„Jetzt versuch mir zu sagen, dass du nicht brauchst, was ich dir anbiete“, flüsterte sie wild.
Schweiß glitzerte auf seiner Stirn, als er auf ihre frische, blutende Wunde starrte. Er leckte sich die Lippen und stieß ein Wort in einer anderen Sprache hervor.
Es klang nicht freundlich.
„Warum?“, verlangte er in anklagendem Ton zu wissen. „Warum tust du mir das an?“
„Weißt du es wirklich nicht?“ Sie hielt seinem wilden Blick stand, trotzte seiner Wut, während die Blutstropfen eine Spur auf ihrem schneeweißen Bademantel hinterließen. „Weil ich dich liebe, Lucan. Und das ist alles, was ich dir geben kann.“
29
Lucan dachte, er wüsste, was Hunger war. Er dachte, er wüsste, was Wut, Verzweiflung und Verlangen waren, aber jedes armselige Gefühl, das er in seinem ganzen alterslosen Leben je gekannt hatte, zerfiel zu bedeutungslosem Staub, als er in Gabrielles braune Augen blickte.
Seine Sinne waren überwältigt, als er in dem süßen Jasminduft ihres Blutes ertrank, dessen Quelle seinem Mund so gefährlich nahe kam. Glänzend rot und dick wie Honig quoll das karmesinrote Rinnsal aus der kleinen Wunde, die sie sich selbst beigebracht hatte.
„Ich liebe dich, Lucan.“ Ihre sanfte Stimme durchdrang das Pochen seines eigenen Herzens und das wilde Verlangen, das ihn nun verschlang. „Mit oder ohne Blut, das uns verbindet, ich liebe dich.“
Er konnte nicht sprechen, wusste nicht einmal, was er gesagt hätte, wenn seine ausgedörrte Kehle Worte hätte bilden können. Mit einem wilden Knurren stieß er sie weg, zu schwach, um in ihrer Nähe zu sein, wenn die ganze Dunkelheit in ihm ihn bedrängte, sie auf diese endgültige, unwiderrufliche Art zu der Seinen zu machen.
Gabrielle fiel rücklings auf das Bett, und der lose Gürtel ihres Bademantels hielt diesen kaum über ihrem nackten Körper zusammen. Grellrote Tropfen sprenkelten den weißen Ärmel und den Kragenaufschlag. Auch auf ihrem bloßen Schenkel war ein halb verschmierter Blutfleck, leuchtete scharlachrot auf ihrer Pfirsichhaut.
Gott, wie sehr wollte er seinen Mund auf dieses seidige Fleisch pressen, über ihren ganzen Körper wandern lassen. Er wollte nur sie.
„Nein.“
Der Befehl drang trocken wie Asche aus seinem Mund. Sein Bauch fühlte sich an wie in einem Schraubstock, verknotet und gewunden. Es zog ihn zu Boden. Ließ seine Knie unter ihm nachgeben, als er versuchte, sich von ihrem verlockenden Anblick abzuwenden. Ausgestreckt und blutend wie ein Opfer lag sie vor ihm.
Er sackte wie ein willenloser Haufen Knochen und Muskeln auf den Teppich und kämpfte gegen ein Verlangen an, wie er es nie zuvor gekannt hatte. Sie brachte ihn um. Diese Sehnsucht nach ihr – dieses Scherbengefühl in seiner Brust, wenn er daran dachte, dass sie irgendwann mit einem anderen zusammen sein sollte.
Und außerdem war da noch sein Hunger.
Nie war er intensiver, als wenn Gabrielle sich in seiner Nähe befand. Nun, da seine Lungen mit dem Duft ihres Blutes gefüllt waren, brachte er ihn schier um.
„Lucan …“
Er fühlte, wie sie von dem Bett aufstand. Ihre Füße verursachten ein weiches Geräusch auf dem Teppich und kamen dann allmählich in sein Blickfeld, mit rosa lackierten Fußnägeln, die aussahen wie glatte kleine Muschelschalen. Sie kniete sich neben ihn. Sanfte Hände gruben sich in sein Haar. Dann umfasste sie seinen angespannten Kiefer und drehte langsam seinen Kopf, bis er sie ansah.
„Trink von mir.“
Lucan presste die Augen fest zu, aber das war ein schwacher Versuch, sich ihrem Willen zu verweigern. Er hatte nicht die Kraft, gegen den sanften, aber doch unerbittlichen Druck ihrer Arme anzukämpfen, als sie ihn zu sich hochzog.
Er konnte das Blut an ihrem Arm riechen. Aus dieser Nähe sorgte es dafür, dass ein Adrenalinstoß durch seine Adern fuhr. Seine Spucke lief ihm im Mund zusammen, und seine Fangzähne wurden länger und durchbrachen das Zahnfleisch.
Gabrielle zog ihn noch ein Stück höher, bis sich sein Oberkörper vom Boden hob. Mit einer Hand schob sie ihr langes Haar beiseite und entblößte ihren Hals.
Er zuckte zurück, aber sie hielt ihn fest und führte ihn näher heran.
„Trink, Lucan. Nimm, was du brauchst.“
Sie beugte sich nach vorn, bis zwischen seinem schlaffen Mund und dem zarten Puls, der unter der blassen Haut unterhalb ihres Ohrs pochte, nur noch ein papierdünner Hauch von Abstand lag.
„Tu es“, flüsterte sie und zog ihn an sich.
Sie drückte seine Lippen gewaltsam gegen ihren Hals.
Dort hielt sie ihn eine qualvolle Ewigkeit fest. Aber vielleicht dauerte es auch nur einen Sekundenbruchteil, bis sie ihn am Haken hatte. Lucan war sich nicht sicher. Alles, was er noch wusste und kannte, war der warme Druck ihrer Haut unter seiner Zunge, ihr Herzschlag, das schnelle Keuchen ihres Atems. Alles, was er noch wusste und kannte, war das Verlangen, das er für Gabrielle empfand.
Keine Ablehnung mehr.
Er wollte sie – alles von ihr –, und die Bestie hatte schon zu viel Macht gewonnen, um jetzt gnädig zu sein.
Er öffnete den Mund … und versenkte seine Fangzähne in das nachgiebige Fleisch ihres Halses.
Sie keuchte, als sie den Einstich seines Bisses spürte, aber sie ließ ihn nicht los, nicht einmal, als er den ersten gierigen Schluck aus ihrer geöffneten Ader trank.
Blut strömte ihm in den Mund, heiß und erdig-süß, köstlich. Dieser Geschmack ging über alles hinaus, was er sich je hätte vorstellen können.
Nach neunhundert Jahren Leben kostete er den Himmel.
Er trank eilig, in tiefen Schlucken, und das Verlangen überwältigte ihn, als Gabrielles Blut durch seine Kehle floss, in Fleisch, Knochen und Zellen eindrang und seinen Durst löschte. Sein Puls hämmerte mit neuer Kraft, pumpte Blut in ermüdete Glieder und heilte seine neuesten Wunden.
Sein Geschlechtsteil war beim ersten Schluck zum Leben erwacht; nun pochte es schwer und hart zwischen seinen Beinen. Verlangte noch mehr Inbesitznahme.
Gabrielle streichelte sein Haar und hielt ihn fest an sich gedrückt, während er von ihr trank. Sie stöhnte bei jedem harten Ruck seines Mundes auf, ihr Körper schmolz dahin, und ihr Geruch wurde dunkel und feucht vor Begierde.
„Lucan“, keuchte sie und erschauerte. „O Gott …“
Mit einem wortlosen Knurren drückte er sie unter sich zu Boden. Er nahm tiefere Schlucke und verlor sich in der erotischen Hitze des Augenblicks und in einem panischen, verzweifelten Verlangen, das ihm Angst machte.
Mein, dachte er, selbstsüchtig und völlig wild durch den Gedanken.
Es war zu spät, jetzt aufzuhören.
Dieser Kuss hatte sie beide verdammt.
Nachdem der erste Biss ein Schock für Gabrielle gewesen war, hatte sich der Augenblick des scharfen Schmerzes rasch in etwas Sinnliches und Berauschendes verwandelt. Lust entflammte in ihrem ganzen Körper, von innen nach außen, als würde jeder lange Zug von Lucans Mund an ihrem Hals einen Strahl aus warmem Licht in sie zurücksenden und bis in ihr Innerstes hinuntergreifen, um ihre Seele zu liebkosen.
Er bedeckte sie mit seinem Körper, und ihre Bademäntel verrutschten, als er Gabrielle mit sich zu Boden riss. Seine Hände waren grob, als sie sich in ihr Haar gruben und ihren Kopf zur Seite gedreht hielten, während er von ihr trank. Ungeachtet der Schmerzen, die seine Verletzungen ihm bereiten mochten, presste er seine nackte Brust gegen ihren Busen. Seine Lippen unterbrachen den Kontakt mit ihrem Hals keine Sekunde. Sie konnte die Intensität seines Verlangens in jedem harten Schluck fühlen.
Aber sie fühlte auch seine Kraft. Sie kam zurück, Stück für Stück, erneuerte sich durch sie, Gabrielle.
„Hör nicht auf“, murmelte sie. Ihre Sprechfähigkeit war verlangsamt durch die wachsende Ekstase, die sich mit jeder pulsierenden Bewegung seines Mundes in ihr aufbaute. „Du wirst mir nicht wehtun, Lucan. Ich vertraue dir.“