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»Und die beiden anderen Milizenführer waren wer?« fragte er, noch immer verwirrt.

»Franco von den Mai Mai und Dieudonné, ein Munyamulenge. Haj verfügt über keine Miliz in dem Sinn, aber wenn er eine braucht, kann er jederzeit eine auf die Beine stellen. Außerdem hat er ein Mineralienkontor in Bukavu, einen Bierkonzern und einen Haufen Hotels und Nachtclubs, und seinem Vater Luc gehört halb Goma. Aber das wissen Sie ja, oder?«

So wie er nickte und lächelte, war klar, daß wir uns verstanden. Unter normalen Umständen hätte er inzwischen sicher längst auf ein Knöpfchen am Schreibtisch gedrückt und den glücklosen Mitarbeiter herbeizitiert, der den Schlamassel angerichtet hatte, aber da er dazu keinerlei Anstalten machte, sondern im Gegenteil das Kinn auf die gefalteten Hände stützte, als ob er sich auf eine längere Geschichte gefaßt machte, erzählte ich sie ihm eben doch von Anfang an, ähnlich wie bei Hannah, nur in wesentlich komprimierterer Form und mit weniger Rücksicht auf die Empfindlichkeiten meiner verehrten Zuhörerschaft, vielleicht sogar zu wenig, wie mir schwante, als wir uns dem verheerenden Augenblick der Wahrheit näherten, nämlich den Mißhandlungen, die man Haj zugefügt hatte.

»Und wie soll es Ihrer Meinung nach jetzt weitergehen?« fragte er, noch immer verständnisinnig lächelnd. »Was schwebt Ihnen vor, Salvador? Gehen wir damit direkt zum Premierminister? Zum Präsidenten der Vereinigten Staaten? Zur Afrikanischen Union? Oder am besten gleich zu allen?«

Ich gestattete mir ein tröstliches Lachen. »Das dürfte wohl nicht nötig sein, Sir. Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, daß wir so weit gehen müssen.«

»Da bin ich aber erleichtert.«

»Ich denke, es würde genügen, die Operation auf der Stelle abzubrechen, das aber mit aller Konsequenz. Wir haben noch zwölf ganze Tage, bevor es losgehen soll. Wir müssen die Kriegspläne stoppen, den Mwangaza auf Eis legen, bis er Unterstützer mit der richtigen ethischen Einstellung findet – Männer wie Sie, Sir –, den Vertrag zerreißen …«

»Ach, es gibt einen Ve r t r a g ?«

»Aber ja! Und zwar einen sehr dubiosen, wenn Sie mich fragen, Sir. Aufgesetzt von einem Monsieur Jasper Albin aus Besançon – der schon früher einmal für Sie tätig war und den Ihre Leute wahrscheinlich auch deshalb für diesen Auftrag ausgesucht haben – und ins Swahili übertragen von niemand anderem als von meiner Wenigkeit.«

Inzwischen konnte ich mich kaum noch bremsen. Wahrscheinlich stieg mir der Gedanke zu Kopf, daß es nur noch wenige Minuten dauern konnte, bis ich zusammen mit Hannah aus dem Schatten treten würde, hinein in ein ganz normales Leben.

»Besitzen Sie zufälligerweise eine Kopie dieses Vertrags?«

»Nein, aber ich habe ihn natürlich gesehen. Und mir große Teile davon eingeprägt – was bei mir so etwas wie eine Berufskrankheit ist.«

»Und wieso halten Sie ihn für dubios?«

»Er ist getürkt. Hören Sie, ich habe schon viele Verträge gesehen. Er ist hypothetisch. Angeblich betrifft er landwirtschaftliche Güter, dabei geht es in Wahrheit um die Lieferung von Waffen und matériel, um e i n e n kleinen Krieg vom Zaun zu brechen. Ein kleiner Krieg im Kongo, wann hat es das schon einmal gegeben? Das ist doch das gleiche wie ein bißchen schwanger.« Mein kühner Scherz frei nach Haj wurde mit einem wissenden Lächeln meines Gastgebers belohnt. »Und was die Gewinne angeht – die aus den Bodenschätzen, den sogenannten Volksanteil –, das ist ein regelrechter Schwindel«, fuhr ich fort. »Der reine Betrug, das muß man so sagen. Für das Volk springt nichts dabei heraus. Es gibt keinen Volksanteil, es gibt keine Gewinne, nur für Ihr Syndikat, den Mwangaza und seine Spießgesellen.«

»Furchtbar«, murmelte Lord Brinkley und schüttelte mitfühlend den Kopf.

»Sie dürfen mich nicht falsch verstehen, Sir. In mancher Hinsicht ist der Mwangaza tatsächlich ein großer Mann. Aber er ist alt. Auf jeden Fall, verzeihen Sie bitte, zu alt für diese Aufgabe. Er wirkt schon jetzt wie eine Marionette. Und er ist in einer Weise kompromittiert, daß ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wie man ihn davon reinwaschen soll. Es tut mir aufrichtig leid, Sir, aber das ist nun einmal die traurige Wahrheit.«

»Immer wieder das alte Lied.«

Danach tauschten wir ein paar Anekdoten über afrikanische Führer aus, die in frühen Jahren Anzeichen von Größe gezeigt hatten und später auf Abwege geraten waren, obwohl ich insgeheim bezweifelte, daß Mobutu, der vor ihm auf dem Schreibtisch prangte, jemals in diese Liga der Hoffnungsträger gehört hatte. Dafür ging mir der Gedanke durch den Kopf, daß Lord Brinkley, falls er irgendwann auf die Idee käme, mich für mein rechtzeitiges Eingreifen zu belohnen, mir ja vielleicht einen Job in seiner Organisation anbieten könnte. Damit wäre uns beiden gedient, denn so viel stand fest: Er brauchte unbedingt jemanden, der ihm half, seinen Saustall auszumisten!

Deshalb traf mich seine nächste Frage gänzlich unvorbereitet.

»Und Sie sind sich sicher, daß Sie mich an diesem Abend gesehen haben?«

»An welchem Abend, Sir?«

»Was hatten Sie gleich wieder gesagt? Freitagabend,

ja? Ich habe ein wenig den Überblick verloren. Sie haben mich am Freitagabend am Berkeley Square gesehen. In einem Haus.«

»Ja.«

»Wissen Sie noch, was ich anhatte?«

»Gepflegte Freizeitkleidung. Hellbraune Hose, weiche Wildlederjacke, Slipper.«

»Und wissen Sie noch etwas über das Haus – außer daß Sie die Hausnummer nicht gesehen beziehungsweise vergessen haben?«

»Ja, natürlich. Alles.«

»Würden Sie es mir dann bitte beschreiben? Mit Ihren eigenen Worten.«

Ich fing an, aber mir schwirrte der Kopf, und es fiel mir schwer, auf Befehl die wichtigsten Einzelheiten herauszugreifen. »Es hatte eine große Eingangshalle mit einer zweigeteilten Treppe …«

»Zweigeteilt?«

»… und Adlern über den Türen …«

»Lebenden Adlern?«

»Und es waren noch alle möglichen anderen Leute da. Bitte, tun Sie nicht so, als ob Sie nicht da waren, Sir. Ich habe mit Ihnen gesprochen. Ich habe Ihnen für Ihr Engagement für Afrika gedankt.«

»Können Sie Namen nennen?«

Ich nannte sie ihm, wenn auch nicht mit meinem üblichen Aplomb. In mir gärte es, und wenn es erst einmal in mir gärt, habe ich mich nicht mehr ganz in der Hand. Den Finanzhai wußte ich noch, dem seine Augenklappe den Spitznamen Admiral Nelson eingetragen hatte. Den berühmten TV-Moderator aus der Welt der Popmusik: dito. Den jungen Edelmann, dem große Teile des Londoner Westends gehörten. Den ehemaligen afrikanischen Finanzminister im Exil. Den indischen Textilmilliardär. Den Supermarkttycoon, der kürzlich »als Steckenpferd« eine unserer größten überregionalen Tageszeitungen erworben hatte. Hier geriet ich ins Stocken, gab den Kampf aber nicht auf.

»Der Mann, den Sie Marcel genannt haben, Sir!« rief ich. »Der Afrikaner, den Sie bei Ihrer Telefonkonferenz dabeihaben wollten …«

»War die Queen da?«

»Sie meinen Philip? Die African Queen? Nein, der nicht! Nur Maxie. Philip habe ich zum ersten Mal auf der Insel gesehen.«

Ich hatte nicht die Absicht gehabt, laut zu werden. Lord Brinkley reagierte, indem er die Stimme senkte.

»Ständig kommen Sie mir mit Philip und Maxie, a ls ob sie alte Freunde von mir wären«, beschwerte er sich. »Ich kenne sie nicht. Ich habe noch nie von ihnen gehört. Ich weiß nicht, von wem Sie sprechen.«

»Dann fragen Sie doch Ihre verdammte Frau!«

Das war’s. Blinde Wut läßt sich nur dem wirklich beschreiben, der sie selbst schon erlebt hat. Sie schlägt sich in körperlichen Symptomen nieder. Ein taubes Gefühl in den Lippen, Schwindel, temporärer Astigmatismus, Übelkeit und die Unfähigkeit, Farben und Gegenstände in nächster Nähe zu unterscheiden. Hinzu kommt, daß man sich unsicher wird, was einem tatsächlich herausgerutscht ist und was man sich gerade noch verkneifen konnte.

»Kitty!« Er hatte die Tür aufgerissen und brüllte: »Ich soll meine verdammte Frau etwas fragen! Würdest du dich bitte einen Augenblick zu uns gesellen?«