshs Hand. Er bückte sich, hob es wieder auf, legte es auf den Tisch hinter sich und wollte es laden. Mit nur einer Hand war das ein mühsames Unterfangen. Immer wieder rutschte die Patrone weg. Schließlich konnte er sie hineinschieben, klappte das Gewehr zu und klemmte es unbeholfen unter den heilen Arm.

Joshua York hatte sich langsam umgedreht, so wie die Fiebertraum sich gedreht hatte, als sie die Eli Reynolds verfolgte. Er tat einen Schritt auf Abner Marsh zu. »Joshua, nein«, sagte Marsh. »Bleib zurück!« Joshua kam näher. Er zitterte, kämpfte dagegen an. »Weg da«, befahl Marsh, »damit ich ihn erwische!« Joshua schien ihn nicht zu hören. Sein Gesicht sah wie tot aus. Er gehörte jetzt ganz dem Tier in sich. Seine Hände waren erhoben. »Verdammt«, sagte Marsh, »verdammt. Joshua, ich muß es tun. Ich weiß, was los ist. Es ist die einzige Möglichkeit.«