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Aber nicht, ohne diesen Scheißkerlen einen ordentlichen Kampf zu liefern.

Dante blieb nah am Boden und wartete, bis die Ankömmlinge in Schussweite waren. Dann eröffnete er das Feuer, schoss einen ins Knie und traf einen anderen am Kopf. Mit Erleichterung sah er, dass sie alle Rogues waren: Die Titanbeschichtung seiner handgegossenen Kugeln machte kurzen Prozess mit ihnen – sie zersetzten sich sofort.

Die beiden übrig gebliebenen Rogues erwiderten das Feuer, und Dante entkam dem Kugelhagel nur knapp, indem er langsam am Bootshaus entlang außer Schussweite robbte. Verdammt! In Deckung zu gehen bedeutete, seine günstige Angriffsposition aufzugeben. Außerdem war er dort zu weit entfernt, als dass ihm seine besondere Fähigkeit, den Angriffsweg seiner Feinde zu spüren, noch etwas nützte. Er hörte sie näher kommen, als er ein neues Magazin einschob.

Dann Stille.

Er wartete eine Sekunde, horchte in die Dunkelheit.

Etwas, das größer war als eine Kugel, flog auf das Bootshaus zu. Mit einem schweren, metallischen Klirren fiel es auf die Dockplanken nieder und rollte dort aus.

O Gott.

Sie hatten eine verdammte Handgranate nach ihm geworfen.

Dante atmete tief ein und warf sich in den Fluss, nur eine Schrecksekunde, bevor das Ding explodierte und das Bootshaus und das halbe Dock in einer gigantischen Explosion aus Rauch, Flammen und Trümmern in die Luft jagte. Die Druckwelle unter dem schlammigen Wasser war wie ein Urknall, Dante spürte, wie sie ihm den Kopf nach hinten riss und sein Körper sich unter dem unerträglichen Druck aufbäumte. Über ihm regneten Trümmerteile auf die Wasseroberfläche herab, angestrahlt von einem blendend hellen, orangefarbenen Feuerwerk.

Die Welt verschwamm vor seinen Augen, als die Druckwelle ihn hinunterzog. Er begann zu sinken.

Unfähig, sich zu rühren, bewusstlos und blutend, trug ihn der starke Sog der Strömung flussabwärts.

2

„Spezielle Lieferung für Frau Doktor Tess Culver.“

Tess sah von einer Patientenakte auf und lächelte, trotz der späten Stunde und ihrer Müdigkeit. „Irgendwann die Tage werde ich lernen, auch mal Nein zu sagen.“

„Denkst du, du brauchst da noch Übung? Wie wär’s, wenn ich dich mal wieder frage, ob du mich heiraten willst?“

Sie seufzte, schüttelte den Kopf und sah in die hellblauen Augen und das strahlende Grinsen, das allein ihr galt. „Ich meine nicht uns beide, Ben. Und wie war das mit acht Uhr? In fünfzehn Minuten ist Mitternacht, um Himmels willen.“

„Na und? Hast du vielleicht vor, dich in einen Kürbis zu verwandeln?“ Er gab dem Türknauf einen Schubs und schlenderte in den kleinen Büroraum, beugte sich zu ihr herunter und küsste sie auf die Wange. „Tut mir leid, dass ich so spät dran bin. Diese Dinge laufen eben nicht immer genau nach Plan.“

„Mhm. Also, wo ist er?“

„Hinten im Lieferwagen.“

Tess stand auf, zog einen elastischen Haargummi vom Handgelenk und fasste ihr offenes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Ihre üppigen goldbraunen Locken sahen immer etwas zerzaust aus, sogar wenn sie frisch vom Friseur kam. Jetzt, nach sechzehn Stunden Dienst in der Klinik, befand ihr Haar sich in einem Stadium völliger Anarchie. Sie blies sich eine Strähne aus den Augen und ging an ihrem Exfreund vorbei auf den Gang.

„Nora, machst du mir bitte eine Spritze Ketamin-Xylazin fertig? Und bitte bereite den Untersuchungsraum für mich vor – den großen.“

„Wird gemacht“, zwitscherte ihre Assistentin. „Hallo Ben. Fröhliches Halloween.“

Er zwinkerte ihr mit seinem berüchtigten Lächeln zu, von dem beinahe jeder Frau die Knie weich wurden.

„Hübsches Kostüm, Nora. Was bist du denn, ein Schweizermädel? Zöpfchen und Lederhosen stehen dir echt gut.“

„Merci vielmals“, antwortete sie und strahlte ihn an, während sie den Empfangsbereich verließ, um zum Medikamentenschrank zu gehen.

„Und wo ist dein Kostüm, Tess?“

„Ich habe es an.“ Sie ging vor ihm her durch die Zwingerabteilung, vorbei an einem Dutzend Käfigen voll schläfriger Hunde und nervöser Katzen, die sie zwischen ihren Gitterstäben unruhig anstarrten. Tess rollte genervt die Augen. „Mein Kostüm heißt: die Super-Tierärztin, die wahrscheinlich ins Kittchen kommt für das, was sie heute macht.“

„Ich sorge schon dafür, dass du keine Schwierigkeiten kriegst. Bisher gab es doch auch nie welche. Oder?“

„Und was ist mit dir?“ Sie stieß die Tür zum hinteren Lagerraum der kleinen Klinik auf und ging mit ihm hindurch. „Du arbeitest in einer gefährlichen Branche, Ben. Du gehst zu viele Risiken ein.“

„Machst du dir etwa Sorgen um mich, Doc?“

„Natürlich mache ich mir Sorgen um dich. Ich liebe dich. Das weißt du.“

„Ja“, sagte er leicht verstimmt, „wie einen Bruder liebst du mich.“

Die Hintertür der Tierklinik ging auf eine schmale Gasse hinaus, wo selten jemand parkte und außer den paar Obdachlosen, die gelegentlich im Schutz der Rückwand am Flussufer übernachteten, kaum einmal jemand hinkam. Nun parkte dort Bens schwarzer VW-Bus. Tiefes Knurren und Schnüffellaute drangen heraus, und der Kleinbus wippte leicht auf und ab, als ob sich darin etwas Großes hin und her bewegte.

Genau das war natürlich auch der Fall.

„Er ist da drin eingesperrt, nicht?“

„Genau. Keine Angst, außerdem ist er zahm wie ein Kätzchen, das verspreche ich dir.“

Tess warf Ben einen zweifelnden Blick zu, als sie von der betonierten Schwelle stieg und um den Kleinbus herumging. „Will ich wissen, woher du den hast?“

„Eher nicht.“

Seit etwa fünf Jahren befand sich Ben Sullivan auf seinem persönlichen Kreuzzug für den Schutz von misshandelten exotischen Tieren. Seine Rettungsaktionen recherchierte und plante er von Fall zu Fall und ging dabei so geschickt vor, dass sogar ein Agent der Regierung noch etwas von ihm lernen konnte. Hatte er die nötigen Informationen zusammengetragen, dann brach er als Ein-Mann-Überfallkommando bei den jeweiligen Tierhaltern ein, befreite die misshandelten, unterernährten oder gefährdeten und illegal eingeführten Tiere aus der Hand ihrer Peiniger und brachte sie zu offiziell anerkannten Tierreservaten, die für artgerechte Unterbringung angemessen ausgerüstet waren. In Notfällen legte er ab und an einen Boxenstopp bei Tess in der Tierklinik ein, wenn die Wunden und Verletzungen seiner Schützlinge sofort medizinisch behandelt werden mussten.

So hatten sie sich vor zwei Jahren kennengelernt. Ben hatte Tess einen misshandelten Serval mit Darmverschluss gebracht. Er hatte die kleine exotische Katze aus dem Haus eines Drogendealers gerettet, wo sie ein Hundespielzeug zerkaut und verschluckt hatte, das nun operativ entfernt werden musste. Es war eine minutiöse, langwierige Angelegenheit gewesen, aber Ben war die ganze Zeit über dageblieben. Und ehe Tess es sich versah, gingen sie auch schon miteinander aus.

Sie war nicht sicher, wie es gekommen war, dass aus dem Flirt mehr wurde, aber irgendwie war es dann passiert. Auf jeden Fall war Ben über beide Ohren in Tess verliebt. Tess mochte ihn – um ehrlich zu sein, sogar sehr –, aber irgendwie wusste sie, dass sie bei dem momentanen Stadium ihrer Beziehung bleiben würden. Sie waren einfach gute Freunde, die ab und zu miteinander ins Bett gingen. Und auch das war in der letzten Zeit etwas abgekühlt. Auf ihr Betreiben hin.

„Möchtest du die feierliche Enthüllung machen?“, fragte sie ihn.

Er öffnete die Doppeltür und schwang sie vorsichtig auf.

„Mein Gott“, hauchte Tess ehrfürchtig.

Der bengalische Tiger war räudig und ausgezehrt, sein Vorderlauf entstellt von einer offenen, eiternden Wunde, offenbar einer Brandverletzung. Aber so hager er auch war, der Tiger war die majestätischste Erscheinung, die Tess je gesehen hatte. Er starrte die beiden Menschen an, das Maul erschlafft, hechelnd hing die Zunge heraus. Die Pupillen waren vor Angst geweitet, seine Augen fast vollkommen schwarz. Der Tiger knurrte und schlug den Kopf gegen die Stangen von Bens Transportkäfig.