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»Wie zum Beispiel?«

»Aussagen als Fragen. Scherze, die nicht als Scherze gemeint sind. Sarkasmus. Sarkasmus funktioniert fast nie – beim Dolmetschen, meine ich. Er kommt nicht rüber.«

»Wirklich absolut faszinierend. Und das behalten Sie alles im Kopf?«

»Eben nicht. Deshalb schreibe ich es ja auf.«

Wie der Zollbeamte in Heathrow, dachte ich, der dich bei der Paßkontrolle aus der Schlange holt, weil du ein Zebra bist. Und der nicht etwa fragt, wo du dein Kokain versteckt hast oder ob du aus einem Al-Qaida-Trainingslager kommst. Sondern der sich erkundigt, wo du denn Urlaub gemacht hast und ob das Hotel angenehm war, während er deine Körpersprache beobachtet, auf ein verräterisches Schwanken in deiner Stimme lauert und verbucht, wie oft du blinzelst.

»Also, ich bin auf jeden Fall schwer beeindruckt. Sie haben großartige Arbeit geleistet. Oben, unten, überall«, sagte er, indem er den Stenoblock zurück in den Sack fallen ließ. »Und Sie sind verheiratet. Mit einer bekannten Journalistin.«

»Richtig.«

»Die eine Schönheit ist, wie ich höre.«

»Das sagen jedenfalls viele.«

»Sie müssen ein hübsches Paar abgeben.«

»Danke.«

»Aber denken Sie dran, zu viel Bettgeflüster kann Menschenleben kosten.«

Und weg war er. Um ganz sicherzugehen, schlich ich mich die Kellertreppe hoch und sah ihn gerade noch um die Hausecke verschwinden. Auf dem Hügel waren Spider und seine Truppe nach wie vor schwer am Schuften. Ich kehrte in den Heizungskeller zurück, zog den Block wieder aus dem Restesack und nahm auch die anderen drei an mich. Dann holte ich mir von einem Stapel vier neue, verknickte ihre Deckel ein bißchen, numerierte sie auf die gleiche Art wie meine gebrauchten und warf sie als Attrappen in den Sack. Meine Taschen und mein Hosenbund waren dem Platzen nahe. Mit zwei Kladden im Kreuz und einer in jeder Tasche stakste ich die Kellerstufen hinauf, den Bogengang entlang und durchs Haus in die relative Sicherheit meines Zimmers.

* * *

Es geht heimwärts, endlich! Wir sind gut tausend Meter überm Meeresspiegel. In jedem Käfig wird gefeiert, und zu Recht! Wir sind wieder wir, dieselbe Truppe, die vor vierundzwanzig Stunden im selben namenlosen Flugzeug in Luton losgeflogen ist: Jetzt kehren wir heim, Daumen hochgereckt, Vertrag in der Tasche, mit allen Chancen und dem Pokal praktisch schon in der Hand! Philip weilt nicht unter uns. Wo er hin ist, weiß ich nicht, und es schert mich auch nicht. Vielleicht zum Teufel, wo er hingehört. Die Vorhut bildet Spider mit einer improvisierten Kochmütze auf dem Kopf, der den Gang unseres Flugzeugs entlangtänzelt und an alle Plastikteller, Becher, Messer und Gabeln austeilt. Hinter ihm trottet Anton, ein Handtuch als Schürze um den Bauch gebunden, in den Händen den von unserem namenlosen Gönner spendierten Freßkorb aus dem Hause Fortnum & Mason in der Piccadilly. Und ihm dicht auf den Fersen latscht der sanfte Riese Benny mit einer Magnumflasche beinahe kalten Champagners. Nicht einmal unser Staranwalt Jasper im hintersten Käfig, in dem er sich auch auf dem Hinflug schon verschanzt hatte, kann sich der Feierstimmung entziehen. Zwar schlägt er zunächst mit großer Geste alles aus, aber nach einem Anraunzer von Benny und einem raschen Blick auf das Etikett der Flasche langt er wacker zu, so wie ich auch, denn ein Spitzendolmetscher, der das Letzte aus sich herausgeholt hat, darf niemals ein Spielverderber sein. Meine Plastikreisetasche schmiegt sich in das Netz über mir.

»Was für einen Eindruck hatten Sie von ihnen, alter Junge?« Maxie geht in bewährter Lawrence-von-Arabien-Manier neben mir in die Hocke, Becher in der Hand. Und es tut richtig gut, unseren Skipper zur Abwechslung mal mit einem ernstzunehmenden Drink zu sehen statt immer nur mit Malvern Water. Es tut gut, ihn so aufgedreht zu sehen, so stolzgeschwellt.

»Von den Delegierten, Skipper?« erkundige ich mich vorsichtig. »Was für einen Eindruck ich von den Delegierten habe?«

»Meinen Sie, sie bleiben bei der Stange? Haj schien mir ein bißchen wacklig. Die beiden anderen wirken ziemlich stabil auf mich. Aber wie sieht’s in zwei Wochen aus?«

Ich schiebe die Frage von Hajs Wackligkeit beiseite und greife auf den Aphorismenschatz meines Vaters zurück. »Skipper, ich will ganz offen sein. Bei den Kongolesen muß man vor allem wissen, wie viel man nicht weiß. Vorhin konnte ich das nicht so deutlich sagen, aber jetzt darf ich’s ja.«

»Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.«

»Skipper, es ist meine feste Überzeugung, daß sie in zwei Wochen hinter Ihnen stehen werden wie versprochen«, erwidere ich, denn mein Bedürfnis, ihm zu Diensten zu sein, ist stärker als all meine Sophisterei.

»Jungs!« trompetet Maxie den Gang hinab. »Eine Runde Applaus für Sinclair. Wir haben ihn geschlaucht bis zum Gehtnichtmehr, aber er hat nicht schlappgemacht.«

Beifall brandet auf, Gläser werden erhoben. Eine Welle von Emotionen spült über mich hinweg, eine Mischung aus Schuldbewußtsein, Stolz, Solidarität und Dankbarkeit. Als mein Blick wieder klar wird, hält mir Maxie ein weißes Kuvert hin, ganz ähnlich dem, das aus Hajs Mappe hervorspitzte.

»Fünftausend US-Riesen, alter Junge. Das hatte Anderson Ihnen doch gesagt, oder?«

Ich gestand, daß es sich so verhielt.

»Ich hab sie auf sieben hochgehandelt. Längst nicht genug, wenn Sie mich fragen, aber mehr konnte ich nicht rausschlagen.«

Ich fange an, mich zu bedanken, aber mit gesenktem Kopf, deshalb weiß ich nicht recht, ob er mich hört. Die kugelsichere Hand kracht mir noch ein letztes Mal auf die Schulter, und als ich hochschaue, ist Maxie schon am anderen Ende der Maschine, und Benny brüllt: Alle Mann die Arschbacken zusammengekniffen, wir landen. Gehorsam lange ich nach meiner Reisetasche und schicke mich an, die Arschbacken zusammenzukneifen, aber es ist zu spät, wir setzen auf.

* * *

Ich habe sie nicht davongehen sehen. Vielleicht sah ich ihnen absichtlich nicht nach. Was gab es denn noch zu sagen? In meiner Vorstellung haben sie ihre Seesäcke über die Schulter geworfen und marschieren Colonel Bogey pfeifend zur Hintertür des grünen Schuppens hinaus, eine kleine Anhöhe hinauf zu einem namenlosen Bus.

* * *

Eine Sicherheitsbeamtin führt mich Flughafenkorridore entlang. Die Reisetasche schlägt mir gegen die Hüfte. Ich stehe vor einem dicken Mann, der an einem Schreibtisch sitzt. Die Tasche steht neben mir auf dem Boden. Auf dem Tisch: eine Sporttasche aus rotem Nylon.

»Überprüfen Sie bitte den Inhalt und identifizieren Sie Ihr Eigentum«, sagt der Dicke, ohne mich anzusehen.

Ich ziehe den Reißverschluß auf und identifiziere mein Eigentum: eine Smokingjacke, weinrot, mit dazu passender Hose, ein Frackhemd, weiß, eine Seidenschärpe, das Ganze als feste Wurst um meine Lacklederschuhe gerollt. Ein wattierter Umschlag mit Paß, Brieftasche, Terminkalender, diversen persönlichen Effekten. Meine schwarzen Seidensocken sind in meinen linken Lacklederschuh gepfropft. Ich ziehe sie heraus und bringe mein Handy zum Vorschein.

Ich sitze im Fond eines schwarzen oder mitternachtsblauen Volvo Kombi, der mich ins Zuchthaus expediert. Meine Fahrerin ist die Sicherheitsbeamtin von vorhin. Sie trägt eine Schirmmütze, und der Rückspiegel bietet mir Sicht auf ihre Stupsnase. Meine Reisetasche habe ich mir zwischen die Knie geklemmt. Die Sporttasche steht neben mir auf dem Sitz. Mein Handy ruht an meinem Herzen.

Dunkelheit senkt sich herab. Wir fahren durch Trabantenstädte von Hangars, Werkstätten, Ziegelbarakken. Ein Eisentor, flutlichterleuchtet und mit Natodrahtgirlanden geschmückt, wächst vor uns aus dem Boden. Dickgepolsterte Polizisten mit Jockey-Mützen lungern davor herum. Meine Chauffeuse lenkt direkt auf die geschlossenen Torflügel zu und gibt Gas. Die Flügel teilen sich. Wir überqueren einen See aus Asphalt und halten neben einer mit roten und gelben Blumen bepflanzten Verkehrsinsel.

Die Türen des Volvo entriegeln sich. Ich bin allen Ernstes entkommen. Auf der Uhr an der Ankunftshalle ist es zwanzig nach neun an einem heißen Samstagabend. Ich bin wieder in dem England, das ich nie verlassen habe, und ich muß schleunigst ein paar Dollar wechseln.