Выбрать главу

«Bist du schon umgezogen, Barbara?«, fragte Hadiyyah durch die geschlossene Tür.»Mummy will wissen, ob du Hilfe brauchst.«

«Nein, nein, schon fertig«, rief Barbara.»Ich komme jetzt raus. Hast du deine Sonnenbrille auf? Mach dich darauf gefasst, dass du geblendet wirst.«

Schweigen empfing sie. Dann sagten Hadiyyah und ihre Mutter wie aus einem Mund:»Gute Wahl, Barbara!«(Angelina)»O nein! Du hast vergessen, was wir über die Gesichtsform und den Halsausschnitt gelernt haben!«(Hadiyyah). Im Ton schierer Verzweiflung fügte Hadiyyah noch hinzu:»Die sollen sich entsprechen, Barbara, hast du das denn schon ganz vergessen?«

Wieder ein Fehlkauf, dachte Barbara. Es hatte durchaus seinen Grund, warum sie die letzten fünfzehn Jahre nichts als bedruckte T-Shirts und Hosen mit Gummizug getragen hatte.

«Hadiyyah!«, ermahnte Angelina ihre Tochter.

«Aber sie sollte Sachen mit rundem Halsausschnitt tragen, und sie hat …«

«Liebes, sie hat nur das Halstuch nicht richtig gebunden. Man kann denselben Effekt erzielen, indem man das Halstuch rund bindet … Kommen Sie, Barbara, lassen Sie mich mal machen.«

«Aber die Farbe, Mummy …«

«… ist perfekt, und es freut mich, dass du das erkannt hast«, sagte Angelina bestimmt. Dann nahm sie Barbara das Halstuch ab und band es ihr mit ein paar unerträglich geschickten Handbewegungen neu. Dabei kam sie Barbara so nah, dass sie ihren Duft wahrnahm: Er erinnerte sie an eine tropische Blume. Und sie hatte die makelloseste Haut, die Barbara je gesehen hatte.»So«, sagte Angelina.»Schauen Sie mal in den Spiegel, Barbara. Sagen Sie mir, was Sie davon halten. Es geht ganz einfach. Ich zeige es Ihnen.«

Barbara ging zurück ins Schlafzimmer, wo immer noch die Pillen lagen, doch diesmal weigerte sie sich hinzusehen. Sie hätte Angelina gern verabscheut — eine Frau, die Mann und Tochter hatte sitzen lassen, um sich über ein Jahr lang mit einem anderen zu amüsieren, was ihr dann auch noch verziehen wurde —, aber es gelang ihr nicht. Wahrscheinlich erklärte das, wie und warum Azhar ihr verziehen hatte.

Sie betrachtete ihr Spiegelbild und musste zugeben: Die Frau wusste, wie man ein Halstuch band. Und jetzt, wo das Halstuch ordentlich saß, erkannte sie, dass es gar nicht zu der Bluse passte. Verflixt und zugenäht, dachte sie, wann würde sie das endlich lernen?

Sie wollte gerade das Schlafzimmer verlassen, als sie hörte, wie die Wohnungstür sich öffnete und Taymullah Azhar hereinkam. Auf keinen Fall wollte sie von ihm in seinem Eheschlafzimmer erwischt werden. Hastig riss sie sich das Halstuch herunter, zog die Bluse aus, stopfte beides in die Plastiktüte und streifte den Pullover über, den sie zur Arbeit angehabt hatte.

Als sie ins Wohnzimmer trat, stand Azhar mit Hadiyyah an der Hand und Angelina im Arm da und bewunderte die frisch gestrichenen Wände. Er drehte sich um, und an seinem verblüfften Gesicht erkannte Barbara, dass weder Hadiyyah noch Angelina ihn über ihre Anwesenheit informiert hatten.

«Hallo Barbara!«, sagte er.»Und? Wie gefällt Ihnen das Gemeinschaftswerk?«

«Ich werde die beiden anheuern, damit sie meine Bude streichen«, sagte sie.»Was die Farben angeht, hatte ich an Lila und Orange gedacht. Glaubst du, das passt zu mir, Hadiyyah?«

«Nein, nein, nein!«, rief Hadiyyah entsetzt.

Ihre Eltern lachten. Barbara lächelte. Sind wir nicht eine glückliche Familie? dachte sie. Zeit, von der Bühne abzutreten. Sie sagte:»Ich lasse Sie dann mal in Ruhe zu Abend essen. «Und zu Angelina:»Danke für die Hilfe mit dem Halstuch. Ein Riesenunterschied. Wenn Sie mir jeden Morgen beim Anziehen helfen würden, wäre ich alle Probleme los.«

«Jederzeit«, sagte Angelina.»Wirklich.«

Und das meinte sie tatsächlich ernst, verflucht noch mal, dachte Barbara. Diese Frau brachte sie um den Verstand. Wenn sie sich wie ein Miststück verhalten würde, wäre alles viel einfacher.

Sie verabschiedete sich und ging. Sie wunderte sich, als Azhar ihr folgte, begriff jedoch, dass er sich draußen nur eine Zigarette anstecken wollte.

Er sagte:»Glückwunsch, Barbara.«

Sie blieb stehen, drehte sich um und fragte:»Wozu?«

«Zu Ihren Zähnen. Wie ich sehe, haben Sie sie richten lassen, und das sieht hervorragend aus. Aber ich nehme an, das hören Sie schon den ganzen Tag.«

«Ach so. Ja. Danke. Befehl von meiner Chefin. Na ja, nicht direkt, aber sie hat’s mir dringend nahegelegt. Jetzt will sie, dass ich zum Frisör gehe. Keine Ahnung, was danach kommt, wahrscheinlich irgendwas mit Fettabsaugen und Schönheitschirurgie. Wenn die mit mir fertig ist, werd ich mich vor Männern nicht mehr retten können.«

«Sie machen sich darüber lustig, das sollten Sie nicht tun«, sagte Azhar.»Bestimmt haben Angelina und Hadiyyah Ihnen schon gesagt …«

«Nein, haben sie nicht«, fiel Barbara ihm ins Wort.»Aber danke für das Kompliment, Azhar.«

Ironie des Schicksals, dachte sie: ein Kompliment ausgerechnet von dem Mann, von dem sie am allerwenigsten erwartet hätte, dass er ihre Zähne bemerkte, und von dem Mann, von dem sie sich eigentlich keine Aufmerksamkeit erhoffen sollte. Na ja, so oder so, es war nicht so wichtig.

Sie wünschte Taymullah Azhar eine gute Nacht und machte sich mit diesem Selbstbetrug auf den Weg zu ihrem Bungalow.

30. Oktober

BELGRAVIA — LONDON

Nach dem Motto Gefahr erkannt, Gefahr gebannt hatte Lynley die beiden Tage nach dem Gespräch mit Hillier und Fairclough mit Recherchen über den Mann, seine Familie und seine Lebensumstände zugebracht. Er hatte nicht die Absicht, blind in diese verdeckte Ermittlung zu stolpern, und es stellte sich heraus, dass es eine ganze Menge an Informationen über Fairclough gab. Er war nicht als Bernard Fairclough geboren, sondern als Bernie Dexter aus Barrow-in-Furness. Das Licht der Welt hatte er in einem zweistöckigen Reihenhaus in der Blake Street erblickt. Das Domizil der Familie Dexter lag in der Nähe der Eisenbahnlinie, in einer Armeleutegegend.

Wie Bernie Dexter sich in Bernard Fairclough, Baron von Ireleth, verwandelt hatte, war die Art Geschichte, die Sonntagszeitungen als Existenzberechtigung dienten. Im Alter von fünfzehn Jahren hatte Bernie Dexter die Schule abgeschlossen und bei Fairclough Industries als Hilfsarbeiter angefangen, und zwar in der Packerei, wo er acht Stunden täglich verchromte Armaturen in Kisten verpackt hatte. Es war ein Job, der jedem normalen Arbeiter alles an Hoffnung und Ehrgeiz ausgetrieben hätte, aber Bernie Dexter aus der Blake Street war kein normaler Arbeiter. Er war schon immer dreist, so hatte seine Frau Valerie ihn in einem Interview charakterisiert, kurz nachdem er zum Ritter geschlagen worden war, und sie musste es wissen, denn sie war eine geborene Fairclough, die Urenkelin des Firmengründers. Sie hatte den Fünfzehnjährigen kennengelernt, als sie selbst achtzehn war und er eine Rolle im Krippenspiel der Firma übernommen hatte. Für sie war die Anwesenheit auf der Weihnachtsfeier eine Pflichtübung, für ihn pures Vergnügen. Forsch nahm er seinen Weihnachtsbonus entgegen und erklärte Valerie mit einem kecken Augenzwinkern, er werde sie heiraten.»Eine echte Schönheit«, sagte er.»Ich werde dafür sorgen, dass du bis an dein Lebensende versorgt bist. «Letzteres verkündete er im Brustton der Überzeugung, als wäre Valerie Fairclough nicht schon durch ihre adelige Geburt lebenslang versorgt.

Und er hatte Wort gehalten, denn er hatte absolut keine Hemmungen, Valeries Vater direkt anzusprechen und ihm zu erklären:»Wenn Sie mir eine Chance geben, kann ich Ihrer Firma zu viel größerem Erfolg verhelfen. «Und das hatte er getan. Natürlich nicht auf einen Schlag, sondern ganz allmählich, und mit der Zeit war es ihm ebenfalls gelungen, Valerie mit seiner beharrlichen Verehrung zu beeindrucken. Außerdem hatte er die junge Frau geschwängert, als diese fünfundzwanzig Jahre alt war, woraufhin die beiden durchgebrannt waren und heimlich geheiratet hatten. Wenig später hatte Bernie ihren Familiennamen angenommen, die Effizienz der Firma verbessert, ihre Produkte modernisiert, darunter — ausgerechnet — eine ganze Serie topmoderner Toiletten, die ihm ein eindrucksvolles Vermögen eingebracht hatten.