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»Ich bin, fürchte ich, kein Bestattungsunternehmer, obschon Ihnen diese irrige Annahme verziehen sei. Ich bin Special Agent des FBI.«

»FBI?«

Die weit auseinanderstehenden Augen des Cops verengten sich. »Zeigen Sie mal Ihren Ausweis.«

»Gewiss.« Pendergast griff in eine der Innentaschen seiner Anzugjacke, zog ein schmales Ledermäppchen hervor und ließ es aufklappen. Der obere Teil enthielt seinen Ausweis mit Dienstgrad und Foto, darunter befand sich die Dienstmarke.

Der Cop schaute sich alles ganz genau an. Dann sah er wieder zu Pendergast, allerdings nicht mehr misstrauisch, sondern mit gesteigerter Neugierde. »FBI«, wiederholte er. »Ich hab tatsächlich davon gehört, dass ihr Jungs hier runterkommen werdet. Dass ihr euch mit uns zusammentun wollt bei den Ermittlungen zu diesem Fall.«

»Ganz recht«, sagte Pendergast. »Wie schön, dass Sie sich erinnern, Officer …«, er warf einen kurzen Blick auf dessen Namensschild, »… Kleinwessel. Also, wenn Sie nichts dagegen haben, schaue ich mich hier einmal kurz allein um.«

Doch gerade als er losgehen wollte, legte ihm der Polizist eine Hand auf die Brust, um ihn aufzuhalten. »Sie gehen nirgendwohin, Freundchen.«

Pendergast mochte es gar nicht, angefasst zu werden. »Ich muss doch sehr bitten.«

»Wie gesagt – ich hab gehört, dass ihr Jungs hierher runterkommt. Mein Sergeant hat mir gesagt, dass das FBI morgen hier sein wird. Nicht heute. Wir haben hier noch keine Papiere bekommen. Ich darf Sie also nicht an den Tatort lassen – es sei denn, Sie können eine Vollmacht vorweisen.«

Pendergast hielt inne. Er erinnerte sich, dass es im FBI ein gewisses Maß an Unzufriedenheit mit den Strafverfolgungsbehörden in Miami gab. Anscheinend hatten die Leute hier kollektiv einen Komplex, was das FBI betraf, der auf die Amtszeit eines übereifrigen Leiters der Außenstelle hier in Miami zurückging. Vor ein paar Jahren hatte es einen besonders unangenehmen Streit gegeben, als FBI-Leute versuchten, einen Fahrrad-Polizisten in Handschellen zu legen und ihn vom Tatort zu entfernen. Jetzt fuhr man offenbar die Retourkutsche.

Pendergast klappte das Ausweismäppchen zu, behielt es jedoch in der Hand. »Ich habe meine Anweisungen, und die schreiben vor, dass ich den Tatort dieses Mordes zu untersuchen habe.«

»Und ich habe auch meine Anweisungen. Und die schreiben vor, dass ich niemanden an diesen Tatort lassen darf – es sei denn, mein Sergeant sagt mir etwas anderes. Und nun gehen Sie zurück auf die andere Seite des Absperrbands … Sir

»Officer«, sagte Pendergast in einem Tonfall unendlicher Geduld, »Sie haben meine Ausweise gesehen. Sie selber räumen ein, dass das FBI hier helfen wird. Ich wäre Ihnen also sehr verbunden, wenn Sie freundlicherweise beiseitetreten und mir gestatten würden, investigativ tätig zu werden.«

»Investigativ?« Der Polizist lachte. »Sie halten sich wohl für so eine Art Sherlock Holmes.«

»Officer Kleinwessel, es gibt keinen Grund, beleidigend zu werden.«

»Ich halte mich nur an die Tatsachen. Und Fakt ist, dass Sie und Ihre Deduktionen eben bis morgen warten müssen – außer natürlich, Sie sind im Besitz einer schriftlichen Vollmacht, die anderes besagt.«

Pendergast überlegte. Pickett hatte ihm natürlich seine Anweisungen gegeben – die allerdings, zusammen mit dem Flugticket für den morgigen Tag, auf dem Schreibtisch im Büro lagen, das er seit Tagen nicht mehr aufgesucht hatte. Jetzt beugte er sich vor gegen die Hand, die ihn aufhielt.

»Sie erwähnten Sherlock Holmes«, sagte er in dem ihm eigenen, etwas schleppenden Tonfall. »Ich für meinen Teil habe den Burschen nie sonderlich gemocht – er ist mir immer so unnötig melodramatisch vorgekommen. Wie dem auch sei, wenn Sie Holmes wollen, dann sollen Sie ihn auch bekommen.« Er hielt kurz inne. »Officer Kleinwessel, ich sehe keinerlei Grund, dass wir nicht Freunde sein sollten. Sie?«

Kleinwessel reagierte darauf, indem er Pendergast einen kleinen Schubs Richtung Absperrband versetzte.

»Und als Ihr Freund fühle ich mich außerdem ehrverpflichtet, Sie zu warnen, dass Sie Ihre Karriere, Ihre Ehe und möglicherweise Ihr Leben aufs Spiel setzen.«

»Ich weiß zwar nicht, was Sie da faseln, aber ich erkläre es Ihnen zum letzten Maclass="underline" Entfernen Sie sich von diesem Tatort, sonst lege ich Ihnen Handschellen an.«

»Leider ›fasele‹ ich gar nicht. Da Ihr Ruhestand bevorsteht und Sie zweifellos in den Genuss Ihrer dürftigen Pension kommen möchten, sollten Sie vielleicht erwägen, Ihr Alkoholproblem besser zu verbergen. Und auch wenn das möglicherweise eine eher akademische Frage ist – Cuban Hound, die Marke Rum, die Sie bevorzugen, ist nicht nur hochprozentig, sondern auch randvoll mit gesundheitsschädlichen Aldehyden und Estern. Nur wenn Sie auf der Stelle aufhören mit der Trinkerei, lässt sich noch verhindern, dass Ihr Ruhestand durch eine Leberzirrhose erheblich verkürzt wird.«

Pendergast hielt kurz inne. Kleinwessel öffnete den Mund. »Was erlauben Sie sich …?«

»Ihre Frau muss sehr geduldig sein, dass sie Ihre Trinkerei all die Jahre ertragen hat. Aber wenn sie wüsste, dass Sie auch noch eine Freundin haben – und zwar eine ziemlich billige Geliebte aus Opa-Locka –, dann würde das zweifellos das Ende Ihrer Ehe bedeuten. Sie sehen also, Officer Kleinwessel, Sie liegen mir wirklich am Herzen. Denn ich habe Ihnen soeben erläutert, dass Ihre Stelle, Ihre Ehe und Ihr Leben in Gefahr sind – und zwar vorerst in verborgener Gefahr. Natürlich kann es jederzeit passieren, dass Ihre Verfehlungen ans Licht kommen.« Und damit steckte Pendergast sein Ausweismäppchen in die Anzugjacke zurück, während er gleichzeitig mit theatralischer Geste sein Mobiltelefon hervorzog.

Der Polizist war kreidebleich geworden. Er sah sich um, als wollte er unsichtbare Hilfe erbitten. »Wie haben Sie …«, er bekam fast einen Erstickungsanfall, »… wie haben Sie …«, stotterte er mit hochrotem Kopf, außerstande, den Satz zu beenden.

»Fragen Sie mich, Sir, wie ich meine – wie Sie es selbst nannten – ›Deduktionen‹ angestellt habe?« Pendergast wartete, aber Officer Kleinwessel war offenbar unfähig, eine Antwort zu formulieren.

»Nun gut. Der Ring am kleinen Finger Ihrer rechten Hand zeigt mir, dass Sie vor neunzehn Jahren Ihre Ausbildung an der Polizeischule abgeschlossen haben – das Datum ist für alle gut sichtbar eingraviert –, was bedeutet, dass Ihre zwanzig Dienstjahre fast um sind. Aber obwohl Sie schon so lange bei der Polizei sind, tragen Sie weder Winkelstreifen noch Rangabzeichen, und das heißt, dass Sie nach wie vor einen niedrigen Dienstrang bekleiden. Allein der Umstand, dass Sie den Auftrag erhalten haben, einen gesperrten Tatort zu bewachen, spricht Bände. Daher die minimale Pension. Und apropos Ringe – ich sehe, dass Sie Ihren Ehering nicht tragen. Der blasse Hautstreifen an Ihrem Ringfinger legt jedoch nahe, dass Sie den Ring vor Kurzem abgenommen haben – und die Hornhaut an Ihrem Fingerknöchel verweist darauf, dass es immer wieder vorkommt, dass Sie den Ring abnehmen und wieder aufsetzen. Und was Ihre Geliebte betrifft, genügt ein kurzer Blick auf Ihre Kleidung. Das Viertel Opa-Locka nordwestlich von hier wurde im frühen 20. Jahrhundert in die Stadt eingegliedert, wobei sich die Gründer in der Architektur maurischer Motive bedienten. Im Rahmen dieser Grundidee wurde im öffentlichen Raum ein exotischer Bodendecker aus dem Nahen Osten, bekannt als Erodium glandiatum, gepflanzt. Die Samen dieser Spezies haben ein höchst charakteristisches Aussehen: lang und dünn, das eine Ende sieht aus wie ein Korkenzieher und das andere federig, vergleichbar den Kiemen eines Hummers. Opa-Locka ist zufällig das einzige Habitat in den Vereinigten Staaten, in dem diese Pflanze vorkommt – dies sowie der eigenartig aussehende Same hat diese Tatsache in meiner Erinnerung verankert. Derzeit haften mindestens zwei Exemplare des besagten Samens an Ihnen, eines an der rechten Kniekehle und noch eines, das unten aus Ihrem Hosenbein hervorschaut. Ersteres ist frisch, Letzteres ziemlich schmutzig – was nahelegt, dass Sie sich in den letzten Tagen mindestens zweimal, vermutlich sogar öfter, in der Nähe von Opa-Locka aufgehalten haben, während Sie Uniform trugen. Aber leider ist es Opa-Locka im Laufe der Jahre nicht gut ergangen. Und als wenn das nicht schon genügte, die Schichtzugehörigkeit Ihrer Geliebten zu bestimmen, würde dafür allein schon der ganz schwache Duft eines billigen Parfüms reichen – ›Nacht des Begehrens‹, wenn ich nicht irre –, der Sie umweht.«