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»Wird gemacht, Skipper. Kein Problem. Liebend gern.«

Im nächsten Moment jagte Maxie vor mir her die Steintreppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal, und oben mit wütenden Schritten weiter bis in die Bibliothek, wo er sich in einen Sessel warf und auf einen zweiten deutete, und da saßen wir beide wie zwei Landjunker auf ihrem Herrensitz, während wir abkühlten. Vor den Verandatüren stiegen weiche Rasenflächen sanft an zu dem verwanzten Pavillon.

»An einem Ort in Dänemark, knapp tausend Meilen von hier, ist zur Zeit eine Tagung im Gange«, nahm er den Faden wieder auf. »Soweit alles klar?«

»Alles klar, Skipper.«

»Nennt sich Great Lakes Forum. Schon mal gehört?«

Nein, das hatte ich nicht.

»So ein Haufen von langhaarigen skandinavischen Akademikern. Stoßen inoffizielle Diskussionen an, die die Probleme des Ostkongo lösen sollen, und zwar möglichst noch vor den Wahlen. Weil ja diese ganzen Typen, die sich so spinnefeind sind, nur ein bißchen Dampf ablassen müssen, und simsalabim, schon passiert ein Wunder!«

Ich lächelte wissend. Wir waren wieder auf Kurs, Kameraden, wie es sein sollte.

»Heute ist ihr freier Tag. Da steht eigentlich die Besichtigung von Fischräuchereien und Skulpturenparks auf dem Programm, aber drei der Delegierten schwänzen diesen Teil und kommen statt dessen hierher. Zu einer noch inoffizielleren Tagung.« Er warf einen Ordner auf den Tisch zwischen uns. »Da sind die Hintergrundinformationen, die Sie wollten. Kurzbiographien, Sprachen und Stammeszugehörigkeit der Akteure. Kleiner Liebesdienst von Philip. Ziemlich schräges Trio, diese drei«, fuhr er fort. »Bis vor wenigen Monaten waren sie noch vollauf damit beschäftigt, einander die Eier abzuschneiden und die Frauen abzuschlachten und sich gegenseitig Land, Vieh und Bodenschätze abzujagen. Mit ein bißchen Nachhilfe bilden sie jetzt eine Allianz.«

»Gegen wen diesmal, Skipper?« fragte ich in angemessen weltmüdem Ton.

Meine Skepsis sprach für sich selbst, denn was konnte der Zweck irgendeines Bündnisses in diesem rückständigen Paradies sein, wenn nicht die Vernichtung eines gemeinsamen Feindes? Es dauerte darum einen Moment, bis die volle, die ungeheuerliche Tragweite seiner Antwort einsickerte.

»Ausnahmsweise nicht gegen wen. Sondern unter wessen Führung. Haben Sie schon mal von diesem selbsternannten großen Retter des Kongo läuten hören, ExProfessor für was weiß ich, der derzeit durch die Lande tingelt? – nennt sich der Mwangaza – das heißt Licht, stimmt’s?«

»Oder Lichtbringer«, erwiderte ich, die reine dolmetscherische Reflexhandlung. »Je nachdem, ob wir es figurativ oder buchstäblich meinen, Skipper.«

»Tja, der Mwangaza ist jedenfalls der, auf den’s ankommt, figurativ hin oder her. Wenn wir ihn vor den Wahlen ans Ruder bringen, stehen wir ganz oben. Wenn nicht, sind wir im Arsch. Trostpreis gibt’s keinen.«

Zu sagen, mir wirbelte der Kopf, wäre eine Untertreibung erster Güte. Eher schoß er wild rotierend in den Weltraum hinaus, unter Aussendung hektischer Signale an Hannah.

* * *

Ich habe ihn sprechen hören, Salvo, sagt sie mir, vom Französischen ins Englische überwechselnd in einem unserer kurzen Momente der Ruhe. Er ist ein Apostel der Wahrheit und der Versöhnung. In Kivu hörst du ihn auf jedem Radiosender. Vor zwei Wochen, an meinem freien Tag, bin ich mit Freunden rauf nach Birmingham gefahren, und er hat zu einer großen Menschenmenge gesprochen. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können in dem Saal. Seine Bewegung heißt der Pfad der Mitte. Sie wird etwas vollbringen, was keine politische Partei erreichen kann. Und zwar deshalb, weil es eine Bewegung ist, die die Herzen anspricht und nicht die Brieftaschen. Sie wird alle Menschen in Kivu vereinen, im Norden wie im Süden. Sie wird die Profitgeier in Kinshasa dazu zwingen, ihre korrupten Soldaten aus dem Ostkongo abzuziehen, so daß wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen können. Sie wird die Stellvertreterarmeen und völkermordenden Milizen entwaffnen und sie zurück über die Grenze nach Ruanda schicken, wo sie hingehören. Die, die ein echtes Anrecht darauf haben, können bleiben, vorausgesetzt, sie wollen wahre Kongolesen sein. Und soll ich dir noch etwas sagen, Salvo?

Immer, Hannah.

1964, bei dem großen Aufstand, hat der Mwangaza für Patrice Lumumba gekämpft und wurde verwundet!

Wie soll er das denn geschafft haben, Hannah? Die CIA hat Lumumba 1961 umgebracht, mit ein klein wenig Nachhilfe der Belgier. Und das war drei Jahre, bevor der große Aufstand überhaupt begonnen hat.

Salvo, sei nicht so pedantisch. Der große Aufstand lebte vom Geiste Lumumbas. Alle, die dabei mitgekämpft haben, waren von ihm inspiriert. Sie haben für einen freien Kongo gekämpft, und für Patrice, ob lebendig oder tot.

Dann schlafe ich also gerade mit der Revolution.

Und albern brauchst du auch nicht zu werden. Der Mwangaza ist kein Revolutionär. Er steht für Mäßigung und für Disziplin und Gerechtigkeit, und für die Vertreibung all derer, die sich an unserem Land bereichern, ohne es zu lieben. Er will nicht als ein Mann des Krieges in die Geschichte eingehen, sondern als der Wegbereiter von Frieden und Harmonie für alle wahren Patrioten im Kongo. Er ist l’oiseau rare: der große Held, der gekommen ist, um uns von allem Übel zu erlösen. Langweile ich dich am Ende?

Und indem sie so tut, als fühlte sie sich nicht ernstgenommen von mir, stößt sie mutwillig die Bettdecke weg und setzt sich auf. Und man muß wissen, wie wunderschön sie ist, und wie durchtrieben in der Liebe, um auch nur ahnen zu können, was das bedeutet. Nein, Hannah, du langweilst mich keineswegs. Ich war nur kurzzeitig abgelenkt durch die Stimme meines seligen Vaters, der einen ganz ähnlichen Traum hatte wie du.

Ein einiges Kivu, mein Salvo … Im Frieden mit sich unter Gott und der kongolesischen Flagge … Befreit von der Geißel der Fremdausbeutung, aber offen für all jene, die sich aufrichtig wünschen, teilzuhaben am Gottesgeschenk seiner Bodenschätze und an der Aufklärung aller seiner Völker … Laß uns beten, daß du lang genug leben mögest, um diesen Tag heraufdämmern zu sehen, Salvo, mein Sohn.

* * *

Maxie wartete auf meine Antwort. Also, hatte ich nun von diesem selbsternannten großen Retter des Kongo läuten hören oder nicht? Wie der Mwangaza entschied ich mich für den Pfad der Mitte.

»Hm, könnte sein«, räumte ich mit einem wohlkalkulierten Quentchen Desinteresse in der Stimme ein. »Irgend so ein recycelter Konsens-Prediger, oder?«

»Aber begegnet sind Sie ihm nicht?«

»Guter Gott, nein!« Wie konnte ich ihm einen derart abartigen Eindruck vermittelt haben! »Kongolesische Politik ist offengestanden ein Thema, um das ich einen großen Bogen mache, Skipper. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß ich besser ohne fahre.«

Was vor Hannahs Zeit weitgehend der Wahrheit entsprochen hatte. Wer sich assimiliert, der trifft eine Wahl.

»Tja, wappnen Sie sich, denn Sie werden ihn kennenlernen«, sagte Maxie mit einem raschen Blick auf seine Uhr. »Unser großer Retter wird mit zwei Gefolgsleuten anreisen: einem politischen Berater, der sein getreuer Jünger ist, und einem nicht ganz so getreuen libanesischen Mittelsmann namens Felix Tabizi, Kurzform Tabby. Der Professor ist ein Shi, sein Jünger auch.«

Tabby, wiederholte ich bei mir, während meine Gedanken den Sprung zurück zu dem lichterfunkelnden Haus am Berkeley Square machten. Tabby, das aalglatte Arschloch, Tabby, der es in letzter Sekunde noch mal spannend machte. Ich wollte schon fragen, was ein nicht ganz so getreuer libanesischer Mittelsmann im Gefolge des Mwangaza verloren hatte, aber Maxie erklärte es mir bereits.

»Tabby ist das notwendige Übel des alten Knaben.

Jeder afrikanische Führer, der auf sich hält, hat eines. Bis vor kurzem war er extremistischer Muslim und Hamas-Mitläufer, aber das Christentum schien ihm auf Dauer offenbar doch bekömmlicher. Leitet die Kampagne des Mwangaza – stellt die Weichen für ihn, kümmert sich um die Finanzen, wäscht ihm die Socken.«

»Und seine Sprachen, Skipper? Mr. Tabizis, meine ich?«