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Mehrere Jahre vorher schon hatte ERNST ABBE begonnen, dem Jenaer Universitätsmechaniker CARL ZEISS bei dessen auf Konstruktion und Verbesserung der Mikroskope gerichteten Bemühungen behilflich zu sein. Dieses Zusammenarbeiten wurde ein immer engeres, auch der äußere Erfolg stellte sich bald ein und 1875 trat ERNST ABBE auf dringenden Wunsch von CARL ZEISS als stiller Gesellschafter in dessen Unternehmen ein. Auf Grund dieser inneren und äußeren Bindung schlug er im gleichen Jahre die Berufung als Ordinarius nach Marburg und eine ihm von HELMHOLTZ angetragene Stelle als Mitleiter des neu zu errichtenden physikalischen Instituts in Berlin aus, und glaubte auch die in Jena für Physik errichtete ordentliche, mit der Leitung des Instituts verbundene, Professur nicht annehmen zu dürfen. Die ihm durch den Lehrauftrag für theoretische Physik und Astronomie und die Leitung der Sternwarte obliegenden Pflichten erfüllte ERNST ABBE bis 1889, wo auf seinen Wunsch für beide Stellen Nachfolger ernannt wurden. Von dieser Zeit an hielt ABBE nur noch gelegentlich Vorlesungen. Vorwiegend widmete er seine Kräfte seit Anfang der 70er Jahre den auf das Emporblühen der Optischen Werkstätte gerichteten und durch deren Wachstum bedingten wissenschaftlichen, technischen und organisatorischen Aufgaben. 1879 trat ERNST ABBE mit dem Glashüttentechniker Dr. OTTO SCHOTT aus Witten in Beziehung wegen Beschaffung neuen Materials für die praktische Optik; dieses Verhältnis wurde ebenfalls bald ein engeres und 1882 siedelte SCHOTT nach Jena über, um zunächst auf private Kosten ABBEs die begonnenen Versuche energischer zu fördern. Nach deren Gelingen wurde 1884 von ABBE, SCHOTT UND ZEISS (sen. und jun.) das sogen. »Glastechnische Laboratorium Schott &Genossen« gegründet, das in den ersten beiden Jahren seines Bestehens von der preußischen Regierung im allgemeinen Staatsinteresse subventioniert wurde, von da an aber auf eigenen Füßen stand.

Die bedeutendsten wissenschaftlichen und technischen Leistungen ERNST ABBEs waren:

In erster Linie die Ausarbeitung einer Theorie der mikroskopischen Abbildung (Abbildung nicht selbstleuchtender Objekte), für die zur Zeit seines Beginnens auch nicht der geringste Ansatz gegeben war und die sich ganz in Gegensatz zu der herrschenden Lehre stellte. Die Grundzüge dieser Theorie veröffentlichte ERNST ABBE 1873, ihre Ausbildung beschäftigte ihn mit Unterbrechungen immer wieder, und es war einer von seinen eigenen und seiner Freunde Hauptwünschen bei seinem Rücktritt von der Leitung der Optischen Werkstätte, daß er nun zur ausführlichen Darstellung der von ihm gewonnenen Resultate die lange vergeblich ersehnte Muße finden möge.

In zweiter Linie ist zu nennen die Begründung einer auf Wissenschaft, auf strenger theoretischer Vorausberechnung aller Elemente (Radien, Dicken, Durchmesser, Abstände, Glaseigenschaften usw.) beruhenden mikroskopischen Technik, die bei ihrer außerordentlichen Schwierigkeit seinerzeit kaum für möglich gehalten wurde (für das Fernrohr war Entsprechendes in der Hauptsache früher von FRAUNHOFER, für das photographische Objektiv von SEIDEL UND STEINHEIL erreicht).

An dritter Stelle sind eine Anzahl hervorragender optischer und mechanischer Erfindungen bezw. Konstruktionen und zahlreiche bedeutende Fortschritte in der Erkenntnis vom Wesen der optischen Instrumente anzuführen. So unter der einen Rubrik die nach ihm benannten Refraktometer (ca. 1870), der Beleuchtungsapparat zum Mikroskop (1872), die Systeme der homogenen Immersion (1878/79), die Apochromate (1886), die Relieffernrohre, unter der anderen Rubrik die Grundlegung der geometrischen Optik ohne Beziehung auf die Mittel zu deren Verwirklichung, die Theorie des Strahlengangs (Bedeutung der Begrenzungen, »Eintritts-« und »Austrittspupille«), die Theorie der Lichtstärke in optischen Instrumenten und zahlreiche Beiträge zur Theorie der Abbildungsfehler.

Ende 1888 starb Dr. CARL ZEISS, Ende 1889 trat der 1881 als Mitteilhaber in die Firma eingetretene Sohn Dr. RODERICH ZEISS von der Leitung des Unternehmens zurück und ABBE blieb bis 1891 alleiniger Leiter. In der Zwischenzeit, von 1889 bis 1891, wurden die Unterhandlungen betrieben, die dazu führten, daß am 1. Juli 1891 die von ERNST ABBE schon 1886 geplante, im Mai 1889 zustande gekommene »Carl Zeiss-Stiftung« alleinige Inhaberin der Optischen Werkstätte und Mitinhaberin des Glaswerks von Schott &Gen. wurde. Das Statut der Stiftung wurde am 26. Juli 1896 von ERNST ABBE vollzogen, am 16. August 1896 landesherrlich bestätigt. Der Stiftung übermittelte ERNST ABBE 1891 sein ganzes Vermögen bis zur gesetzlich zulässigen Grenze und behielt sich fürderhin nur die Stellung eines »Mitglieds der Geschäftsleitung« vor.

Diese legte ABBE im April 1903 nieder, um sich, nach damals noch gehoffter Wiederherstellung seiner stark angegriffenen Gesundheit, ungebundener einzelnen wissenschaftlichen und technischen Aufgaben hingeben, eine genauere Begründung des Statuts u. a. m. ausarbeiten zu können. Dem Siechtum ließ sich aber nicht mehr Einhalt tun und der schnelle Verfall der Kräfte endete am 14. Januar 1905 mit dem Tode.

Jena, 15. Juni 1906.

Dr. S. Czapski.

Fußnoten:

[Fußnote 1: Gedenkreden und Ansprachen bei der Trauerfeier für ERNST ABBE am 17. Januar 1905 (Jena, in Kommission bei Bernh. Vopelius). Vgl. auch u. a. die Nekrologe von AUERBACH (NATURWISSENSCHAFTL. WOCHENSCHR. 1905, NR. 9 UND PLUTUS 3. HEFT), CZAPSKI (Verhandl. der Deutschen Physik. Gesellschaft, VII. Jahrg., Nr. 6), KRÜSS (Deutsche Mechaniker-Zeitung 1905, Nr. 2), v. ROHR (Zeitschr. f. Instrumentenkunde 1905, 3. Heft), M. V. (Deutsche Rundschau, Jahrg. 1905/06, Bd. II), WANDERSLEB (Naturwissenschaftl. Rundschau 1905, Nr. 14).]

I.

Welche soziale Forderungen soll die Freisinnige Volkspartei in ihr Programm aufnehmen?

Zwei Vorträge, gehalten im Freisinnigen Verein zu Jena am 7. und 21. März 1894.

A. Steuersystem.

Meine Herren!

Unser Verein hat, wie Sie wissen, beschlossen, an der Ausgestaltung des Parteiprogramms der Freisinnigen Volkspartei tätig sich zu beteiligen. Wir wollen darauf hinzuwirken versuchen, daß auf dem Parteitag, der in diesem Jahre bevorsteht, der jetzt reinlich abgesonderte demokratische Flügel der früheren Deutschfreisinnigen Partei eine klare und entschiedene Stellung nehme zu den wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten, welche das Volk bewegen. Und zwar wollen wir darauf hinzuwirken versuchen, daß diese Stellungnahme eine andere werde, als sie werden könnte gemäß den sozialpolitischen Anschauungen, die in der ehemaligen Deutschfreisinnigen Partei und in ihrer Vorgängerin, der Fortschrittspartei, die herrschenden immer geblieben sind.