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Im Funkgerät knackte es.

»Hallo, hallo!« flüsterte Herr Wurms aufgeregte Stimme. »Bitte melden!«

»Was gibt's?« fragte Frau Kümmelsaft.

»Sie war vor uns hier. Die Batterien sind ausge­schlürft!« rief Herr Wurm. »Alle. Es sieht hier furchtbar aus. Was sollen wir jetzt tun?«

»Kommen Sie sofort zu uns rüber!« sagte Frau Kümmelsaft. »So schnell Sie können.«

»Schlimme Nachrichten!« murmelte Tom.

Er leuchtete den nächsten Grabstein an, vor dem zwei Marmorhunde Wache hielten. Die Inschrift war über und über mit Schlamm bedeckt. Tom zog sein Taschenmesser heraus und kratzte den Dreck vorsich­tig ab.

»Jaspara, Baronin von Dusterberg zu Krötenstein«, las er. »Meuchlings gemordet am 12. Mai 1658 bei Morgengrauen. Geboren am selbigen Tag des Herrn 1623.«

»Mai.« Frau Kümmelsaft rieb sich die Nasenspitze. »Wann geht die Sonne im Mai auf?«

»Moment.« Tom zog einen kleinen Kalender aus der Hosentasche. »Sonnenaufgang im Mai - hier. Vier Uhr vierzig.« Er sah auf seine Uhr. »Jetzt ist es kurz nach Mitternacht. Na,

das gibt uns ja noch etwas Zeit zu entscheiden, was wir machen.«

»Viel zu entscheiden gibt es da nicht, fürchte ich«, sagte Frau Kümmelsaft. Nachdenklich betrachtete sie den alten Grabstein. »Mir sind nur zwei Methoden be­kannt, wie man einem so spukstarken SPUMIDUV zur ewigen Ruhe verhelfen kann.«

»Eine kenn' ich auch«, sagte Tom. »Man schreibt den Namen des Gespensts rückwärts auf einen Spiegel und bringt es irgendwie dazu hineinzusehen. Dann verdampft es.«

»Hmm!« Frau Kümmelsaft nickte. »Aber diese Me­thode habe ich vor vielen Jahren mal bei einem Geist angewandt, der ertrunken war - genau wie unsere Baronin hier. Der Spiegel ist zerplatzt, und der Geist hat mich dreimal um sein Schloß gejagt. Mich hat nur gerettet, daß ich es irgendwie in mein spukgesichertes Auto geschafft habe. Eine scheußliche Erfahrung. Ganz abgesehen davon, daß ich von oben bis unten mit Spiegelsplittern gespickt war wie ein Glasigel.«

»Und der Geist?« fragte Tom. »Was ist mit dem Geist passiert?«

»Der hat noch drei Kollegen verflüssigt«, sagte Frau Kümmelsaft, »bis ihn der berühmte italienische Geis­terjäger Professor Boccabella vernichtet hat.«

»Und womit?« fragte Tom. »Wie hat er das ge­schafft?«

»Mit einer unglaublich gefährlichen Methode«, sagte Frau Kümmelsaft. »Er.«

Wieder knackte das Funkgerät.

»Zu Hilfe!« schrie Herr Wurm mit sich überschla­gender Stimme. »Zu Hilfeeeee! Sie kommt. Sie koo- oommt!«

Tom und Frau Kümmelsaft rannten los.

In letzter Sekunde

 Auf dem Burghof bot sich ihnen ein entsetzlicher Anblick. Blau leuchtete der Schnee im Geisterlicht der Baronin. Riesengroß war sie geworden nach ihrer Bat­teriemahlzeit, so groß, daß ihr scheußlicher Kopf über die Burgmauer ragte. Kreischend und johlend preschte sie auf ihrem Pferd hinter den armen Wurms her, die wie aufgescheuchte Kaninchen im Zickzack durch den Schnee rannten. Von Hugo war weit und breit nichts zu sehen.

»Schnell, Tom, die Pfeife!« rief Frau Kümmelsaft, während sie hastig den Stromwärmewandler von der Schulter zerrte. Die Baronin streckte gerade eine blei­che Hand nach Frau Wurm aus, aber die konnte den eisigen Fingern in letzter Sekunde ausweichen.

»Verflixt«, murmelte Frau Kümmelsaft. »Der Eisen­dorn findet keinen Halt. Na, was soll's? Hey!« rief sie. »Hey, Jaspara, du Scheusal, komm doch hierher! Oder traust du dich etwa nicht?«

Die Blutige Baronin riß ihr Pferd herum und starrte mit roten Augen auf die beiden Gespensterjäger herab.

Erschöpft und dankbar für die Atempause plumpsten die Wurms in den Schnee.

»Waaaas?« heulte Jaspara, während ihr Pferd schnaubend näher tänzelte. »Waaas hat diiie da gesa- aaagt?«

»Seit wann bist du schwerhörig?« rief Tom. Todes­mutig machte er ein paar Schritte auf das riesige Geis­terpferd zu. »Sie hat dich ein Scheusal genannt. Und das bist du ja wohl auch, oder?«

Endlich hatten seine Finger die kleine Pfeife in seiner Jackentasche gefunden.

»Hör dir das mal an, Jaspara!« rief er und blies mit aller Kraft in die Geisterpfeife.

Nichts war zu hören, nicht für menschliche Ohren. Jasparas Geisterpferd aber bäumte sich so wild auf, daß die Baronin den Halt verlor und rücklings in den Schnee plumpste. Tom blies noch mal, und das Geis­terpferd galoppierte mit wehender Mähne davon.

»Jetzt!« rief er.

Frau Kümmelsaft steckte den Eisendorn notdürftig in den Schnee und schleuderte Jaspara den Stecker des Stromwärmewandlers mit aller Kraft entgegen. Aber diesmal landete er nicht in ihrem Mund, sondern wi­ckelte sich samt Schnur um ihren Hals. Der Eisendorn flog hinterher und baumelte der Baronin wie ein selt­samer Schmuck vor der Brust.

Langsam, ganz langsam begann der Dorn zu glühen.

»Iiiihh!« kreischte Jaspara, riß die Schnur mit einem Ruck durch und schleuderte beide Teile in den Schnee. Torkelnd kam sie wieder auf die Beine.

»Sie ist schon zu stark!« rief Frau Kümmelsaft. »Der Stromwärmewandler wirkt kaum noch.«

Die Wurms hockten immer noch im Schnee. Entsetzt starrten sie zu der Baronin empor, die mit fiesem Grin­sen auf sie zuschwebte.

»Da!« schrie Tom plötzlich. »Der Wandler hat doch gewirkt! Sie schrumpft! Sie schrumpft wieder zusam­men!«

Und tatsächlich. Die Baronin wurde kleiner. Damp­fend schrumpften ihre bleichen Glieder zusammen, während der Schnee um sie her sich in bläulich schimmernden Brei verwandelte.

»Aaaaah!« kreischte sie wütend, erhob sich in die Luft und schwebte wieder auf die armen Wurms zu.

»Die WIBEIGEIs!« rief Frau Kümmelsaft. »Schnell, Tom, laß sie raus.«

Tom riß sich den Rucksack vom Rücken. Die Wurms liefen schon wieder hakenschlagend über den Hof, a­ber sie konnten sich kaum noch auf den Beinen halten, und die Baronin kam ihnen mit höhnischem Gelächter immer näher.

»Raus mit euch!« rief Tom und schüttelte den Ruck­sack. »Raus, ihr kleinen Biester!«

Das Netz mit den WIBEIGEIs fiel in den Schnee. Knurrend schwebten sie durcheinander. Tom riß das Netz auseinander, und die kleinen Geister stoben ins Freie.

Erschrocken sah die Baronin sich um.

»Iiiih, WIBEIGEIs!« kreischte sie.

Wütend versuchte sie, die kleinen Biester abzu­schütteln, aber die hatten sich schon in ihren wallen­den Geistergewändem verbissen. Knurrend schnapp­ten sie nach ihren bleichen Gliedern. Die Baronin schlug mit ihrer Reitpeitsche nach ihnen, aber das machte sie nur noch wütender. Ganze Stücke bissen die WIBEIGEIs aus dem großen Gespenst. Und die Blu­tige Baronin sah plötzlich aus wie ein löchriger Käse.

Mit letzter Kraft liefen die Wurms auf Tom und Hed­wig Kümmelsaft zu und versteckten sich hinter den beiden.

»Fressen die kleinen - icks - Dinger sie auf?« fragte Frau Wurm hoffnungsvoll.

»Leider nicht«, sagte Hedwig Kümmelsaft. »Aber sie lenken sie eine Weile von uns ab. Also nehmen Sie die Beine in die Hand. Wenn wir Glück haben, ist sie die WIBEIGEIs erst los, wenn wir in der Waffenkammer und in Sicherheit sind.«

Mit schweren Beinen rannten sie los. Schnee wirbel­te ihnen in die Augen, das Hauptportal der Burg schien Meilen entfernt, und hinter ihnen erklang immer noch das ärgerliche Kreischen der Baronin. Als Tom sich hastig umsah, fiel gerade ihr Kopf in den Schnee. Wü­tend setzte sie ihn wieder auf, trat nach einem WIBEI-

GEI, daß er wie ein Fußball über die Burgmauer flog, und schluckte einen anderen kurzerhand herunter.

»Wo ist eigentlich Hugo?« rief Frau Kümmelsaft, während sie neben Herrn Wurm die Burgtreppe hin­aufstolperte.