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„Ausgezeichnet, wenn Ihnen das gelingt — Psst, sie kommen.“

Die Auswanderer waren wirklich beladen — und das ging auf eine Vorschrift der Fluggesellschaft zurück, die mir ziemlich engstirnig erschien. Ein Auswanderer kann auf den Flug alles mitnehmen, was in die Besenkammern paßt, die in der Dritten Klasse als Kabinen gelten — solange er die Last ohne Hilfe vom Schiff bringen kann; so legte die Gesellschaft den Begriff „Handgepäck“ aus. Alles, was der Reisende darüber hinaus im Laderaum verstauen lassen muß ist kostenpflichtig. Ich weiß, daß die Firma Gewinne ausweisen muß — trotzdem muß mir diese Vorschrift nicht behagen. Heute aber wollten wir sie zu unserem Vorteil nutzen.

Die Leute, die an uns vorbeikamen, schauten nicht in unsere Richtung und schienen sich nicht für uns zu interessieren. Sie schienen mit den Gedanken ganz woanders zu sein und wirkten erschöpft. Es waren viele Kleinkinder zu sehen, von denen die meisten weinten. Die ersten zwei Dutzend hasteten ziemlich schnell vorbei, dann kamen Leute, die zusammen-blieben und langsamer ausschritten — mehr Kinder noch mehr Gepäck. Es wurde Zeit, so zu tun, als gehöre ich zu den „Schafen“.

Aus dem Gewirr menschlicher Gerüche nach Schweiß und Schmutz und Angst und Moschus und beschmutzten Windeln stach plötzlich ein Duft hervor, kristallklar wie das Thema des Goldenen Hahns von Rimski-Korsakow oder ein Leitmotiv im Ring von Wagner — und ich schrie los:

„Janet!“

Eine beleibte Frau auf der anderen Seite der Kolonne drehte sich um, sah mich an, ließ zwei Koffer fallen und griff nach mir. „Marjie!“ Gleich darauf sagte ein bärtiger Mann: „Ich hab’s dir doch gesagt, sie ist an Bord! Ich hab’s dir gesagt!“ Und Ian fügte anklagend hinzu: „Du bist doch tot!“, und ich löste meinen Mund eben lange genug von Janets Lippen, um zu sagen: „Nein, bin ich nicht. Junior-Pilotoffizier Pamela Heresford läßt dich herzlichst grüßen.“

„Diese Schlampe!“ sagte Janet, und Ian beschwichtigte: „Na, na, Janet!“, und Betty musterte mich eingehend und bemerkte: „Ja, sie ist es wirklich! Hallo mein Schatz! Gut siehst du aus! Ehrlich!“ Währenddessen hüpfte Georges außen um uns herum, babbelte unverständliche französische Worte und versuchte mich sanft von Janet loszubekommen.

Natürlich brachten wir auf diese Weise die Marschordnung durcheinander. Andere Leute schwerbeladen, zum Teil auch schimpfend, drängten sich an uns vorbei, zwischen uns hindurch. „Gehen wir weiter!“ sagte ich. „Wir können uns später unterhalten.“ Ich blickte zu dem Versteck zurück, in dem ich mit Pete gewartet hatte; er war verschwunden. Ichmachte mir um ihn keine Sorgen; er ist ein helles Bürschchen.

Janet war gar nicht beleibt, nicht korpulent — sondern nur einige Monate schwanger. Ich griff nach einem ihrer Koffer, doch sie wollte nicht loslassen: „Mit zweien ist man besser im Gleichgewicht.“

So endete ich schließlich als Betreuerin für einen großen Käfig — mit der Katzenmutter. Und für ein großes braunes Papierpaket, das Ian unter dem Arm getragen hatte. „Janet, was hast du mit den jungen Katzen gemacht?“

Die Antwort übernahm Freddie: „Mit meiner Hilfe haben sie ausgezeichnete Stellungen mit guten Zukunftsaussichten auf einer großen Schafstation in Queensland angetreten — sie sollen sich da um die Mäuseplage kümmern. Helen, jetzt sag mir aber, wie es kommt, daß du dich hier in der tiefsten Unterwelt dieses Blecheimers zu den einfachen Leuten gesellst wo du doch erst gestern an der rechten Seite des Herrn und Gebieters über ein großes Linienraumschiff gesehen wurdest?“

„Später, Freddie, sobald wir hier durch sind.“

Er blickte zur Tür. „Ah, ja. Später, bei angenehmem Umtrunk unter Freunden, da werden die Geschichten aufgetischt. Doch zunächst müssen wir an denen da vorbei.“

Zwei bewaffnete Wächter standen links und rechts des Ausgangs. Ich begann mir Mantras aufzusagen während ich mit Freddie sinnlose Bemerkungen tauschte. Beide Polizeioffiziere musterten mich und schienen meine Erscheinung nicht auffällig zu finden.

Wahrscheinlich halfen mir das schmutzige Gesicht und das verwuschelte Haar — die Folge dieser Nacht — über die Hürde, denn bis zu diesem Augenblick hatte ich außerhalb der BB-Kabine keinen Auftritt gehabt für den mich Shizuko nicht ausgiebig vorbereitet hatte — wie eine Sklavin, die bei der Auktion die besten Preise erzielen muß.

Wir traten durch das Luk, marschierten eine kurze Rampe hinab und mußten uns vor einem Tisch aufstellen, der unmittelbar draußen stand. Zwei Männer saßen dahinter und beschäftigten sich mit allerlei Papieren. Einer rief: „Frances, Frederick J.! Treten Sie vor!“

„Hier!“ rief Federico, ging um mich herum und näherte sich dem Tisch. Eine Stimme hinter mir rief:

„Da ist sie!“ Ich stellte den Katzenkäfig abrupt hin und sauste auf den Horizont zu.

Vage bekam ich mit, daß es hinter mir laut wurde doch ich achtete nicht weiter darauf. Ich wollte nur möglichst schnell aus der Reichweite von Lähmpistolen und Klebeseilschleudern oder Tränengasmörsern. Schneller als eine Radarkanone oder ein ganz normales Gewehr war ich natürlich nicht — aber wenn Pete recht hatte, brauchte ich mir darum keine Sorgen zu machen. Ich setzte einfach einen Fuß vor den anderen. Rechts von mir tauchte ein Dorf auf, weiter vorn erschienen Bäume. Im Augenblick kamen mir die Bäume verlockender vor, und ich hielt darauf zu.

Ein Blick über die Schulter offenbarte, daß der größte Teil der Verfolger weit abgeschlagen war — was nicht weiter überraschend ist, schaffe ich doch die tausend Meter in zwei Minuten. Zwei aber schienen Schritt halten zu können und verringerten womöglich den Abstand bereits. Ich verlangsamte also meinen Lauf, mit der Absicht, die beiden zu schnap-pen und mit den Köpfen zusammenzustoßen — oder etwas anderes zu unternehmen, sollte es sich als nötig erweisen.

„Laufen Sie weiter!“ rief Pete. „Wir sollen Sie wieder einfangen!“

Ich erhöhte das Tempo wieder. Der andere Verfolger war Shizuko. Meine Freundin Tilly.

Sobald wir die Bäume erreicht hatten und vom Landungsboot aus nicht mehr gesehen werden konnten, blieb ich stehen und übergab mich. Die beiden holten mich ein; Tilly hielt mir den Kopf und wischte mir den Mund — und versuchte mich zu küssen, aber ich drehte den Kopf weg. „Nicht. Ich muß ja einen scheußlichen Mundgeruch haben. Bist du so aus dem Schiff gekommen?“ Sie trug ein enges Wams das sie größer und schlanker erscheinen ließ, viel abendländischer und vor allen Dingen weiblicher, als ich es von meiner früheren „Zofe“ gewöhnt war.

„Nein, in einem förmlichen Kimono mit allem Drum und Dran. Der liegt da hinten irgendwo. Man kann darin nicht laufen.“

„Hört auf mit dem Reden!“ sagte Pete gereizt. „Wir müssen weiter.“ Er griff mir ins Haar und gab mir einen Kuß. „Wer schert sich darum, wie Sie riechen!“ rief er. „Los, weiter!“

Und wir rannten los. Dabei blieben wir im Wald und vergrößerten unseren Abstand zum Landungsboot. Nach kurzer Zeit wurde allerdings offenbar daß Tilly sich den Fuß verknackst hatte und mit jedem Schritt Schmerzen ertragen mußte. Wieder gab Pete die Erklärung. „Als du losranntest, hatte Tilly erst die Hälfte der Gangway aus der Ersten Klasse zurückgelegt. Sie sprang zu Boden und landete unglücklich. Tilly, du bist ein ungeschickter Vogel!“

„Es liegt an den verdammten Nippon-Schuhen, die stützen den Fuß nicht. Pete, nimm das Mädchen und lauf weiter; mir werden die Bullen nichts tun.“

„Auf keinen Fall!“ sagte Pete bestimmt. „Wir drei stecken mit drin und bleiben auch zusammen. Stimmt’s, Miß — stimmt’s Freitag?“

„Himmel, ja! ›Einer für alle, alle für einen!‹ Gehen Sie auf ihre rechte Seite, Pete! Ich stütze sie von hier.“

So kamen wir ziemlich gut voran, nicht sehr schnell, aber immerhin legten wir noch mehr Wald zwischen uns und die Verfolger. Einige Zeit später wollte Pete sie Huckepack nehmen. Ich blieb stehen.