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Recht hatte er! Seit zwanzig Jahren bin ich jetzt in dieser Firma, die meiner Frau und mir gleichermaßen gehört. Dadurch, dass meine Frau ebenfalls voll in den Beruf eingebunden ist, konnte ich noch fertigstudieren und meinen Abschluss machen.

Der Schwiegervater ist schon viele Jahre tot, und seither haben meine Frau und ich das Bestattungshaus grundlegend modernisiert. Ein gutes halbes Jahr war ich in den USA, von wo ich viele neue Ideen mitgebracht habe, die wir zum Teil für unser Bestattungshaus übernommen haben, was unserem Unternehmen sehr gutgetan hat.

Das Unternehmen heißt immer noch so, wie es zu allen Zeiten geheißen hat, nämlich »Karl Fischer«, genauer »Bestattungshaus Karl Fischer«. Tradition ist wichtig in der Branche. Je nachdem, ob man die Aushilfen mitzählt, beschäftigen wir zwischen vierzehn und zwanzig Personen, bilden junge Bestatter und Kaufleute aus und sind, wenn man das so sagen kann, ganz gut im Geschäft.

Unser Haus hat drei Etagen, im Kellergeschoss die Technik (so nennen wir den Teil, in dem die Verstorbenen versorgt werden), das Sarglager und die Kühlräume, im Erdgeschoss die Büros, Beratungsräume und unsere eigene Trauerhalle mit Abschiedsräumen, und im Obergeschoss befindet sich unsere Wohnung.

Damit Sie die nun folgenden Geschichten besser verstehen, sollten Sie einige der handelnden Personen kurz kennenlernen.

Sandy

Sandy sieht klasse aus, ist mit achtundzwanzig Jahren noch recht jung, aber durch und durch Bestatterin und, um im Duktus zu bleiben, mein bestes Pferd im Stall. Ja, sie ist recht ungewöhnlich, schwankt zwischen Gothic und Punk, schafft es aber immer wieder, im richtigen Moment passend aufzutreten. Sie stand vor fünf Jahren auf einmal in meinem Büro und fragte nach einem Job. »Ach nee, nicht schon wieder«, dachte ich, denn es kommt immer mal wieder vor, dass junge Leute bei mir vorsprechen, nur um bei ihren Freunden mit einem »coolen«, ungewöhnlichen Job zu prahlen. Aber Sandy legte mir erstklassige Zeugnisse eines amerikanischen Bestattungsunternehmens vor; sie kam damals direkt aus den USA, wo sie zehn Jahre mit ihren Eltern gelebt hatte.

Bis heute weiß ich nicht, welche Haarfarbe sie wirklich hat, wir haben da schon alle Farben gesehen, aber damals war sie blond, und vielleicht war es auch ein bisschen die Art, wie sie immer mit ihren Fingern durchs Haar fuhr, die mich schwach gemacht hat.

Auf jeden Fall beeindruckte mich, dass sie ein sogenanntes Embalming Certificate, den Befähigungsnachweis zum Einbalsamieren, vorweisen konnte und ich sie, im Gegensatz zu vielen anderen jungen Leuten, nicht von Grund auf ausbilden musste.

Sandy wurde sofort zum festen Inventar bei uns, keine Arbeit war ihr zu schwer, egal was es zu tun gab, sie war mit dabei, und jeder in der Firma empfand ihre Anwesenheit als echte Bereicherung und Erleichterung. Ihre Anstellung nach der Probezeit war daher nur eine Formsache.

So ein paar Sachen muss ich allerdings hinnehmen, dazu gehört, dass sie in arbeitsschwächeren Zeiten auch mal ein Nickerchen unter dem Schreibtisch macht oder dass es im hintersten Lager auch schon mal nach verbranntem Heu riecht. Hinsichtlich der Arbeitszeit habe ich es nach einigen Wochen aufgegeben, mit ihr zu diskutieren. Wenn es nötig ist, bleibt sie ohne Anweisung bis zu zehn oder zwölf Stunden da, bis eben alles erledigt ist, und dafür kommt sie am nächsten Tag einfach später oder geht früher. Wenn ich sie brauche, ist sie auf jeden Fall immer da, und genau darauf kommt es mir an.

Die anderen Mitarbeiter gucken manchmal etwas neidisch auf sie, und eine Weile wurde gemunkelt, dass zwischen ihr und dem Chef etwas laufe und sie nur deshalb so viel Freiheiten habe, aber da Sandy auf Frauen steht und daraus kein Geheimnis macht, verstummten diese Gerüchte doch recht schnell.

Wir haben ja eine einheitliche Berufskleidung für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen angeschafft. Es gibt genau drei Leute in unserer Firma, die davon befreit sind: Herr Huber unten in der Technik, ebendiese Sandy und natürlich ich. Sandy allerdings muss sich entsprechend umziehen, wenn sie zu Kunden fährt oder sie in unserem Haus betreut. Dann sieht sie sogar sehr vornehm aus, was vor allem auch daran liegt, dass man ihre vielen Tätowierungen nicht sieht.

Ihre Arbeit ist stets tadellos, ihre Beratungen sind erstklassig, und die Kunden, die mit ihr zu tun haben, sind durchweg zufrieden.

Sandy hat eben auch dieses amerikanische Gespür für Service und Kundenzufriedenheit und bindet die Kunden sehr gut an sich.

Dafür nehme ich so manchen Trubel und so manches Theater, oft auch zähneknirschend in Kauf.

Frau Büser

Frau Büser ist schon immer in unserem Unternehmen. Sie hat in den späten 70ern als Bürokraft hier angefangen und kennt den Betrieb wie keine andere. Sicher, souverän, manchmal etwas kühl, ist sie so etwas wie die Mutter der Kompanie. Alle Abläufe im Büro koordiniert und delegiert sie und ist in erster Linie auch für die Ausbildung unseres kaufmännischen Nachwuchses zuständig.

An ihr vorbeizukommen ist ungefähr so schwer, als wolle man an sechs CIA-Agenten vorbei zum amerikanischen Präsidenten vordringen. Kurzum: So eine Seele braucht unser Unternehmen.

Herr Huber

Auch Herr Huber ist ein Veteran im Bestattungsgewerbe. Früher war er mal Krankenpfleger und hat vor über fünfzehn Jahren als Bestattungshelfer bei uns angefangen. Heute ist er hauptverantwortlich für den technischen Bereich.

Sein Reich ist das Kellergeschoss in unserem Haus, wo Särge und Bestattungszubehör gelagert und verarbeitet werden, wo die Kühlräume sind und die Verstorbenen hergerichtet werden. Sein Wahlspruch, der für unser ganzes Haus gilt: »Behandle jeden Verstorbenen so, als wäre es deine Mutter oder dein Vater.«

Es gibt kein technisches oder handwerkliches Problem, das Herr Huber nicht lösen kann.

Antonia

Antonia kam als Praktikantin zu uns und verbreitete Chaos. Ungeschickt, ungelenk und übergewichtig, trat sie nicht nur in jedes Fettnäpfchen, sondern hüpfte immer mit Anlauf und dann mit beiden Füßen hinein. Sie selbst witzelt unentwegt über ihre etwas mehr als mollige Figur: »Ich bin nicht dick, ich hab bloß fette Knochen!« Das komme aber im Wesentlichen alles deshalb, weil sie Verbrennung habe. »Mein Körper verbrennt alles viel schneller, und deshalb muss ich immer so viel essen.«

Nach ihrem Praktikum verließ sie uns wieder, wurde dann aber doch von uns fest eingestellt. Sie ist ein Herzchen, absolut lieb und liebenswürdig. Leute mit Herz braucht man in unserer Branche.

Manni

Bestattungshelfer heißt die Berufsbezeichnung von Manni. Er fährt mit seinen Kollegen den Bestattungswagen, überführt die Verstorbenen, bettet sie ein und übernimmt die handwerklichen Arbeiten in unserem technischen Bereich. Eine abwechslungsreichere Tätigkeit gibt es kaum. Manni zeichnet sich durch eine pragmatische Denk- und Handlungsweise aus und wurde damit zu einem nur schwer ersetzbaren Mitglied unserer Firmenfamilie.

Die übrigen handelnden Personen werden Sie im Laufe der Geschichten kennenlernen.

Frau Müller ist gestorben

Da der Tod ein Tabuthema ist, beschäftigt man sich nicht besonders gerne mit ihm, und deshalb hat auch kaum einer eine Ahnung davon, was der Bestatter eigentlich mit den Verstorbenen macht. Eine der meistgestellten Fragen ist deshalb: Was passiert eigentlich mit einem Menschen, wenn er gestorben ist? Was macht der Bestatter mit dem Toten? Auf diese Frage gibt am besten die folgende Geschichte eine Antwort.