»Gut, wenn sie nicht Ihnen gehört, wem dann?« – der Ton scherzhaft, aber unterlegt mit einer Aggression, die ich nicht abzumildern versuche.
»Unsere Firma läßt sie von einem Subunternehmer betreiben.«
»Nämlich wem?«
»Geschäftsfreunden meines Vaters«, gibt Haj zurück, und ich frage mich, wer außer mir alles den aufsässigen Unterton in seiner Stimme hört.
»Ruandern?«
»Ruandern, die den Kongo lieben. So was soll’s geben.«
»Und die Ihrem Vater gegenüber loyal sind, nehme ich doch an?«
»Unter vielerlei Umständen, ja. Unter manchen vielleicht eher sich selbst gegenüber, was nur normal ist.«
»Wenn wir die Produktion verdreifachen und sie beteiligen würden, wären sie dann uns gegenüber loyal?«
»Uns?«
»Dem Syndikat. Angenommen, sie wären gut bewaffnet und gegen Angriffe gerüstet? Ihr Vater hat gesagt, sie würden für uns kämpfen bis zum letzten Mann.«
»Wenn mein Vater das gesagt hat, dann wird es auch so sein.«
Erbittert fährt Maxie zu Philip herum. »Ich denke, das ist alles längst abgemacht!«
»Aber selbstredend ist es abgemacht«, versichert Philip begütigend. »Die Sache ist in trocknen Tüchern. Luc hat sich schon vor einer Ewigkeit dazu verpflichtet.«
Da der Wortwechsel englisch und privater Natur ist, übersetze ich ihn nicht mit, was Haj nicht davon abhält, debil zu feixen und mit dem Kopf zu wackeln, wofür er angeekelte Blicke von Tabizi erntet.
»Drei Anführer, drei unabhängige Enklaven.« Maxie appelliert wieder an die Versammlung im Ganzen. »Jede mit eigener Landebahn, voll in Gebrauch, teilweise in Gebrauch oder gar nicht. Das heißt, jede kann aus der Luft versorgt werden, mit schweren Maschinen von Bukavu aus. Das ganze Problem von Erschließung, Abbau und Transport auf einen Schlag gelöst. Unauffindbar und – ohne feindliche Luftangriffe – uneinnehmbar.«
Feindliche Luftangriffe? Und wer soll der Feind genau sein? Fragt sich Haj das, oder frage ich es?
»Ist schließlich nicht bei jeder militärischen Operation so, daß man die Leute aus dem Boden bezahlen kann, auf dem man seine Zelte aufschlägt«, insistiert Maxie im Ton eines Menschen, der Einwände zu entkräften sucht. »Und das auch noch zum besten seines Landes. Streichen Sie das noch mal heraus, alter Junge. Diesen ganzen Schmonzes mit dem Gemeinwohl. Daß die Milizen mit den benachbarten Stammesführern zusammenarbeiten und die Stammesführer alle ihren Reibach machen, was aber völlig legitim ist, solange sie schön brav mit ihren Sippen oder Stämmen teilen. Gibt keinerlei Grund, warum die Stützpunkte nicht im Lauf der Zeit zu richtigen kleinen Gemeinden werden sollten. Mit Schulen, Läden, Gesundheitsversorgung, dem ganzen Drum und Dran.«
Aller Augen richten sich indessen auf die SpielzeugVerkehrsmaschine, die Anton auf Francos DschungelStützpunkt landen läßt. Eine Antonow-12, erklärt Maxie. Mit einer Fracht von Baggern, Lastern, Gabelstaplern und Ingenieuren. Die Landebahn reicht spielend dafür aus. Was immer wo immer benötigt wird, die Antonow bringt es, schön verpackt und mit Schleifchen verziert, so Maxie, aber Haj fährt schon wieder dazwischen – läßt den rechten Arm in die Höhe schießen und hält ihn erhoben wie ein braver Schüler, der wartet, bis der Lehrer ihn aufruft.
»Monsieur Philippe.«
»Haj.«
»Sehe ich das richtig, daß die Milizen gemäß der vorgesehenen Vereinbarung für ein Minimum von sechs Monaten auf den Stützpunkten bleiben müssen?«
»Goldrichtig.«
»Und nach sechs Monaten?«
»Nach sechs Monaten wird der Mwangaza als die Wahl des Volkes im Amt sein, und die Schaffung eines vereinten Kivu wird auf den Weg gebracht worden sein.«
»Aber für die Dauer dieser sechs Monate – bevor die Minen an das Volk übergehen –, wer hat da die Kontrolle über sie?«
»Das Syndikat, wer sonst?«
»Und das Syndikat fördert die Rohstoffe auch?«
»Das will ich hoffen.« Scherzhaft.
»Und fliegt sie aus?«
»Selbstverständlich. Das haben wir Luc alles erklärt.«
»Wird das Syndikat die Rohstoffe auch verkaufen?«
»Sie auf den Markt bringen, sicher.«
»Ich habe gesagt, verkaufen.«
»Und ich habe gesagt, auf den Markt bringen«, pariert Philip mit dem Lächeln eines Mannes, der an einem tüchtigen Wortgefecht seinen Spaß hat.
»Und sämtliche Profite ausschließlich für sich behalten?«
Tabizi am anderen Tischende will schon wieder aus der Haut fahren, aber der behende Philip kommt ihm auch diesmal zuvor.
»Die Profite, Haj – Einnahmen wäre ein weniger ungnädiges Wort –, sollen, wie Sie sehr richtig bemerken, für die ersten sechs Monate die Vorausleistungen des Syndikats ausgleichen helfen. Unter die natürlich auch die nicht unbeträchtlichen Kosten fallen, die nötig sein werden, um dem Mwangaza an die Macht zu verhelfen.«
Von allen im Raum beobachtet, läßt Haj sich das durch den Kopf gehen. »Und die Minen, diese drei Stützpunkte, die Ihr Syndikat bestimmt hat – einen für jeden von uns«, hebt er wieder an.
»Was ist damit?«
»Nun ja, das sind ja nicht irgendwelche beliebig ausgewählten Minen, oder? Sie sehen vielleicht nicht danach aus, aber es handelt sich bei ihnen um höchst spezielle Anlagen.«
»Ich fürchte, da trauen Sie mir zuviel zu, Haj. Ich bin so gar kein technischer Mensch.«
»Es sind Gold- und Diamantenminen, richtig?«
»Das will ich doch schwer hoffen. Andernfalls ist uns ein furchtbarer Fehler unterlaufen.«
»Aber es sind außerdem Halden.«
»Ach, wirklich?«
»Ja, wirklich. Rund um sie herum ist Coltan abgebaut worden. Abgebaut, angehäuft und dann sich selbst überlassen, während wir zu beschäftigt mit Sterben waren, um etwas damit anzufangen. Ein bißchen Rohverarbeitung vor Ort, um das Gewicht zu reduzieren, und ab geht die Post. Sie brauchen nicht mal die ganzen sechs Monate dafür. Zwei reichen vollkommen.«
Am äußersten Rand meines Blickfelds fährt Tabizi mit den Spitzen seiner ringgeschmückten Finger die Pockennarben an seiner Kinnlade nach, aber mir scheint, daß er lieber Haj in den Fingern hätte.
»Tja, schönen Dank für den Hinweis, Haj«, schnurrt Philip, sahneglatt. »Ich kann mir zwar nicht vorstellen, daß unsere Experten darüber noch nicht im Bilde sind, aber ich sorge auf jeden Fall dafür, daß es weitergeleitet wird. Coltan ist ja leider Gottes nicht mehr das Wundermineral, das es einmal war, aber das wissen Sie sicher selber.«
* * *
»Roamer, Skipper ? «
Meine Hand ist erhoben, ich brauche eine Erklärung. Maxie liefert sie bissig. Aber woher soll ich wissen, daß ein Roamer-Funkgerät so schnell von einer Frequenz zur anderen wechselt, daß keine Abhörvorrichtung in ganz Afrika und erst recht in Bukavu hinterherkommt?
»Und PSD, Skipper?« – keine zwei Minuten später.
»Privater Sicherheitsdienst – Himmelherrgott, Sinclair, leben Sie hinterm Mond?«
Ich entschuldige mich, etwas, das ein Spitzendolmetscher niemals tun sollte.
»Als nächstes kommt der Kordon. Haben Sie das, alter Junge? Französisches Wort, das sollte also klargehen. Sobald ein Stützpunkt gesichert ist, ziehen wir einen Kordon darum. Zwanzig-Kilometer-Radius, keiner darf rein oder raus ohne unser Okay. Das Ganze wird per Hubschrauber aus der Luft versorgt. Unser Hubschrauber, unser Pilot, aber euer Stützpunkt.«
Anton setzt einen Spielzeughubschrauber auf jede Basis. Als ich den Kopf wegdrehe, um Hajs Starren zu entgehen, sehe ich, daß Philip aufgestanden ist.
»Und diese Hubschrauber, meine Herren« – Philip, der stets auf Effekt bedachte, wartet auf vollkommene Stille, erhält sie, hebt neu an –, »diese Hubschrauber, die so lebenswichtig für unsere Operation sind, werden der leichteren Identifizierbarkeit wegen weiß sein. Und damit sie leichter überall durchkommen, halten wir es für sinnvoll, ihnen vorsichtshalber das UN-Emblem aufzumalen«, fügt er in einem nonchalanten Ton hinzu, den ich wacker nachzuahmen versuche, während ich meine Perrierflasche fixiere und meine Ohren vor Hannahs empörten Einwänden verschließe.