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Ich drücke den Knopf dennoch und bin im SALON der verbotenen Königlichen Gemächer. Franco spricht Swahili. Empfang perfekt, keinerlei Echo oder Nebengeräusche. Ich stelle mir dicke Teppiche vor, Vorhänge, Polstermöbel. Franco klingt entspannt. Vielleicht haben sie ihm einen Whisky gegeben? Warum denke ich an Whisky? Franco ist der Whisky-Typ. Franco redet mit dem Delphin. Für die Anwesenheit des Mwangaza fehlt mir vorerst der Beweis, auch wenn etwas in ihren Stimmen mir das Gefühl gibt, daß er in der Nähe sein muß.

Franco: Wir haben gehört, daß in diesem Krieg viele Flugzeuge eingesetzt werden sollen.

Delphin: Das ist wahr.

Franco: Ich habe einen Bruder. Ich habe viele Brüder.

Delphin: Glücklich ist der Mann, der viele Brüder hat.

Franco: Mein bester Bruder ist ein guter Kämpfer, aber er hat zu seiner Schande nur Töchter. Vier Frauen, fünf Töchter.

Delphin: (Ein Sprichwort) Wie lang auch die Nacht, irgendwann kommt doch der Tag.

Franco: Eine dieser Töchter, die älteste, hat eine Geschwulst hinten am Hals, unter der ihre Heiratsaussichten leiden. (Angestrengtes Ächzen verwirrt mich, bis ich begreife, daß Franco nach der entsprechenden Stelle an seinem eigenen schmerzenden Körper zu langen versucht) Wenn der Mwangaza die Tochter meines Bruders nach Johannesburg ausfliegt, damit sie ohne Aufsehen behandelt werden kann, wird mein Bruder dem Pfad der Mitte wohlwollende Gefühle entgegenbringen.

Delphin: Unser Lichtbringer ist ein liebevoller Ehemann und Vater vieler Kinder. Der Flug wird arrangiert werden.

Gläserklingen besiegelt das Versprechen. Wechselseitige Bekundungen der Wertschätzung.

Franco: Dieser Bruder ist ein fähiger Mann, sehr beliebt bei seinen Leuten. Wenn der Mwangaza Gouverneur von Süd-Kivu ist, wird er gut daran tun, meinen Bruder zum Polizeichef für die gesamte Region zu ernennen.

Delphin: In der neuen Demokratie wird bei der Vergabe sämtlicher Ämter Transparenz das oberste Gebot sein.

Franco: Mein Bruder wird für eine dreijährige Amtszeit einhundert Kühe und fünfzigtausend Dollar zahlen.

Delphin: Über das Angebot wird demokratisch beraten werden.

Spider hinter seinem Metallregal späht zu mir herüber, die runden Augenbrauen hochgezogen. Ich biege den Kopfhörer von einem Ohr weg.

»Stimmt was nicht?« frage ich.

»Nicht daß ich wüßte, mein Goldjunge.«

»Warum schauen Sie dann so?«

»Weil die Glocke geläutet hat. Sie waren so vertieft, daß Sie’s gar nicht gehört haben.«

12

Drei Standorte, meine Herrn! Alle drei Tagebau, alle drei noch kaum ausgebeutet und von zentraler Wichtigkeit für ein wiedererstarktes Kivu.«

Maxie, Billardqueue in der Hand, führt wieder das große Wort. Der Flughafen ist unser, der Mwangaza in Amt und Würden. Bald wird das Syndikat sämtliche Minen in Süd-Kivu kontrollieren, aber bis dahin spielen drei für uns eine besondere Rolle. Sie sind ab vom Schuß, ohne offizielle Lizenzinhaber, die uns in die Quere kommen könnten.

Seit meiner Rückkehr in den Besprechungsraum muten mich all die Menschen darin wie Schauspieler nach einem Kostümwechsel an. Haj und Dieudonné, die vor nur wenigen Minuten den Aufstand geprobt haben, benehmen sich, als hätten sie nie ein Wort miteinander gesprochen. Haj summt ein unbeschwertes Liedchen und grinst ins Leere. Dieudonné zupft versonnen mit den knochigen Fingerspitzen an seinen Barthaaren. Zwischen den beiden ragt die Gestalt des alten Franco auf, sein verwittertes Gesicht ein Bild der Rechtschaffenheit. Undenkbar, daß er soeben versucht haben soll, den gottgefälligen Delphin zu bestechen! Und Philip kann doch nie und nimmer derselbe sein, der vorhin so herrisch ins Satellitentelefon geblafft hat. Seine wohlgepolsterten Hände liegen in pfäffischer Seelenruhe über der Hemdbrust gefaltet. Kämmt er sich zwischen zwei Auftritten das gewellte weiße Haar? Zwirbelt er die kleinen Löckchen hinter seinen Ohren neu? Einzig Tabizi kann die Feindseligkeit, die in ihm brodelt, nicht verbergen. Den Rest seines Körpers mag er unter Kontrolle haben, nicht aber das rachsüchtige Glimmen in seinen ölschwarzen Augen.

Die Karte, vor der Maxie steht, ist so groß, daß Anton sie über ein Tischende breiten muß wie eine Decke. Wie sein Skipper hat er die Jacke ausgezogen. Seine bloßen Arme sind vom Ellenbogen bis zum Handgelenk hinunter tätowiert: ein Büffelkopf, ein zweiköpfiger Adler mit einem Erdball in den Fängen und ein Totenschädel auf einem Stern zur Erinnerung an das nicaraguanische Escuadrón de Helicópteros. In den Händen hält er ein Tablett mit kleinem Plastikspielzeug darauf: Kampfhubschrauber mit verbogenen Rotorblättern, zweimotorige Flugzeuge, denen die Propeller fehlen, Feldhaubitzen, die Munitionswägen ziehen, Fußsoldaten, die mit aufgestecktem Bajonett vorwärts stürmen oder sich – das scheinen die Klügeren zu sein – flach zu Boden geworfen haben.

Maxie marschiert den Tisch entlang, sein Queue im Anschlag. Ich versuche, Hajs Blick auszuweichen. Sooft Maxie mit dem Queue zeigt, sehe ich flüchtig von meinem Block hoch und begegne schon wieder Hajs Geglupsche. Was für eine Botschaft will er mir übermitteln? Daß ich ihn verraten habe? Daß unser Zweikampf nie stattgefunden hat? Daß wir Busenfreunde sind?

»Kleines Nest namens Lulingu«, sagt Maxie zu Franco gewandt und spießt den Ort auf sein Rapier. »Herz des Mai-Mai-Territoriums. Le cœur du Maï Maï. Oui? D’accord? Guter Mann.« Ein Schwenk in meine Richtung. »Angenommen, ich würde ihn bitten, dreihundert von seinen besten Leuten da hinzubeordern, würde er das für mich tun?«

Während Franco mein Ansinnen überdenkt, schwenkt Maxie wieder herum zu Dieudonné. Wird er ihm raten, eine Flasche lösliches Aspirin zu trinken? – nicht hinter der Herde herzutraben, nun da seine Zeit abgelaufen ist?

»Euer Gebiet, stimmt’s? Euer Volk. Eure Weiden. Euer Vieh. Euer Plateau.«

Das Queue schrammt das Südufer des Tanganjika-Sees entlang, hält auf halber Strecke inne, fährt ein Stück nach links, hält wieder an.

»Das ist unser Gebiet«, räumt Dieudonné ein.

»Könnt ihr einen befestigten Stützpunkt für mich einrichten – hier?«

Dieudonnés Gesicht verfinstert sich. »Für Sie?«

»Für die Banyamulenge. Für ein vereintes Kivu. Für Frieden, Gleichberechtigung und Wohlstand für das gesamte Volk.« Die Glaubenssätze des Mwangaza sind offenkundig auch die von Maxie.

»Wie würden wir versorgt?« will Dieudonné wissen.

»Von uns. Aus der Luft. Wir werfen euch alles ab, was ihr braucht, und solange ihr es braucht.«

Dieudonné richtet den Blick beinahe beschwörend auf Haj, dann senkt er das Gesicht zwischen seine langen, dünnen Hände und läßt es dort, und für den Bruchteil einer Sekunde tauche ich zu ihm in sein Dunkel. Hat Haj ihn herumgekriegt? Und wenn ja, hat er mich herumgekriegt? Jetzt hebt Dieudonné den Kopf. Sein Ausdruck ist entschlossen, aber in welchem Sinne entschlossen, darüber läßt sich nur spekulieren. Den Blick in die Ferne gerichtet, beginnt er laut zu denken, in kurzen, apodiktischen Sätzen.

»Kinshasa bietet uns an, uns in seine Armee einzugliedern. Aber nur, um unsere Kräfte zu binden. Man ködert uns mit Alibi-Posten, die uns die Illusion von Macht vermitteln sollen. Aber de facto sind sie wertlos. Wenn es zu Wahlen kommt, wird man die Grenzen so ziehen, daß wir im Parlament keine Stimme haben. Wenn wir niedergemetzelt werden, wird Kinshasa keinen Finger zu unserem Schutz rühren. Aber die Ruander werden uns zu Hilfe kommen. Und das wird eine neuerliche Katastrophe für den Kongo.« Zwischen den gespreizten Fingern hervor zieht er sein Fazit: »Mein Volk kann es sich nicht leisten, diese Gelegenheit nicht zu nutzen. Wir werden für den Mwangaza kämpfen.«

Haj starrt ihn an, stößt dann ein mädchenhaftes kleines Lachen aus. Maxie klopft mit der Spitze des Queues auf die Vorberge südwestlich von Bukavu.

»Und diese prächtige kleine Mine hier gehört Ihnen, Haj. Ist das korrekt? Ihnen und Luc?«

»Auf dem Papier«, konzidiert Haj mit aufreizendem Achselzucken.