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Während Dante wie ein Dämon aus der Hölle kämpfte, mit blitzenden Malebranche-Klingen und lauten Schlachtrufen, die die nächtliche Stille durchbrachen, behielt Lucan seine kühle Selbstbeherrschung und seine tödliche Präzision bei. Die Rogues fielen nacheinander den gnadenlosen Schlägen der Kämpfer zum Opfer. Der Kuss der Titanspitze seines Schwerts tobte wie Gift durch ihr verdorbenes Blut und brachte den Tod. Sofort begannen sich ihre Körper zu zersetzen.

Als die Feinde zur Strecke gebracht waren und sich ihre Leichname von Fleisch und Blut in feine Asche, die vom Wind verweht wurde, verwandelt hatten, betrachteten Lucan und Dante das Opfer des anderen Blutbads.

Der Mann bewegte sich nicht mehr, er blutete stark aus der Wunde an seiner zerfetzten Kehle.

Dante kniete sich neben den Mann und roch an der übel zugerichteten Gestalt. „Er ist tot. Oder er wird es in einer Minute sein.“

Der Geruch nach frischem Blut stieg Lucan mit einer Heftigkeit – einem Faustschlag in den Magen gleich – in die Nase. Seine Zähne, die noch vor Kampfeslust ausgefahren waren, pochten nun vor Verlangen nach Nahrung. Er blickte angeekelt auf den sterbenden Menschen hinunter. Sicher, er brauchte Blut zum Überleben, doch stieß ihn die Vorstellung ab, seinen Hunger an den Resten, die die Rogues hinterlassen hatten, zu stillen. Er zog es vor, seinen Hunger an willigen Blutwirtinnen zu befriedigen, die er sich selbst aussuchte, auch wenn dies nur reichte, um den größten Hunger zu stillen.

Früher oder später musste jeder Vampir töten.

Lucan versuchte nicht sein Naturell zu verleugnen, aber wenn er töten musste, dann nach seinen eigenen Regeln. Wenn er nach Opfern suchte, suchte er sich in erster Linie Verbrecher, Drogendealer, Junkies und anderes Pack aus. Er metzelte niemals nur um des Tötens willen. Alle Angehörigen des Stammes hielten sich an einen ähnlichen Ehrenkodex; und das war es, was sie von ihren gesetzlosen Blutbestienbrüdern unterschied.

Sein Magen zog sich zusammen, als ihm abermals der Blutgeruch in die Nase stieg. Speichel lief ihm in seinem ausgedörrten Mund zusammen.

Wann hatte er eigentlich das letzte Mal Nahrung zu sich genommen?

Er konnte sich nicht erinnern. Es war schon eine Weile her. Sicher mehrere Tage, und das reichte nicht aus, um zu überleben. Er hatte eigentlich einen Teil seines Hungers – sowohl den organischen als auch den anderen, den sinnlichen – in der vergangenen Nacht mit Gabrielle Maxwell stillen wollen, aber dazu war es ja nun nicht gekommen. Nun zitterte er vor Verlangen nach Nahrung und war dem Tode zu nahe, um an irgendetwas anderes zu denken als daran, die Grundbedürfnisse seines Körpers befriedigen zu müssen.

„Lucan.“ Dante presste seine Finger gegen den Hals des Mannes und versuchte seinen Puls zu fühlen. Auch seine Fangzähne waren ausgefahren, durch den Kampf, aber auch als Reaktion auf den Duft der Lache aus karmesinrotem Leben. „Wenn wir noch viel länger warten, wird das Blut ebenfalls tot sein.“

Und dann hätten sie keine Verwendung mehr dafür, da nur frisches Blut, das noch durch menschliche Adern gepumpt wurde, den Hunger der Vampire stillen konnte. Dante wartete ab, obwohl es offensichtlich war, dass auch er sich nichts mehr wünschte, als seinen Kopf zu senken und seinen Hunger an dem Menschen zu stillen, der zu dumm gewesen war zu fliehen, als er noch die Chance dazu gehabt hatte.

Aber Dante würde warten, selbst auf die Gefahr hin, dass es dann zu spät sein würde. Denn es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass Vampire aus späteren Generationen nicht in der Anwesenheit eines Älteren Nahrung zu sich nahmen, insbesondere, wenn dieser Ältere zum Gen-Eins-Stamm gehörte und fast vor Hunger starb.

Im Unterschied zu Dante stammte Lucan von einem der Alten ab, einem von acht Alienkriegern, die von einem weit entfernten, dunklen Planeten gekommen und vor Tausenden von Jahren auf der feindlichen, unwirtlichen Erde gestrandet waren. Um zu überleben, hatten sie sich von dem Blut menschlicher Opfer ernährt und in ihrem Bluthunger ganze Völker dezimiert. Manchmal hatten diese fremden Eroberer Nachkommen mit menschlichen Frauen – den ersten Stammesgefährtinnen – gezeugt und so eine neue Generation des Vampirvolkes hervorgebracht.

Diese wilden Vorfahren aus einer anderen Welt waren inzwischen alle verschwunden, aber ihre direkten Nachkommen lebten weiter, in Lucan und ein paar vereinzelten anderen. Sie waren das, was in der Gesellschaft der Vampire einem Königshaus am nächsten kam – respektiert und durchaus gefürchtet –, während die große Mehrheit des Stammes jünger war und aus der zweiten und dritten Generation sowie den zahllosen späteren Generationen stammte.

Der Hunger war bei den Gen-Eins-Angehörigen am stärksten, ebenso wie die Gefahr, der Blutgier zu erliegen und zu einem Rogue zu werden, bei ihnen am größten war. Der Stamm hatte gelernt, mit der Gefahr zu leben. Die meisten der Gen-Eins-Generation konnten mit ihrer Schwäche umgehen, sie tranken nur dann Blut, wenn es nötig war, und nur so viel, wie sie zum Überleben brauchten. Denn wenn sie erst einmal der Blutgier verfallen waren, gab es kein Zurück.

Der Blick aus Lucans geschlitzten Augen senkte sich auf den zuckenden und flach atmenden Menschen auf dem Asphalt. Das animalische Knurren, das er hörte, stammte aus seiner eigenen trockenen Kehle. Als Lucan auf den Duft des vergossenen, lebensspendenden Blutes zuging, neigte Dante seinen dunkelhaarigen Kopf leicht, aber respektvoll und zog sich zurück, damit der Altere in Ruhe Nahrung aufnehmen konnte.

5

Er hatte sich gestern Abend nicht einmal die Mühe gemacht, sie anzurufen und ihr eine Nachricht zu hinterlassen.

Typisch.

Er hatte wahrscheinlich eine wichtige Verabredung mit seiner Fernbedienung und dem Sportprogramm im Fernsehen. Oder vielleicht hatte er auch, nachdem er ihre Wohnung neulich abends verlassen hatte, eine andere Frau getroffen, etwas, was mehr Spannung versprach, als Gabrielles Mobiltelefon den ganzen weiten Weg bis nach Beacon Hill zu karren. Zum Teufel, vielleicht war er ja sogar verheiratet oder lebte in einer festen Beziehung mit jemandem. Nicht dass sie ihn gefragt hätte, und selbst wenn: Wer weiß, ob er ihr die Wahrheit gesagt hätte? Schließlich waren Polizisten notorische Frauenhelden, und Lucan Thorne war da wahrscheinlich kein bisschen anders als andere.

Nur dass er … anders war.

Sie hatte den Eindruck, dass er anders war als jeder andere Mensch, den sie bis jetzt getroffen hatte. Er war in sich gekehrt, fast verschlossen. Und definitiv gefährlich. Sie konnte ihn sich nicht in einem Lehnstuhl vor dem Fernseher sitzend vorstellen, genauso wenig wie in einer festen Beziehung mit einer Freundin, ganz zu schweigen von Ehefrau und Familie. Was sie wieder zu dem Gedanken zurückbrachte, dass er ein besseres Angebot erhalten und sich entschieden hatte, sie zu versetzen – ein Gedanke, der ihr weit mehr zu schaffen machte, als er es eigentlich hätte tun sollen.

„Vergiss ihn“, schalt sich Gabrielle leise selbst, als sie ihren schwarzen Mini Cooper an den Rand einer Straße draußen vor der Stadt rollen ließ und den Motor abstellte. Ihre Kameratasche und ihre Fotoausrüstung lagen neben ihr auf dem Beifahrersitz. Sie hob sie auf und nahm eine kleine Taschenlampe aus dem Handschuhfach. Dann steckte sie ihre Schlüssel in ihre Jackentasche und stieg aus dem Auto.

Sie schloss die Tür leise und sah sich rasch um. Keine Menschenseele in Sicht. Das war auch nicht weiter überraschend, angesichts der Tatsache, dass es noch vor sechs Uhr morgens war und das Gebäude, das sie verbotenerweise betreten und fotografieren wollte, bereits seit etwa zwanzig Jahren leer stand. Sie ging das öde Stück Weg aus rissigem Asphalt entlang und wandte sich dann scharf nach rechts, um einen Graben zu durchqueren. Dann führte ihr Weg sie wieder nach oben durch ein Waldstück, das wie eine dichte Mauer aus Kiefern und Eichen die alte Nervenheilanstalt umgab.