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Mercurius.

Es ist doch immer mein Name.

Wieland.

Haben Sie niemals Ihre Gestalt mit Flügel an Haupt und Füßen, den Schlangenstab in der Hand, sitzend auf Warenballen und Tonnen, im Vorbeigehn auf einer Tabaksbüchse figurieren sehn?

Mercurius.

Das läßt sich hören. Ich sprech Euch los. Und ihr andern werdet mich künftig ungeplagt lassen. So, weiß ich, war auf dem letzten Maskenballe ein gnädiger Herr, der über seine Hosen und Weste noch einen fleischfarbnen Jobs gezogen hatte und vermittelst Flügeln an Haupt und Sohlen seine Molchsgestalt für einen Mercurius an Mann bringen wollte.

Wieland.

Das ist die Meinung. So wenig mein Vignettenschneider auf Eure Statue Rücksicht nahm, die Florenz aufbewahrt, so wenig auch ich.

Mercurius.

So gehabt Euch wohl. Und so seid Ihr überzeugt, daß der Sohn Jupiters noch nicht so bankrutt gemacht hat, um sich mit allerlei Leuten zu assoziieren.

ab.

Wieland.

So empfehl ich mich dann.

Euripides.

Nicht uns so. Wir haben noch erst ein Glas zusammen zu leeren.

Wieland.

Ihr seid Euripides, und meine Hochachtung für Euch hab ich öffentlich gestanden.

Euripides.

Viel Ehre! Es fragt sich, inwiefern Euch Eure Arbeit berechtigt, von der meinigen Übels zu reden. Fünf Briefe zu schreiben, um Euer Drama, das so mittelmäßig ist, daß ich als kompromittierter Nebenbuhler fast drüber eingeschlafen bin, Euern Herrn und Damen nicht allein vorzustreichen, das man noch verzeihen könnte; sondern den guten Euripides als einen verunglückten Mitstreiter hinzustellen, dem Ihr den Rang abgelaufen habt.

Admet.

Ich will's Euch gestehn, Euripides ist auch ein Poet, und ich habe mein Tage die Poeten für nichts mehr gehalten, als sie sind. Aber ein braver Mensch ist er und unser Landsmann. Es hätte Euch doch sollen bedenklich scheinen, ob der Mann, der geboren wurde, da Griechenland den Xerxes bemeisterte, der ein Freund des Sokrates war, dessen Stücke eine Wirkung auf sein Jahrhundert hatten wie Eure wohl schwerlich, ob der Mann nicht eher die Schatten von Alceste und Admet habe herbeibeschwören können als Ihr. Das verdiente einige ahndungsvolle Ehrfurcht. Der zwar Euer ganzes aberweises Jahrhundert von Literatoren nicht fähig ist.

Euripides.

Wenn Eure Stücke einmal so viel Menschen das Leben gerettet haben als meine, dann sollt Ihr auch reden.

Wieland.

Mein Publikum, Euripides, ist nicht das Eurige.

Euripides.

Das ist die Sache nicht. Von meinen Fehlern und Unvollkommenheiten ist die Rede, die Ihr vermieden habt.

Alceste.

Daß ich's Euch sage als ein Weib, die eh ein Wort reden darf, daß es nicht auffällt. Eure Alceste mag gut sein und Eure Weibchen und Männchen amüsiert, auch wohl gekitzelt haben, was ihr Rührung nennt. Ich bin drüber weggegangen, wie man von einer verstimmten Zither wegweicht. Des Euripides seine hab ich doch ganz ausgehört, mich manchmal drüber gefreut und auch drüber gelächelt.

Wieland.

Meine Fürstin!

Alceste.

Ihr solltet wissen, daß Fürsten hier nichts gelten. Ich wünschte, Ihr könntet fühlen, wie viel glücklicher Euripides in Ausführung unsrer Geschichte gewesen als Ihr. Ich bin für meinen Mann gestorben; wie und wo, das ist nicht die Frage. Die Frage ist von Eurer Alceste, von Euripides' Alceste.

Wieland.

Könnt Ihr mir absprechen, daß ich das Ganze delikater behandelt habe?

Alceste.

Was heißt das? Genug, Euripides hat gewußt, warum er eine Alceste aufs Theater bringt. Ihr nicht. So wenig Ihr die Größe des Opfers, das ich meinem Manne tat, darzustellen wußtet.

Wieland.

Wie meint Ihr das?

Euripides.

Laßt mich reden, Alceste. Sieh her, das sind meine Fehler. Ein junger, blühender König, ersterbend mitten im Genuß aller Glückseligkeit. Sein Haus, sein Volk in Verzweiflung, den Guten, Trefflichen zu verlieren, und über dem Jammer Apoll bewegt, den Parzen einen Wechseltod abdringend. Und nun — alles verstummt und Vater und Mutter und Freunde und Volk — alles — und er lechzend am Rande des Tods, umherschauend nach einem willigen Auge, und überall Schweigen — bis sie auftritt, die Einzige, ihre Schönheit und Kraft aufzuopfern dem Gatten, hinunterzusteigen zu den hoffnungslosen Toten.

Wieland.

Das hab ich alles auch.

Euripides.

Nicht gar! Eure Leute sind erstlich alle zusammen aus der großen Familie, der Ihr Würde der Menschheit, ein Ding, das Gott weiß woher abstrahiert ist, zum Erbe gegeben habt, ihr Dichter auf unsern Trümmern! Sie sehn einander ähnlich wie die Eier, und Ihr habt sie zum unbedeutenden Breie zusammengerührt. Da ist eine Frau, die für ihren Mann sterben will, ein Mann, der für seine Frau sterben will, ein Held, der für sie beide sterben will, daß nichts übrigbleibt als das langweilige Stück Parthenia, die man gerne wie den Widder aus 'm Busche bei den Hörnern kriegte, um dem Elend ein Ende zu machen.

Wieland.

Ihr seht das anders an als ich.

Alceste.

Das vermut ich. Nur sagt mir: Was war Alcestens Tat, wenn ihr Mann sie mehr liebte als sein Leben? Der Mensch, der sein ganzes Glück in seiner Gattin genösse, wie Euer Admet, würde durch ihre Tat in den doppelt bittern Tod gestürzt werden. Philemon und Baucis erbaten sich zusammen den Tod, und euer Klopstock, der doch immer unter euch ein Mensch ist, läßt seine Liebenden wetteifern — "Daphnis, ich sterbe zuletzt". Also mußte Admet gerne leben, sehr gerne leben, oder ich war — was? — eine Komödiantin — ein Kind — genug, macht aus mir was Euch gefällt.

Admet.

Und den Admet, der Euch so ekelhaft ist, weil er nicht sterben mag. Seid Ihr jemals gestorben? Oder seid Ihr jemals ganz glücklich gewesen? Ihr redt wie großmütige Hungerleider.

Wieland.

Nur Feige fürchten den Tod.

Admet.

Den Heldentod, ja! Aber den Hausvatertod fürchtet jeder, selbst der Held. So ist's

in der Natur. Glaubt Ihr denn, ich würde mein Leben geschont haben, meine Frau dem