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Unter der Kuppel war es immer kalt, aber das Licht änderte sich ständig. Im Sommer leuchtete die Kuppel die ganze Zeit bläulich weiß, und unter den Oberlichtöffnungen standen helle Strahlenbüschel. Im Winter war es dunkel, und die Kuppel glänzte in reflektiertem Lampenschein wie das Innere einer Muschelschale. Im Frühling und Herbst wurde das Licht am Nachmittag zu Grau gedämpft, und es wurde gespenstisch finster. Die Farben waren nur noch durch die vielen Schattierungen von Grau angedeutet, und die Bambusblätter und Kiefernnadeln waren tiefschwarze Striche vor dem blassen Weiß der Kuppel. In solchen Stunden wirkten die Gewächshäuser wie große Lampions auf den Hügeln, und die Kinder gingen im Zickzackkurs heim wie Möwen und strebten zum Badehaus. Dort in dem langen Gebäude neben der Küche zogen sie sich aus und rannten in den dampfigen Ansturm des Hauptbades, rutschten auf den Bodenkacheln umher und fühlten, wie die Hitze in ihre Hände, Füße und Gesichter drang, während sie munter um die sich einweichenden älteren Leute planschten mit ihren schildkrötenartigen Gesichtern und verschrumpelten haarigen Körpern.

Nach dieser warmen feuchten Stunde zogen sie sich wieder an und reihten sich feucht und rosa in die Schlange ein, füllten ihre Teller und setzten sich an die langen Tische zwischen die Erwachsenen. Es waren 124 ständige Einwohner; aber gewöhnlich gab es dort zu jeder Zeit ungefähr 200 Personen. Wenn alle Platz genommen hatten, nahmen sie die Wasserkrüge und schenkten dem Nachbarn ein. Dann stürzten sie sich mit Genuß auf die warme Speise, verschlangen Kartoffeln, Maiskuchen, Pasta, Tabouli, Brot, hunderterlei Gemüse und gelegentlich Fisch oder Geflügel. Nach der Mahlzeit pflegten die Erwachsenen über Ernten oder ihren Rickover-Generator zu plaudern, einen alten integralen Schnellen Brüter, den sie sehr liebten, oder über die Erde, während die Kleinen aufräumten und dann eine Stunde lang Musik spielten und sonstige Spiele betrieben, bis alle allmählich einschlummerten.

Eines Tages kam von der Polkappe her eine Gruppe von zweiundzwanzig Personen an. Ihre kleine Kuppel hatte ihr Ökosystem eingebüßt durch etwas, das Hiroko spiraliges komplexes Ungleichgewicht nannte; und ihre Reserven waren zu Ende gegangen. Sie brauchten eine Zuflucht.

Hiroko legte sie in drei der kürzlich reif gewordenen Baumhäuser. Sie stiegen die um die dicken runden Schößlinge laufenden Wendeltreppen hoch und jammerten über die zylindrischen Segmente mit den hineingeschnittenen Türen und Fenstern. Hiroko ließ sie die Arbeiten an den neuen Räumen beenden und am Rande des Dorfes ein neues Gewächshaus errichten. Es war allen klar, daß Zygote nicht so viel Nahrung wachsen ließ, wie sie jetzt benötigten. Die Kinder aßen so mäßig, wie sie konnten, indem sie die Erwachsenen nachahmten. »Man hätte den Ort Gamete nennen sollen«, sagte Cojote zu Hiroko, als er wieder vorbeikam, und lachte rauh.

Sie winkte bloß ab. Aber vielleicht war Sorge an Hirokos distanzierterem Verhalten schuld. Sie verbrachte alle Tage mit Arbeit in den Gewächshäusern und unterrichtete die Kinder nur noch selten, wenn überhaupt. Wenn sie es tat, folgten ihr die Kleinen überall hin und arbeiteten für sie, indem sie Ernte einbrachten oder Kompost umwendeten oder jäteten. »Sie kümmert sich gar nicht um uns«, sagte Harmakhis ärgerlich eines Nachmittags, als sie am Strand entlanggingen. »Sie ist überhaupt gar nicht mehr unsere Mutter.« Er führte sie alle zu den Labors am Gewächshaus neben dem Tunnelhügel und scheuchte sie, wie er es so gut konnte.

Drinnen zeigte er auf eine Reihe flacher Aluminiumtanks, eine Art Kühlgeräte. »Das sind unsere Mütter. Darin sind wir gewachsen. Kasei hat es mir gesagt, und ich habe Hiroko gefragt, und es ist wahr. Wir sind Ektogene. Wir wurden nicht geboren, sondern dekantiert.« Er blickte triumphierend auf seine erschrockene und faszinierte kleine Schar. Dann schlug er Nirgal mit der Faust voll auf die Brust, stieß ihn quer durch das Labor und ging fluchend hinaus. »Wir haben keine Eltern.«

Zusätzliche Besucher waren jetzt eine Belastung. Aber dennoch gab es eine Menge Aufregung, wenn sie kamen; und viele Leute blieben am ersten Besuchstag bis weit in die Nacht auf und plauderten, um alle Neuigkeiten zu erfahren, die sie aus den anderen Zufluchtsstätten bekommen konnten. Davon gab es im Südpolgebiet ein ganzes Netz. Nirgal hatte in seinem Pult eine Karte mit roten Punkten, die alle vierunddreißig zeigten. Und Nadia und Hiroko schätzten, daß es noch mehr waren, in anderen Netzen im Norden oder in völliger Isolierung. Aber sie alle hielten Funkstille. Man konnte also nicht sicher sein. Darum waren Nachrichten hoch geschätzt. Gewöhnlich waren sie das Kostbarste, was Besucher zu bieten hatten, selbst wenn sie, wie gewöhnlich, mit Geschenken kamen und alles gaben, was sie nur hatten herstellen oder bekommen können und das ihre Gastgeber nützlich finden könnten.

Während dieser Besuche lauschte Nirgal genau auf die langen lebhaften Gespräche in den Nächten, wobei er auf dem Boden saß oder herumging und die Teetassen der Leute nachschenkte. Es war ihm völlig bewußt, daß er die Regeln der Welt nicht kannte. Ihm war unerklärlich, warum Leute so handelten, wie sie es taten. Natürlich verstand er nicht die Grundtatsache der Lage — daß es zwei Seiten gab, die in einem Wettbewerb um die Herrschaft über den Mars steckten — daß Zygote Anführer der richtigen Seite war — und daß schließlich die Areophanie siegen würde. Es war ein ungeheures Gefühl, in diesem Kampf beteiligt zu sein, ein entscheidender Teil der Geschichte zu sein. Es machte ihn oft schlaflos, wenn er sich ins Bett schleppte, während sein Geist bis zum frühen Morgen durch Visionen tanzte von allem, was er zu diesem großen Drama beitragen und Jackie und alle anderen in Zygote in Erstaunen setzen würde.

Manchmal lauschte er sogar in seinem Verlangen, mehr zu lernen. Er tat das, indem er in der Ecke auf einer Couch lag und in ein Heft schaute, wobei er darin kritzelte oder vorgab zu lesen. Recht oft merkten Leute anderswo in dem Raum nicht, daß er zuhörte, und manchmal sprachen sie sogar über die Kinder von Zygote, besonders dann, wenn er sich gerade draußen in der Halle herumtrieb.

»Hast du gemerkt, daß die meisten von ihnen Linkshänder sind?«

»Ich schwöre, daß Hiroko mit ihren Genen etwas angestellt hat.«

»Sie sagt nein.«

»Die sind schon fast so groß wie ich.«

»Das ist eben die Schwerkraft. Seht euch nur Peter an und die übrigen Nisei! Sie sind natürlich geboren und meistens groß. Aber die Linkshändigkeit muß genetisch bedingt sein.«

»Sie hat mir einmal gesagt, es gäbe eine einfache transgenische Einfügung, die das Corpus Callosum größer werden ließe. Vielleicht hat sie damit herumgespielt und als Nebeneffekt die Linkshändigkeit erzielt.«

»Ich dachte, Linkshändigkeit ginge auf einen Gehirnschaden zurück.«

»Das weiß niemand. Ich denke, daß sogar Hiroko davon überrascht ist.«

»Ich kann nicht glauben, daß sie mit den Chromosomen herumgefummelt hat zwecks Gehirnentwicklung.«

»Bedenke — Ektogene sind leichter zugänglich.«

»Wie ich höre, ist ihre Knochendichte schwach.«

»Das stimmt. Auf der Erde haben sie Schwierigkeiten. Sie sind auf Hilfsgeräte angewiesen.«

»Das ist wieder das Ge. Das macht uns allen wirklich Schwierigkeiten.«

»Erzähl mir davon! Ich habe mir den Unterarm gebrochen, als ich einen Tennisschläger geschwungen habe.«

»Linkshändige große Vogelmenschen, das ist es, was wir hier züchten. Das ist bizarr, wenn du mich fragst. Wenn man sie über die Dünen laufen sieht, könnte man meinen, daß sie gleich abheben und davonfliegen.«