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»Und wann kann ich dann meine anderen Sprachen anwenden, Skipper? Die Unterwassersprachen, wenn ich so sagen darf?« Ich ließ nicht locker.

Die Sprachen, die mein größter Stolz sind, dachte ich. Die Sprachen, die mich aus der Masse herausheben. Die Sprachen, die nicht im verborgenen dümpeln,

sondern triumphierend durch die Wellen pflügen sollten. Die Sprachen, die, wenn es nach mir ginge, groß zur Schau gestellt gehörten.

»Wenn Sie’s gesagt kriegen. Sie stehen unter Geheimbefehl. Teil eins gibt es heute, Teil zwei morgen früh, sobald wir die endgültige Bestätigung haben, daß die Sache läuft.« Und dann sah ich voller Erleichterung, wie das seltene Lächeln in sein Gesicht trat, dieses Lächeln, für das man eine Wüste durchqueren würde. »Sie sind unsere Geheimwaffe, Sinclair. Der Star der Show, denken Sie immer dran. Wie oft im Leben bekommt man schon die Gelegenheit, der Geschichte in den Hintern zu treten?«

»Einmal, wenn man Glück hat«, antwortete ich loyal.

»Glück ist nur ein anderes Wort für Schicksal«, stellte Maxie richtig, ein entrücktes Leuchten in seinen Bogey-Augen. »Entweder man nimmt es selbst in die Hand, oder man ist am Arsch. Unsere Operation ist kein Kaffeekränzchen. Wir bringen dem Ostkongo die Demokratie – und zwar mit vorgehaltener Knarre. Wir heizen ihnen tüchtig ein, bringen die richtigen Leute ans Ruder, und schon haben wir ganz Kivu hinter uns.«

Mir schwindelte fast bei diesem ersten Einblick in seine große Vision, und seine nächsten Worte waren Balsam für meine Seele – und für Hannahs.

»Das größte Verbrechen der Strippenzieher im Kongo war bis jetzt immer die Gleichgültigkeit, richtig?«

»Richtig«, antwortete ich fest.

»Intervenieren, solange das schnelle Geld lockt, und nichts wie weg, sobald sich die nächste Krise ankündigt. Richtig?«

»Richtig.«

»Im Kongo herrscht Stillstand. Eine Regierung, die nichts taugt, ein ganzes Land, das auf freie Wahlen wartet. Ob sie stattfinden oder nicht, weiß keiner. Und wenn sie stattfinden, geht es den Leuten hinterher wahrscheinlich schlechter als vorher. Es gibt also ein Vakuum. Richtig?«

»Richtig«, kam es erneut von mir.

»Und in dieses Vakuum stoßen wir hinein. Bevor uns einer in die Quere kommt. Denn sie stehen ja alle schon in den Startlöchern, die Amis, die Chinesen, die Franzosen, die Multis. Alle wollen sie noch vor der Wahl einen Fuß in die Tür kriegen. Wir intervenieren, und wir bleiben. Und diesmal wird der Kongo auf der Siegerseite stehen.«

Ich versuchte meine Zustimmung zum Ausdruck zu bringen, doch er ließ mich nicht zu Wort kommen.

»Seit fünfhundert Jahren wird der Kongo jetzt schon ausgeblutet«, fuhr er kopfschüttelnd fort. »Von den arabischen Sklavenhändlern, von den anderen afrikanischen Staaten, von den Vereinten Nationen, von der CIA, den Christen, den Belgiern, den Franzosen, den Briten, den Ruandern, den Diamantenkonzernen, den Goldkonzernen, den Mineralienkonzernen, von windigen Geschäftemachern, von den Kleptokraten in Kinshasa, und als nächstes kommen auch noch die Erdölkonzerne dazu. Höchste Zeit für einen Wechsel, und den werden wir ihnen bescheren.«

Sein rastloser Blick war an Monsieur Jasper hängengeblieben, der am anderen Ende des Flugzeugrumpfs den Arm in die Höhe reckte und winkte, wie eine Kassiererin im Supermarkt, der das Wechselgeld ausgegangen ist.

»Also, Teil zwei gibt’s morgen«, wiederholte er, schnappte sich seinen Gasmaskenbehälter und marschierte zu ihm hinüber.

* * *

Wer in Maxies Bann steht, kann nicht mehr vernünftig denken. Alles, was er gesagt hatte, war Musik in meinen bikulturellen Ohren. Aber als ich aus meiner Betäubung wieder zu mir kam, drangen über das unregelmäßige Dröhnen der Triebwerke hinweg andere, weniger fügsame Stimmen als meine eigene zu mir durch.

Ich hatte »richtig« gesagt. Aber hatte ich auch ja gesagt?

Vermutlich, denn nein gesagt hatte ich auf keinen Fall.

Aber wozu genau hatte ich ja gesagt?

Hatte Mr. Anderson, als er mich über meine Aufgaben aufklärte, erwähnt, daß ich mich dafür in einen linguistischen Eisberg zu verwandeln hatte, zu neun Zehnteln unter Wasser? Hatte er nicht. Er hatte mir einen Fronteinsatz versprochen, mir gesagt, daß ich eine Lügenexistenz würde führen müssen, und mich gewarnt, daß ich draußen im Feld nicht die biblische Wahrheit erwarten dürfe, in deren Geiste wir erzogen worden seien. Kein Wort von Unter- und Überwassersprachen oder kontrollierter Schizophrenie.

Jetzt seien Sie nicht zickig, Sinclair. Es ist kinderleicht. Tatsächlich, Skipper? So zu tun, als ob man etwas gehört hat, ist relativ simpel, dem würde ich zustimmen. Das ist gang und gäbe. Aber so zu tun, als ob man etwas nicht gehört hat, ist meiner Erfahrung nach das Gegenteil von einfach. Ein Spitzendolmetscher reagiert automatisch. Er ist dazu ausgebildet, ins kalte Wasser zu springen, da kann er Eisberge nicht gebrauchen. Er hört, er springt, alles weitere kommt von selbst. Gut, zugegeben: früher oder später denkt er auch nach. Aber sein Talent zeigt sich beim spontanen Reagieren, nicht beim Wiederkäuen.

Während ich noch so vor mich hin sann, brüllte uns einer der unrasierten Piloten zu, wir sollten uns festhalten. Das Flugzeug ruckte wie von einer Gewehrsalve getroffen, ruckte noch einmal und kam nach einigen schwerfälligen Aufsetzern zum Stehen. Krachend ging die Kabinentür auf, und ein eisiger Luftschwall blies herein. Ich war froh um mein Tweedsakko. Unser Skipper war der erste, der ins Leere trat, dann Benny mit seinem Seesack, gefolgt von Monsieur Jasper samt Aktenkoffer. Auf Antons Wink kletterte ich ihnen nach, die Reisetasche vorneweg. Ich landete auf weichem Grund, die Luft roch nach Ebbe am Meer. Zwei Paar Scheinwerfer holperten über eine Wiese auf uns zu. Erst hielt ein Pritschenwagen neben uns an, dann ein Kleinbus. Anton scheuchte mich in den Bus, Benny schob Jasper hinter mir her. Im Schatten des Flugzeugs luden die Anoraks schwarze Kästen auf den Pritschenwagen. Unsere Fahrerin war eine reifere Ausgabe von Bridget, mit Kopftuch und pelzgefütterter Jacke.

Die mit Schlaglöchern übersäte Piste hatte weder Markierungen noch Schilder. Fuhren wir auf der rechten oder auf der linken Seite? Im schwachen Schein des Abblendlichts glotzte uns ein staatenloses Schaf vom Wegesrand an. Es ging einen Berg hinauf, und als wir auf der anderen Seite wieder hinunterfuhren, ragten aus dem sternlosen Himmel plötzlich zwei granitene Torpfosten vor uns auf. Wir rumpelten über ein Viehgitter, umrundeten ein Kiefernwäldchen und hielten in einem kopfsteingepflasterten, von hohen Mauern umschlossenen Hof an.

Giebel und Dächer verloren sich im Dunkeln. Im Gänsemarsch folgten wir unserer Fahrerin in einen schwach beleuchteten Vorraum, gut sechs Meter hoch. Auf dem Fußboden mehrere Reihen von Gummistiefeln, auf die in weißer Farbe die jeweilige Größe gemalt stand. Die Siebenen hatten einen kontinentalen Quer-, die Einsen einen Aufstrich. An den Wänden uralte Schneeschuhe, gekreuzt wie Tennisschläger. Ob sie Schotten gehört hatten? Schweden? Norwegern? Dänen? Oder war unser Gastgeber nur ein Sammler nordischen Nippes? Eine kleine Insel oben im Norden, wo wir ungestört sind. Je weniger wir wußten, desto ruhiger konnten wir hinterher schlafen. Die Fahrerin ging vor uns her. Ein Schild an ihrem Pelzkragen wies sie als Gladys aus. Hintereinander betraten wir eine große Eingangshalle mit Balkendecke. In alle Richtungen zweigten Flure ab. Auf diejenigen von uns, die nach dem Chow Mein noch Appetit hatten, warteten ein kalter Imbiß und ein Teeautomat. Eine zweite Frau, Janet, wie ihr Namensschild verriet, erklärte den einzelnen Mitgliedern des Teams unter viel Lächeln, wohin sie sich zu begeben hatten. Mir wies sie zunächst einen Platz auf einem bestickten Sofa zu.