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Keine Verbindung.

„Scheiße!“

Erneut versuchte sie den Notruf zu wählen, aber sie hatte kein Glück.

Gabrielle lief auf den Hauptbereich des Clubs zu und schrie verzweifelt in den Lärm hinein.

„Irgendjemand – bitte helft mir! Ich brauche Hilfe!“

Niemand schien sie zu hören. Sie klopfte Leuten auf die Schulter, zog an Ärmeln und riss am Arm eines tätowierten, militärisch aussehenden Typen, aber niemand schenkte ihr irgendwelche Aufmerksamkeit. Sie sahen sie nicht einmal an, sondern tanzten und redeten einfach weiter, so als ob sie gar nicht existierte.

War dies ein Traum? Ein Albtraum vielmehr, in dem sie als Einzige wusste, was draußen geschah?

Gabrielle gab es auf und machte sich stattdessen auf die Suche nach ihren Freunden. Als sie durch den dunklen Club lief, drückte sie immer wieder die Taste für die Wahlwiederholung, in der Hoffnung auf eine Verbindung. Aber sie bekam einfach keine, und bald wurde ihr klar, dass sie Jamie und die anderen in der dichten Menschenmenge niemals finden würde.

Verzweifelt bahnte sie sich ihren Weg zurück zum Ausgang des Clubs. Vielleicht konnte sie einen Autofahrer anhalten, einen Polizisten finden, irgendetwas!

Eisige Nachtluft schlug ihr ins Gesicht, als sie die schweren Türen aufdrückte und nach draußen trat. Sie stürmte die ersten Treppenstufen hinunter, nun keuchend, unsicher, was sie erwartete – eine Frau allein gegen sechs Schläger, die wahrscheinlich unter Drogen standen. Aber sie konnte sie nicht sehen.

Sie waren verschwunden.

Eine Gruppe von jungen Clubbesuchern stieg die Stufen hinauf. Einer von ihnen spielte Luftgitarre, seine Freunde redeten davon, später in dieser Nacht noch auf eine Party zu gehen.

„Hey“, sagte Gabrielle, halb in der Erwartung, dass sie einfach an ihr vorbeigehen würden. Sie hielten inne und lächelten sie an, selbst wenn sie mit ihren achtundzwanzig Jahren wahrscheinlich ein Jahrzehnt älter war als jeder von ihnen.

Der Typ an der Spitze nickte ihr zu. „Was ist los?“

„Hat einer von euch …“ Sie zögerte, nicht sicher, ob sie erleichtert sein sollte, dass dies offensichtlich doch kein Traum war. „Habt ihr zufällig die Schlägerei gesehen, die hier draußen vor ein paar Minuten stattgefunden hat?“

„Eine Schlägerei? Super!“, sagte der mit der Luftgitarre.

„Nee, Mann“, antwortete ein anderer. „Wir sind gerade erst hergekommen. Wir haben nix gesehen.“

Sie gingen an ihr vorbei, stiegen die restlichen Stufen hinauf, während Gabrielle sprachlos zusah und sich fragte, ob sie den Verstand verlor. Sie ging zum Straßenrand hinunter, wo das zerbrochene Glas von der Windschutzscheibe noch immer über die Straße verstreut lag. Da war Blut auf dem Asphalt zu sehen, aber der Junge und seine Angreifer waren verschwunden.

Gabrielle stand im Schein einer Straßenlaterne da und rieb sich die Arme, um das Kältegefühl darin zu vertreiben. Sie drehte sich um, blickte die Straße in beide Richtungen hinunter, auf der Suche nach irgendeinem Anzeichen für die Gewalt, deren Zeugin sie vor nur wenigen Minuten geworden war.

Nichts.

Aber dann … hörte sie es.

Das Geräusch kam aus einer schmalen Gasse auf ihrer rechten Seite. Gesäumt von einer schulterhohen Betonwand, die den Schall verstärkte, drang aus dem finsteren Weg ein schwaches, tierähnliches Grunzen bis zur Straße. Gabrielle konnte das seltsame Geräusch nicht einordnen. Sie konnte sich dieses ekelhafte Schmatzen, das ihr das Blut in den Adern gefrieren und jede Faser ihres Körpers vor Angst vibrieren ließ, nicht erklären.

Ihre Füße bewegten sich. Nicht weg von der Quelle dieser verstörenden Geräusche, sondern darauf zu. Ihr Mobiltelefon lag wie ein Backstein in ihrer Hand. Sie hielt die Luft an. Ihr war gar nicht bewusst, dass sie das Atmen vergessen hatte, bis sie ein paar Schritte in die Gasse gemacht hatte und ihr Blick auf die Gestalten vor ihr fiel.

Die Schlägertypen in Leder und mit den Sonnenbrillen.

Sie hatten sich auf ihre Hände und Knie niedergelassen, zogen und zerrten an etwas. In dem schwachen Licht, das von der Straße hereindrang, erhaschte Gabrielle einen flüchtigen Blick auf ein zerfetztes Stück Stoff, das in der Nähe einer Blutlache lag. Es war das Trägerhemd des Jeanstyps, zerrissen und fleckig.

Gabrielles Finger, der über der Wahlwiederholungstaste ihres Handys schwebte, senkte sich stumm auf den winzigen Knopf. Am anderen Ende war ein leises Tuten zu hören, und dann unterbrach die Stimme des Diensthabenden dröhnend die Stille der Nacht.

„Sie haben den Notruf gewählt. Worin besteht Ihr Notfall?“

Einer der Schläger hatte die Stimme auch gehört und drehte sich ruckartig zu Gabrielle um. Wilde, hasserfüllte Augen durchbohrten sie wie Dolche und ließen sie wie angewurzelt an Ort und Stelle verharren. Sein Gesicht war blutig, glitschig von geronnenem Blut. Und seine Zähne – sie waren scharf wie die eines Tieres. Nein, eigentlich waren es keine Zähne, sondern Fänge, die er entblößte, als er seinen Mund öffnete und ein schrecklich klingendes Wort in einer fremden Sprache fauchte.

„Sie haben den Notruf gewählt“, sagte der Polizeidienstleiter erneut. „Bitte nennen Sie die Art des Notfalls.“

Gabrielle konnte nicht sprechen. Vor lauter Entsetzen konnte sie kaum atmen. Zwar gelang es ihr, das Handy an ihren Mund zu heben, doch kam kein Laut über ihre Lippen. Die Chance war vertan.

Da ihr dies selbst völlig klar war, tat Gabrielle das einzig Vernünftige in dieser Situation. Mit zitternden Fingern drehte sie das Handy in Richtung der Schläger und drückte den Auslöser der Handy-Kamera. Ein kleiner Blitz erhellte die Gasse.

Nun drehten sich alle zu ihr um und schützten ihre mit Sonnenbrillen bedeckten Augen.

Oh Gott. Vielleicht hatte sie trotzdem noch eine Chance, dieser höllischen Nacht zu entkommen. Gabrielle drückte die Fototaste wieder und wieder und wieder … die ganze Zeit über, während sie aus der Gasse auf die Straße zurückwich. Sie hörte murmelnde Stimmen, geknurrte Flüche, sich bewegende Füße auf dem Asphalt, aber sie wagte es nicht, sich umzudrehen. Nicht einmal, als das scharfe Zischen von Stahl hinter ihr erklang, gefolgt von grässlichen Schreien der Qual und der Wut.

Gabrielle rannte in die Nacht hinaus, getragen von dem Adrenalin und der Angst in ihrem Blut, und hielt nicht an, bis sie ein Taxi erreichte, das auf der Commercial Street stand. Sie sprang hinein und knallte die Tür zu, keuchend und halb verrückt vor Angst.

„Fahren Sie mich zur nächsten Polizeiwache!“

Der Taxifahrer legte einen Arm um die Rückseite der Sitzlehne und drehte sich zu ihr um. Er runzelte die Stirn. „Sind Sie in Ordnung, Lady?“

„Ja“, antwortete sie automatisch. Und dann: „Nein. Ich muss etwas melden, einen …“

Mein Gott. Was wollte sie denn eigentlich melden? Einen kannibalischen Futterstreit bei einem Rudel tollwütiger Rocker? Oder die einzige mögliche andere Erklärung, die kein bisschen glaubwürdiger war?

Gabrielles Augen begegneten dem besorgten Blick des Fahrers. „Bitte beeilen Sie sich. Ich bin soeben Zeugin eines Mordes geworden.“

2

Vampire.

Die Nacht war voll davon. Er hatte in dem Club mehr als ein Dutzend von ihnen gezählt. Die meisten waren durch die halb bekleidete, wogende Menschenmenge gegangen und hatten die Frauen ausgesucht – und verführt –, die in jener Nacht ihren Durst stillen würden. Das war ein symbiotisches Arrangement, das dem Stamm mehr als zwei Jahrtausende gute Dienste geleistet hatte – ein friedliches Zusammenleben, das nur durch die Fähigkeit der Vampire, die Erinnerungen der Menschen zu löschen, von denen sie sich nährten, gelingen konnte. Bevor die Sonne aufging, würde eine Menge Blut vergossen werden, aber am nächsten Morgen würde der Stamm zu seinen Dunklen Häfen in und bei der Stadt zurückgekehrt sein, und die Menschen, von denen sie in dieser Nacht gekostet hatten, würden nichts davon wissen.