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Agent Coldmoon hatte diese Lobeshymne über sich ergehen lassen, ohne die Miene zu verziehen. Unterdessen hatte sich Pendergasts seltsamer Gesichtsausdruck verflüchtigt, wie Pickett auffiel, und war einem aufrichtigen Lächeln gewichen.

»Agent Coldmoon«, sagte Pendergast und streckte die Hand aus. »Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.«

»Ebenso.« Coldmoon schüttelte die ausgestreckte Hand.

»Wenn Ihre Befähigungen auch nur entfernt dem entsprechen, was ADC Pickett hier eben geschildert hat«, fuhr Pendergast fort, »werden Sie sich bestimmt als große Bereicherung für das erweisen, was ein höchst interessanter Fall zu werden verspricht.«

»Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um Sie zu unterstützen.«

»Dann werden wir fabelhaft miteinander auskommen«, sagte Pendergast. Er sah wieder zu Pickett. Bis auf eine einzelne Schweißperle auf der Stirn schien ihm die Hitze nicht das Geringste auszumachen. Sein Hemd und der Anzug sahen nach wie vor frisch und sauber aus. »Wir fliegen gleich morgen früh nach Miami, sagten Sie?«

Pickett nickte. »Das Flugticket und eine Kurzfassung Ihrer Anweisungen liegen bereits auf Ihrem Schreibtisch.«

»In dem Fall sollte ich mich wohl schon einmal vorbereiten. Vielen Dank, Sir, dass Sie mir den Fall übertragen. Agent Coldmoon, wir sehen uns morgen früh.« Er nickte den beiden Männern nacheinander zu, stand auf und verließ die Sauna ebenso lässig, wie er den Raum betreten hatte.

Pickett und Coldmoon schauten zu, wie sich die Tür hinter Pendergast schloss. Pickett wartete eine ganze Minute, ehe er sich wieder zu Wort meldete. Dann, als er sich sicher war, dass Pendergast nicht zurückkommen würde, räusperte er sich und sagte zu Coldmoon: »Okay. Sie haben ja eben gehört, wie ich Ihre Legende skizziert habe. Sie werden in diesen Ermittlungen die zweite Geige spielen.«

Coldmoon nickte.

»Haben Sie irgendwelche Fragen zu Ihrem wahren Auftrag, was Pendergast betrifft?«

»Keine.«

»Sehr schön. Ich erwarte regelmäßig Bericht.«

»Ja, Sir.«

»Das wäre alles.«

Wortlos drehte sich Special Agent Coldmoon um und verließ die Sauna. Pickett griff nochmals zur Schöpfkelle und goss Wasser auf die kirschfarbenen Steine, dann lehnte er sich wieder zurück und seufzte zufrieden, während ein weiterer Dampfstoß den mit Zedernholz getäfelten Raum erfüllte.

3

Behutsam schob Mrs Trask den Teewagen über den dunklen Flur, der aus den Küchenräumen der Villa am Riverside Drive 891, New York City, hinausführte. Es war ungewöhnlich, zu dieser nachmittäglichen Stunde Tee zu servieren, es war noch nicht einmal fünfzehn Uhr – denn normalerweise zog es Pendergast vor, seinen Tee später am Tag zu nehmen. Doch er hatte sie darum gebeten, und die Bestellung war ungewöhnlich ausgefallen. Anstelle des üblichen asketischen Grüntees mit Ingwerkeksen gab es heute Hefeteigbrötchen mit Zitronenaufstrich, Scones, Clotted Cream, Madeleines, ja sogar kleine Battenbergkuchen. Und deshalb musste sie zum ersten Mal seit Ewigkeiten den Afternoon Tea auf einem Teewagen servieren statt auf einem schlichten Silbertablett. Dies alles bedeutete, da war sich Mrs Trask recht sicher, dass Pendergast seinem Mündel Constance eine Freude machen wollte – trotz des Umstands, dass sie aß wie ein Spatz und vermutlich kaum etwas von den Speisen anrühren würde.

Und in der Tat, seit seiner reichlich plötzlichen Rückkehr erst eine Woche zuvor schien es, als widmete Pendergast ihr besonders viel Aufmerksamkeit. Selbst Proctor, Pendergasts stoischer Chauffeur und Bodyguard, hatte das gegenüber Mrs Trask zur Sprache gebracht. Pendergast war gesprächiger als sonst gewesen und hatte sich bis spät in die Nacht mit Constance über ihre Lieblingsthemen unterhalten. Er hatte ihr bei der langfristig angelegten Aufgabe, den Nachforschungen über den komplizierten und oftmals geheimnisvollen Familienstammbaum der Familie Pendergast, geholfen. Dabei hatte er sogar Interesse an Constances neuestem Projekt gezeigt: die Anlage eines Terrariums zur Vermehrung gefährdeter fleischfressender Pflanzen.

Mrs Trask trat vom Flur in die Empfangshalle; leise quietschten die kleinen Räder des Teewagens auf dem Marmorboden. Sie hörte, wie sich Pendergast und Constance in der Bibliothek leise unterhielten. Allein schon dies erfreute ihr Herz. Allerdings wusste sie nicht, warum Constance im vorigen September so plötzlich nach Indien abgereist war, und auch nicht, was Anlass dazu gegeben hatte, dass Pendergast vor Kurzem dorthin gefahren war, um sein Mündel nach Hause zu holen. Diese Angelegenheit ging nur Pendergast und Constance etwas an. Mrs Trask freute sich einfach, dass alle Mitglieder des Haushalts beisammen waren. Und obwohl dies schon bald wieder vorbei sein würde – wegen Pendergasts plötzlicher Ankündigung, er müsse nach Florida aufbrechen –, tröstete sich Mrs Trask damit, dass es sich um eine rein geschäftliche Reise handelte.

Es stimmte, dass sie Pendergasts »Geschäften« recht ablehnend gegenüberstand, aber das war etwas, was sie für sich behielt.

Jetzt schob sie den Teewagen in die Bibliothek mit ihrer Holzvertäfelung aus dunklem Mahagoni, den Schränken voller seltener Fossilien, Mineralien und Exponate und den Wänden mit Leder-Folianten bis unter die Kassettendecke. Im Kamin prasselte ein großes Feuer, zwei Ohrensessel waren nahe daran herangezogen worden. In ihnen saß aber niemand, worauf Mrs Trask suchend den Blick umherschweifen ließ. Als sich ihre Augen an den Flackerschein gewöhnt hatten, sah sie die beiden. Sie standen in einer der hinteren Ecken, hatten die Köpfe zusammengesteckt und beugten sich über etwas, das sie ersichtlich interessierte. Natürlich – das musste das neue Terrarium sein. Mrs Trask hörte bereits, wie Constance davon sprach, wobei ihre Altstimme so eben über dem Knistern der Flammen hörbar war. »Ich finde es paradox, dass Nepenthes campanulata, die fünfzehn Jahre lang als ausgestorben galt, heute lediglich als bedrohte Art gilt, wohingegen Nepenthes aristolochioides, die damals kaum als Spezies anerkannt wurde, aktuell als höchst gefährdet gilt.«

»Paradox, in der Tat«, sagte Pendergast halblaut.

»Man beachte die sonderbare Morphologie der aristolochioides. Das Peristom ist fast senkrecht – selten bei Karnivoren. Ihr Ernährungsmechanismus ist höchst interessant. Ich erwarte noch immer eine Schiffsladung mit Insekten aus Sumatra, aber die hiesigen Riesenkäfer dürften wohl auch eine zufriedenstellende Kost darstellen. Möchtest du sie einmal füttern?« Dabei hielt Constance ihm eine fast dreißig Zentimeter lange Pinzette hin, die im Schein des Kaminfeuers funkelte und an deren Ende sich ein Käfer wand.

Ganz kurz zögerte Pendergast. »Es wäre mir sehr viel lieber, ich könnte dir bei der Arbeit zuschauen. Du hast viel mehr Übung in derlei Dingen.«

Mrs Trask nutzte den Augenblick, räusperte sich und schob den Teewagen weiter vor sich her in den Raum. Beide, Constance und Pendergast, wandten sich zu ihr um.

»Ah, Mrs Trask!«, sagte Pendergast, drehte sich vom gläsernen Terrarium weg und schritt auf sie zu. »Pünktlich wie immer.«

»Geradezu überpünktlich«, sagte Constance, näherte sich von hinten Pendergast und ließ den Blick aus ihren veilchenblauen Augen über den Teewagen schweifen. »Es ist erst kurz nach drei. Aloysius, hast du um dieses wahre Füllhorn von Speisen gebeten?«

»Das habe ich, in der Tat.«

»Haben wir die trojanische Armee zum Tee eingeladen?«

»Ich gebe mir selbst ein kleines Fest vor meiner Abreise.«

Constance runzelte die Stirn.

»Außerdem«, fuhr Pendergast fort, während er sich in den Ohrensessel niederließ und sich eine Madeleine nahm, »wirkst du dünner, seit du dich von dieser mönchischen Kost ernährst.«

»Ich esse sehr gut, vielen Dank.« Constance nahm im gegenüberstehenden Ohrensessel Platz, wobei ihre als Bob geschnittenen Haare hin- und herschwangen. »Weißt du, ich wünschte wirklich, du würdest mich nach Florida mitnehmen. Dieser Fall, der dir da plötzlich in den Schoß gefallen ist – er klingt faszinierend.«