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»Das macht gar nichts«, sagte die junge Frau und führte sie von der Rezeption einen langen, unmöblierten Flur entlang. »Ms Fleming wird die Fragen stellen. Sie ist eine tolle Moderatorin, echt nett, sie bringt viel Erfahrung aus Philadelphia und Hartford mit. Wir hatten viel Glück, sie zu bekommen. Ihr Segment beginnt in zehn Minuten.« Sie kamen an einem Fenster vorbei. Als Coldmoon einen Blick in den Raum warf, sah er die Schemen zweier Gesichter und einen dunklen Raum voller Monitore, Mischpulte und weiterem Video- und Ton-Equipment.

Sie blieben an einer Kreuzung der Flure stehen. Natalie schaute sich Pendergast ein wenig genauer an. »Hm. Na ja, gegen den schwarzen Anzug kann man nichts machen, aber ansonsten sehe ich nicht viele Probleme. Wir setzen Sie nur kurz in die Maske, dann verdrahten wir Sie und machen einen Soundcheck.«

Natalie führte Coldmoon und Grove in etwas, von dem Coldmoon annahm, dass es sich um den Aufenthaltsraum handelte, dann ging sie mit Pendergast weiter den Flur hinunter, wobei sie nach wie vor beruhigend auf ihn einredete, als müsste er sich gleich einer Operation unterziehen.

Coldmoon sah sich im Aufenthaltsraum um. Sofas, Polstersessel, ein Tisch mit Obst und Käsetellern sowie ein kleiner Kühlschrank mit Glastür voller Mineralwasserflaschen und Diät-Cola. Er war erst einmal in einem Aufnahmestudio gewesen, bei einem Radiosender außerhalb von Rapid City, und der hatte aus zwei Räumen und einer Toilette bestanden. Dieser Raum – mit seiner flüsterleisen Klimaanlage, dem Hightech-Equipment und den Gratis-Speisen – war wie eine Offenbarung. Er griff sich eine Flasche Mineralwasser und nahm auf einem der Stühle Platz.

Grove setzte sich neben ihn. Der normalerweise lässige Commander legte ein eifriges Gebaren an den Tag. Coldmoon rechnete fast damit, dass der Mann sich vor Freude die Hände reiben würde. »Das hier ist perfekt. Tatsächlich war ich ziemlich erleichtert, als Pendergast heute Morgen angerufen und gesagt hat, er hätte eingewilligt, WSUN ein Interview zu geben. Nicht nur eingewilligt, sondern es vorgeschlagen hat. Die Marktdurchdringung von WSUN ist die beste in Miami-Dade, und die demografische Zusammensetzung der Zuschauer ist ideal.«

»Schön, dass das Interview so schnell arrangiert werden konnte«, antwortete Coldmoon und machte die Mineralwasserflasche auf. »Wie ich höre, haben Sie dabei geholfen.«

»Carey Fleming und ich sind alte Freunde.« Grove streckte den Arm aus und nahm sich eine Scheibe Gouda vom Tisch. »Außerdem bietet das Interview die ideale Gelegenheit, die Öffentlichkeit zu beruhigen. Mir ist allerdings nicht ganz klar, was er sagen will. Er hat angedeutet, dass es irgendwas mit dem zu tun hat, worüber dieser Reporter Smithback geschrieben hat.«

»Tut mir leid«, sagte Coldmoon. »Davon weiß ich nichts.«

»Ich bin mir sicher, dass es Ihr Partner gut meint, aber die Zeitungsleute – die verdrehen einem das Wort im Munde, um mehr Auflage zu machen.« Grove schnappte sich noch ein Stück Käse. »Aber wenigstens können wir uns darauf verlassen, dass Carey dem Ganzen den richtigen Dreh verleiht. Sie ist eine Top-Moderatorin, ein echter Profi. Und die Wogen etwas zu glätten, wird helfen, dass die Leute besser schlafen, bis wir diesen Typ hinter Schloss und Riegel gebracht haben.«

Im Flur erklangen Schritte, dann erschien Natalie, mit Pendergast immer noch im Schlepptau. Man hatte ihm irgendeine Art orangefarbene Grundierung aufs Gesicht geschmiert – vermutlich, damit sein blasser Teint in der hellen Studiobeleuchtung nicht so käsig wirkte –, aber hier, bei normalem Licht, sah er aus wie eine Wachspuppe.

»Okay.« Natalie sah auf die Uhr. »Noch drei Minuten. Kommen Sie, gehen wir zum Studio B und verdrahten wir Sie.«

Sie gingen durch einen anderen weiteren unscheinbaren Flur, Grove und Coldmoon bildeten die Nachhut. Pendergast sagte immer noch kein Wort.

»Hat er ein bisschen Lampenfieber?«, fragte Grove Coldmoon. »Nein, vermutlich nicht – Sie arbeiten ja in New York, und da haben Sie bestimmt mehr als genug Pressekonferenzen abgehalten. Wie dem auch sei, Carey wird ihm keine schwierigen Fragen stellen. Alle hier wollen das Gleiche – das Publikum beruhigen.«

Grove fuhr mit seinem sporadischen Coaching fort, während sie durch eine doppelflügelige Tür gingen, über einen kurzen Flur, durch eine weitere Tür – und plötzlich standen sie in Studio B: ein großer, lagerhausartiger Raum voller Kabel, die sich überall über den Betonboden schlängelten, Menschen, die am Rand herumstanden, und einem Halbkreis aus drei Kameras, die auf eine kleine Kulisse gerichtet waren, die wie ein Wohnzimmer aussehen sollte, mit einer Fototapete der Küste von Miami Beach. Coldmoon blickte sich überrascht um. Alles war derart fake – nur partielle Wände und keine Decke, nichts als schwarze Vorhänge und Wände aus Betonziegeln drum herum, und ein Bodenbelag aus Laminat, der keinen Meter vor dem Bühnenaufbau endete –, dass er kaum glauben konnte, dass irgendein Zuschauer auf dieses Trugbild hereinfallen würde. Man sah einen Schreibtisch, darauf Seidenblumen, ein paar Palmen in Übertöpfen und zwei gepolsterte Regiestühle zu beiden Seiten eines Glastischs. In einem der Stühle saß eine Frau. Coldmoon erkannte sie – das war die Person, die ihn auf dem Weg zum Hauptquartier der Polizei Miami mit Fragen bombardiert hatte. Ein kleines Heer von Visagisten und Toningenieuren umringte sie. Ungefähr zwischen den Kameras stand ein Mann, der ein Walkie-Talkie in der Hand hielt und sich alles aufmerksam anschaute. Das war wohl, wie Coldmoon annahm, der Producer oder Regisseur oder was immer. Die Frau auf dem Stuhl war sichtlich nervös, sie redete halblaut auf die Leute ein, die um sie herumwuselten, und schlug sogar die Hand von einer Frau weg, die einen Retuschierpinsel hielt. Unterdessen war Pendergast zu seinem Stuhl geführt worden und ließ sich hinten unter dem Jackett ein Mikro einfädeln und am Revers befestigen.

»Eine Minute«, rief eine Stimme aus der Dunkelheit hinter den Kameras. Das ohnehin schon helle Licht am Set wurde noch einen Tick heller. Die Kameras auf den Wagen gingen in Position.

»Gentlemen, bitte stellen Sie sich hierhin«, sagte Natalie leise zu Coldmoon und Grove. »In einer Minute sind wir live auf Sendung.« Mit dem Klemmbrett deutete sie auf eine geschützte Stelle, die einen Blick auf das eigentliche Set und die Monitore bot, auf denen die Livebilder gezeigt wurden.

»Dreißig Sekunden!«, ertönte die körperlose Stimme. Jetzt verschwanden die eifrigen Helfer von der Bühne, und die Moderatorin – deren Gesichtszüge sich plötzlich aufhellten und ein strahlendes, einladendes Lächeln zeigten – wandte sich Pendergast zu. Sie führten ein kurzes Gespräch, das Coldmoon nicht richtig mitbekam. Dann machte der Regisseur eine übertriebene Handbewegung, die Monitore hörten auf, Werbung und Testbilder zu zeigen, und bildeten das Set ab. Und dann ertönte scheinbar wie aus dem Nichts eine Calypso-basierte Themenmusik.

»Herzlich willkommen zurück zu den Nachrichten 6 um sieben«, sagte die Frau mit fröhlicher Stimme. »Miamis Quelle Nummer eins für alles, was Sie wissen müssen. Ich bin Carey Fleming. Wie ich zu Beginn der Sendung bereits erwähnte, haben wir das große Glück, als unseren nächsten Gast einen hochdekorierten Angehörigen des FBI bei uns zu haben, Special Agent Aloy–«, zu Coldmoons Belustigung stockte sie bei Pendergasts Vornamen, »Pendergast. Er leitet die Ermittlungen des FBI zu den Mister-Brokenhearts-Morden und ist heute hier, um uns exklusiv die neuesten Entwicklungen in dem Fall vorzustellen – wie auch, was wir, die Öffentlichkeit, über dieses Monster wissen sollten.«

Fleming wandte den Blick von der Signallampe auf einer der Kameras ab, drehte sich zu ihrem Gast und setzte eine ernste Miene auf. Zwei der Kameras drehten sich in Richtung Pendergast. »Agent Pendergast, danke und herzlich willkommen.«

Pendergast nickte.

»Wie ich höre, sind Sie in New York beheimatet. Ich hoffe, Sie genießen unsere wunderschöne Stadt – auch wenn es einen unangenehmen Grund für Ihr Kommen gibt.«