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»Wo kommst du her?«, fragt Tünnes.

»Du, ich war in Düsseldorf.«

»Gibt's da was Neues?«

»Ja, stell dir vor«, sagt Schäl, »sie haben den Adolf-Hitler-Platz in Graf-Adolf-Platz umbenannt.«

»Na ja«, meint Tünnes, »das hat er schließlich auch verdient.«

War Tünnes ein unverbesserlicher Parteigenosse?

»Ein neues Leben blüht aus den Ruinen« - auch das Kabarett wurde neu geboren. Das »Kom(m)ödchen«, die »Lach- und Schießgesellschaft«, die »Amnestierten«, die »Insulaner«. Auch über alte Profis wie Werner Finck kehrte der Witz via Kleinkunstbühne in unser Leben zurück. Im Düsseldorfer »Kom(m)ödchen« wurden seit dem 29. März 1947 Witze gespielt und klangen so:

Zwei Freunde betrachten ein Klassenfoto.

»Das ist doch Erwin, was macht der denn jetzt?«

»Erwin ist für Hagenbeck in Indien und fängt Tiger.«

»Und da, Alfred, was tut der?« »Alfred reist für >Bayer< durch Lateinamerika. Er fängt Schlangen, presst denen das Gift aus und lässt sie wieder laufen. Das Gift wird für Heilmittel gebraucht.« »Und Hannes?«

»Hannes ist hier im Lande geblieben.«

»Ja«, sagt der andere nachdenklich, »der war ja schon immer so eine Abenteurernatur!«

Kurze Zeit nach dem Waffenstillstand verbot die amerikanische Militär-Regierung ihren in Deutschland stationierten Soldaten, sich mit den Besiegten zu verbrüdern. Aber nur die wenigsten GIs hielten sich daran. Allein oder mit anderen versuchten sie, die Objekte ihrer Begierde - entgegenkommende deutsche Fräuleins - mit all den begehrten Sachen zu ködern, die auch der Hollywood-Star Tyrone Power in Billy Wilders Film >Zeugin der Anklage< der schönen Marlene Dietrich in der Rolle einer Hamburger Barsängerin anbot: Seidenstrümpfe, Schokolade, Bohnenkaffee, Whisky, Zigaretten.

Hinz aus der Ostzone trifft seinen Vetter Kunz aus der Westzone in einer Berliner Kneipe.

»Na, wie geht es denn so?«, erkundigt sich Kunz.

»Wir können nicht klagen«, sagt Hinz. »Abends, wenn wir mit der Arbeit fertig sind, fahren uns die Russen sogar mit Lastwagen nach Hause. Und wie sieht's bei euch im Westen aus?«

»Sagenhaft«, meint Kunz. »Man wird von den Amerikanern mit Luxusautos abgeholt und in eine Villa gefahren. Dort gibt es Sekt, Zigaretten, ein heißes Bad. Und nach der Arbeit wird man wieder nach Hause gefahren.«

»Toll«, sagt Hinz, »und das passiert dir jeden Tag?«

»Mir nicht«, antwortet Kunz, »aber meiner Schwester.«

Kleine Scherze zur Lage. Chris Howland hat sie besungen, die »Frolleins«.

Die meisten Witze, die nach 1945 vorwiegend unter Männern erzählt wurden, lagen unterhalb der Gürtellinie und waren altersschwach. Es gab aber auch Beispiele eines leiseren Humors, der mit seinen weniger eindeutigen Pointen und absurden Zwischentönen aus der Provinz weitergereicht wurde, aus den Kleinstädten und Dörfern. Oder die Flüchtlinge aus Schlesien oder Ostpreußen hatten sie mitgebracht.

Mutter Frintrop kommt mit ihren dreizehn Kindern zum Fotografen, um ein Familienfoto zu bestellen. Der Meister bringt die Gruppe in Position und drückt auf den Auslöser. Einige Tage später kommt er bei Mutter Frintrop vorbei und zeigt ihr die Bilder. Die gute Frau betrachtet die Fotos aufmerksam. Plötzlich stutzt sie und sagt: »Das ist ja alles schön und gut, aber unser Hännesken ist nicht mit drauf.«

»Doch, doch«, sagt der Fotograf, »euer Hännesken ist schon mit drauf. Er steht hinter dem Jupp. Der Jupp hat ihn nur verdeckt.« »Na, dann ist ja alles in Ordnung«, meint Mutter Frintrop. »Hauptsache, er ist drauf!«

Zwei Ostpreußen treffen sich. Sagt der eine: »Weißt du zufällig, was es Neues in Insterburg gibt?«

»Oh«, sagt der andere, »da gibt es gar nichts Neues in Insterburg, rein gar nichts.«

»Wirklich überhaupt nichts?«

»Na ja, höchstens ... dem Tantchen sein Hundchen ist gestorben.« »Dem Tantchen sein Hundchen ist gestorben? Ja sach mal, wieso ist das denn gestorben? Wie kommt denn das?« »Das Hundchen ist überfahren worden.«

»Das ist überfahren worden? Ja sach mal, womit denn überfahren worden? Wie kommt denn das?«

»Das ist mit dem Leichenwagen überfahren worden.« »Mit dem Leichenwagen? Ja, da muss doch einer gestorben sein. Sach mal, wie kommt denn das? Wer ist denn gestorben?« »Na ja, das Tantchen ist gestorben.«

»Das Tantchen ist gestorben? Ja, woran ist es denn gestorben? Wie kommt denn das?« »Das hat sich geärgert.«

»Was, das Tantchen hat sich so geärgert, dass es gestorben ist? Worüber hat es sich denn so geärgert?« »Den Onkel haben sie eingesperrt.« »Was, den Onkel haben sie eingesperrt? Dann muss er doch was verbrochen haben. Sach mal, wie kommt denn das?« »Der Onkel hat Geld gefälscht.«

»Der Onkel hat Geld gefälscht? Nu, das hat er doch schon öfters gemacht. Das ist doch nichts Neues.«

»Na ja, sag ich doch. Es gibt nichts Neues in Insterburg!«

Das Großbauern-Ehepaar Prechtel aus Pfaffenhofen hat acht gesunde Kinder. Nur der Nachkömmling Gustl kann im Alter von fünf Jahren immer noch nicht sprechen. Alle Ärzte und auch einige befragte Heilpraktiker stehen vor einem Rätsel, denn die Organe des Jungen sind in Ordnung.

Eines schönen Tages sitzt die Familie am Mittagstisch und löffelt eine Leberknödelsuppe. Plötzlich verzieht Gustl angewidert das Gesicht und sagt mürrisch: »Die Suppe ist versalzen.« Die Familie ist zunächst sprachlos vor Glück. Dann springen alle auf und umarmen den Kleinen.

»Mein Sohn, mein Sohn«, jubelt der glückliche Vater, »du kannst ja sprechen! Warum hast du denn nicht schon eher ein Wort gesagt?«

»Bis jetzt hatte ich nichts auszusetzen«, antwortet Gustl.

In jenen Tagen, als die Deutschen mit aller Kraft das Wirtschaftswunder vorbereiteten, hatten die Kirchen bedeutenden Einfluss. Sogar in der Schule wurde darauf geachtet, dass die katholischen Kinder zur Beichte gingen.

Im Unterricht stellt die Lehrerin ihren Schülern eine Frage: »Was ist das? Es ist klein, braun, hat spitze Ohren, einen buschigen Schwanz und isst gern Nüsse.« Da meldet sich der Sohn einer Flüchtlingsfamilie und sagt: »Wenn man mir diese Frage in meiner Heimat gestellt hätte, würde ich antworten: das ist ein Eichhörnchen. Aber wie ich den Laden hier so kennengelernt habe, ist es sicher wieder das liebe Jesuskind.«

Gleichzeitig hatten die Wunderheiler Hochkonjunktur. Wer ihnen glaubte, ließ sich auch Trephon-Eier, angebrütete Eier, aufschwatzen. Sie wurden von ihren Vermarktern als Allheilmittel gegen alle nur denkbaren Krankheiten angepriesen. Wie die Kinder im Märchen hinter dem Rattenfänger von Hameln herliefen, pilgerten die Wundergläubigen damals zu einem Mann mit langer Mähne, der in Rosenheim seine heilenden Hände speziell auf Frauenscheitel legte: Bruno Gröning. Über solche Zeiterscheinungen machten die Spötter ihre Witze.

Großer Menschenauflauf am Marktplatz von Hattingen. Die Musik spielt einen Tusch, der Wunderheiler Jablonski erscheint und breitet auf der Bühne segnend die Arme aus. Er verkündet: »Meine Damen und Herren, die Presse hat in letzter Zeit sehr böse über mich geschrieben. Man wirft mir vor, ich sei ein Scharlatan und nur hinter eurem Geld her. Um zu beweisen, dass das nicht stimmt, werde ich heute meine ersten beiden Heilungen umsonst ausführen.«