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Charity und Skudder setzten sich hastig. »Was ist das?« fragte Charity nervös. »Was kommt da auf uns zu, Skudder?«

»Wenn es das ist, was ich befürchte«, murmelte Skudder, »brauchst du nur nach draußen zu sehen.«

Charity gehorchte - und ächzte fassungslos auf.

Zwei, drei Kilometer vor ihnen lag noch immer die Wand des Hurrikans - aber dahinter bewegte sich etwas. Etwas Großes.

Eine Sekunde später verbesserte sie sich in Gedanken. Nein - es war nichts Großes. Es war etwas Gigantisches.

»Was ... ist ... das?« flüsterte sie stockend.

»Ein Läufer«, antwortete Skudder. »Großer Gott, es ist ein Läufer! Leßter - starten Sie!«

»Ich versuche es ja«, antwortete der junge Soldat. »Aber die Maschinen müssen warmlaufen. Wir haben nicht genug Schub. Wenn ich jetzt abhebe, fallen wir in den Schnee - wollen sie das?« Seine Stimme klang ganz ruhig, fast ausdruckslos. Dabei mußte er das gigantische Etwas so deutlich gesehen haben wie sie.

»Wie lange brauchen Sie?«

»Mit vollem Risiko? Eine Minute.«

Charity hatte Mühe, überhaupt zuzuhören. Der Schatten hinter dem Sturm war näher gekommen, entsetzlich schnell näher. Die Entfernung, das Toben der Sturmböen und seine eigene, unvorstellbare Größe ließen seine Bewegungen langsam und schwerfällig erscheinen, aber sie waren weder das eine noch das andere.

Der Läufer sah aus wie ein ins Gigantische vergrößerter Käfer. Sein Körper bewegte sich auf zehn oder zwölf riesigen, vielfach unterteilten Beinen, die das Ungeheuer mit jedem Schritt fünfzig oder hundert Meter weiter trugen, und war von mattsilberner, blind gewordener Farbe. Eine Anzahl buckeliger Auswüchse und Kuppeln auf dem vorderen Drittel seiner Oberfläche ließen ihn tatsächlich für einen Moment wie etwas Lebendiges aussehen, und er schien heißer zu sein als der ihn umgebende Schnee, denn er war in eine brodelnde Dampfwolke gehüllt. Es sah aus, als atme er..

»Fünfundvierzig Sekunden«, sagte Leßter.

»Was ist das?« wiederholte Charity. Diesmal antwortete Skudder. »Ich ... habe so etwas auch erst einmal gesehen. Wir waren in ein gesperrtes Gebiet vorgedrungen. Ich weiß nicht, was es ist, aber es zerstört alles. Häuser, Fahrzeuge, ganze Städte.«

»Dreißig Sekunden«, sagte Leßter. Auch seine Stimme klang jetzt ein wenig gepreßt. »Es wird knapp. Ich kann nicht versprechen, ob ich die Kiste hochkriege.«

»Was ist mit der Bordkanone?« fragte Faller. Er deutete auf die Kontrollen des schweren Röntgen-Lasers, der im Bug des Flugzeuges eingebaut war.

»Vergiß es«, knurrte Leßter. »Ich brauche jedes bißchen Saft, um die Kiste hochzukriegen.«

Und außerdem bezweifelte Charity, daß sie das Monstrum mit dem Laser aufhalten konnten.

»Zehn Sekunden!«

Die Triebwerke heulten auf. In diesem Moment trat der Läufer vollends aus der Sturmfront heraus und drehte sich mit einer schwerfällig aussehenden Bewegung halb herum, bis sich sein vorderes Ende genau auf das Flugzeug ausgerichtet hatte. Charity sah, daß die Ähnlichkeit mit einem Käfer noch weiter ging - das Monstrum hatte tatsächlich ein gewaltiges Maul, das von zwei riesigen Mandibeln flankiert wurde. Wieder hatte sie für einen schrecklichen Moment das Gefühl, etwas Lebendigem gegenüberzustehen, das sie voller Haß und Bosheit anstarrte.

»Fünf Sekunden! Vier, drei - haltet euch fest!«

Die Triebwerke brüllten auf. Unter dem Flugzeug explodierte der Schnee zu kochendem Dampf, als er von den weißglühenden Abgasstrahlen der um neunzig Grad gekippten Triebwerke getroffen wurde. Ein schwerfälliges, mühsames Zittern lief durch den Rumpf des Flugzeuges. Für Sekunden waren sie blind, als der hochschießende Dampf ihnen die Sicht nahm.

Aber Charity spürte, wie die Maschine sich vom Boden löste und abhob, zitternd, widerwillig, brüllend wie ein Tier im Todeskampf, aber sie bewegte sich, gewann taumelnd und bockend an Höhe und glitt schließlich aus der Dampfexplosion heraus. Charity keuchte vor Schrecken, als sie sah, wie nahe der Läufer ihnen bereits gekommen war. Seine turmhohen Metallbeine wirbelten wie die einer Spinne, die ihrer Beute nachstellte.

»Wir schaffen es!« schrie Leßter. »Ja! Sie kommt hoch! Los, Baby, los - flieg! Wir schaffen es!«

»Nein«, sagte Phillipsen ganz ruhig. »Wir schaffen es nicht.«

Der Läufer war noch hundert oder zweihundert Meter entfernt. Sieben oder acht Schritte, die halbe Zahl von Sekunden. Sein gewaltiges, klaffendes Stahlmaul und die schnappenden Mandibeln, die nichts anderes als riesenhafte Greifer mit messerscharfen Kanten waren, befanden sich fast auf gleicher Höhe mit der Pilotenkanzel des Flugzeuges.

Ein weiterer Schritt. Eine halbe Sekunde. Das Flugzeug stieg weiter. Dann schrie Leßter auf, und Charity spürte, wie die Superguppy II über die rechte Tragfläche abkippte.

Der Läufer befand sich noch fünfzig Meter vor ihnen, als sich das Flugzeug krachend in den Schnee bohrte und zerbrach.

4

Während der letzten halben Stunde hatte sich French allmählich mit dem Gedanken vertraut gemacht, zur Erde zurückzukehren. Und er hatte Angst davor. Panische Angst.

Er fragte sich, warum das so war. Sie alle mußten eines Tages zurück zur Erde, der eine eher, der andere später - obwohl das Gerücht ging, daß sich der Alte zum Beispiel wohl noch weitere drei Generationen im Hort halten würde, so wie er bereits drei Generationen überlebt hatte - und im Grunde war sogar diese Formulierung falsch. Denn war die Erde nicht das Paradies, in dem sie alle eines Tages für ihre Mühen und Entbehrungen im Hort belohnt werden würden? Jedenfalls hatte man ihm das erzählt. French fragte sich nur, warum er dann solche panische Angst vor der Heimkehr hatte.

Zum wahrscheinlich hundertsten Mal in den letzten zehn Minuten sah er auf die Anzeige seines Luftvorrates. Wenn er der kleinen roten Nadel glaubte, dann hätte er längst tot sein müssen, denn das Gerät zeigte ihm schon seit gut fünf Minuten nichts mehr an. Entweder war der Tank auf seinem Rücken tatsächlich leer und er atmete nur noch die Reste, die sich darin gesammelt hatten und zu gering waren, um den Zeiger noch zu bewegen - oder das Instrument hatte einfach vor der Schwere kapituliert. Aus naheliegenden Gründen favorisierte French im Moment die zweite Möglichkeit - zumal einiges dafür sprach.

Er war tiefer in die Schwere Zone vorgedrungen als jemals ein Mensch vor ihm. Zumindest als alle, die zurückgekommen waren. Jede Bewegung kostete ihn unendliche Kraft, und selbst das Atemholen war längst zu einer bewußten Tätigkeit geworden, die einen Großteil seiner Konzentration beanspruchte. Und es wurde schlimmer, mit jedem Schritt, den er sich weiterquälte. Manchmal sah er seine Umgebung nur noch wie durch einen blutigen Schleier, und French fühlte etwas, was die wenigsten Menschen jemals bewußt gefühlt hatten: das Gewicht seiner eigenen Organe. Es war, als hingen Bleigewichte an seinem Herz, den Lungen, dem Magen und allem anderen, und manchmal glaubte er, das Gleiten seines eigenen Blutes zu spüren, das sich nur noch mühsam durch plötzlich zu eng gewordene Adern zwängte. Kein Zweifel - er hatte die Gewichtskrankheit. Er würde wochenlang fiebernd daliegen und von Glück sagen können, wenn er keine bleibende Schäden oder gar Verkrüppelungen davontrug.

French hätte gelacht, hätte er noch den nötigen Atem dazu gehabt, als ihm die Absurdität dieses Gedankens zu Bewußtsein kam. Nein - um irgendwelche Verkrüppelungen oder bleibende Schäden brauchte er sich wirklich keine Sorge zu machen. Der einzige bleibende Schaden, der ihm im Moment zu denken gab, war ein ziemlich lang bleibender Tod...