Выбрать главу

In unvermindertem Galopp bewegten sie sich nach Osten, sprengten einen Hügel hinan und auf der anderen Seite wieder hinab, ritten an einem schmalen Waldstück vorbei und schlugen, der Krümmung des Tales folgend, einen leichten Bogen in südlicher Richtung. Vor ihnen waren Geräusche: Pferdegetrappel, das Scheuern von Metall auf Leder, gedämpfte Rufe und das Raunen einer großen Menschenmenge, dann ein plötzlicher, überraschter Aufschrei. Die Sachsen.

Der Xantener stieß einen gellenden Schrei aus, riß den Balmung aus der Scheide und jagte los, daß Hagen und die Nibelungen Mühe hatten, ihm zu folgen. Immer mehr Reiter tauchten aus dem Schneesturm auf. Ihr Anblick schien Siegfrieds Kampfeslust noch zu steigern.

Dann stießen sie zusammen.

Hagen vermochte sich hinterher nicht mehr an Einzelheiten zu erinnern: Die ersten Augenblicke des Kampfes waren wie ein Alptraum, eine schreckliche Vision von stürzenden Leibern, reißendem Leder, zerbrechendem Stahl, sich aufbäumenden Pferden und Blut. Die Sachsen waren durch den plötzlichen, überraschenden Angriff wie erstarrt - vielleicht lahmte sie auch der Anblick Siegfrieds, der allen voran, schreiend, mit flammendem Gesicht wie ein Dämon aus dem Schneegestöber brach und seine gewaltige Klinge schwang; sekundenlang schienen sie unfähig, sich zu wehren oder gar selbst zum Angriff überzugehen, und als sie endlich ihren Schrecken überwanden, hatten Siegfried und seine Reiter ihre Reihen bereits durchbrochen und eine blutige Bresche in ihre Formation getrieben. Und bevor sich die Lücke hinter ihnen schließen konnte, war das Hauptheer der Burgunder heran. Die Luft war plötzlich voller schwirrender Pfeile. Rings um Hagen und die Nibelungen schrien Getroffene auf und sanken kraftlos aus den Sätteln. Die Erde bebte, als die beiden Heere wie zwei gepanzerte Ungeheuer aufeinanderprallten. Die Sachsen, durch Siegfrieds ungestümen Angriff überrumpelt, wichen schon unter dem ersten Ansturm der burgundischen Reiterei zurück. Ehre Reihen wankten; Fußsoldaten versuchten, sich vor den heranjagenden Reitern in Sicherheit zu bringen, und liefen rückwärts in die gesenkten Lanzen ihrer Hintermänner, Berittene stürzten aus den Sätteln, als ihre Pferde getroffen zusammenbrachen oder sich in wilder Panik aufbäumten. Hagen erhaschte einen Blick auf Gernot, der Seite an Seite mit Dankwart und Volker focht. Hagen sah mit Genugtuung, wie sie sich mit vereinten Kräften in die Bresche warfen und die nachdrängenden Sachsen zurückschlugen. Dann wandte er sich um und suchte den Xantener.

Siegfried war bereits weit vor ihm. Sein Schwert hieb eine blutige Bahn durch die Reihen der Sachsen, und kaum einer von ihnen machte einen ernsthaften Versuch, sich ihm in den Weg zu stellen. Der Xantener kämpfte wie ein Besessener. Allein sein Anblick raubte den Sachsen jeglichen Mut und Kampfgeist Selbst Hagen spürte den Sog jener übernatürlichen Kraft, der den Xantener wie ein unsichtbarer Schild umgab, gefährlicher noch als das Schwert in seinen Fäusten. Hagen war für einen Moment abgelenkt, und um ein Haar hätte ihn dieser Moment der Unaufmerksamkeit das Leben gekostet. Siegfrieds Reiter waren vorausgestürmt, um ihrem Herrn zu folgen; Gernot und die anderen waren hinter ihm. Sekundenlang war Hagen allein in einem Meer von Feinden.

Ein halbes Dutzend Sachsen griff ihn gleichzeitig an. Hagen riß seinen Schild hoch, fing gleich zwei Schwerthiebe damit auf und schlug eine Lanze, die nach seiner Brust stach, mit dem Schwert beiseite. Etwas traf seinen Hinterkopf und warf ihn nach vorne; ein dumpfer Schmerz schoß durch seinen Schädel und seine Schultern, aber er beachtete ihn nicht, riß abermals seinen Schild in die Höhe und hieb wie wild um sich. Ein Schwert traf ihn, zerschnitt seinen Mantel und sein Wams und zerbrach an dem Kettenhemd, das er darunter trug. Sein Pferd kreischte, als die Klinge an seiner Flanke entlangschrammte und eine lange, blutige Spur hinterließ. Hagen tötete den Mann mit einem blitzschnellen geraden Stich, stieß einen zweiten mit dem Schild aus dem Sattel und wankte unter einem Hagel von Hieben, die plötzlich auf ihn herunterprasselten, blieb aber im Sattel. Ein harter Schlag traf seinen Helm; die Klinge rutschte am Eisen ab und schnitt eine Linie aus brennendem Schmerz in sein Gesicht, als würde ein glühender Draht in seine Haut gepreßt. Hagen schrie auf, schlug blind um sich, spürte, wie er etwas traf, und versuchte gleichzeitig das Blut wegzublinzeln, das ihm die Sicht nahm.

Dann war es vorüber. Ein Pfeil jagte mit häßlichem Zischen an ihm vorbei und bohrte sich durch das Kettenhemd des Sachsen, der ihm den Hieb versetzt hatte, und plötzlich waren die Mäntel der Männer, die ihn umgaben, rot.

Eine Hand berührte ihn an der Schulter. Hagen fuhr herum, ließ erleichtert Schwert und Schild sinken und strich sich mit dem Handrücken über die Augen. Die Berührung schmerzte, aber er konnte wenigstens mit dem rechten Auge wieder klar sehen.

»Hagen!« Gernot sog erschrocken die Luft ein, als er in Hagens Gesicht blickte. »Großer Gott! Was ist mit Eurem Gesicht?« Hagen tastete mit der Hand nach seiner Stirn. Sein linkes Auge war geschlossen und schmerzte, und er fühlte Blut. Aber die Anspannung verhinderte, daß er den Schmerz in seinem vollen Ausmaß spürte. »Das ist nichts«, sagte er. »Nur ein Kratzer. Wie ist die Lage?« Gernot sah ihn zweifelnd an, mußte sich aber sagen, daß jetzt nicht der richtige Moment war, mit Hagen zu streiten. Die Gasse, die Siegfried mit seinem ungestümen Vorpreschen geschaffen hatte, war breiter geworden und hatte sich mit Männern aus den eigenen Reihen gefüllt, und mehr und mehr Reiter in den flammendroten Umhängen Burgunds drängten nach und vertieften die Wunde, die das sächsische Heer davongetragen hatte. Rings um Gernot und Hagen war der Kampf zum Erliegen gekommen, da keiner der Angreifer überlebt hatte. Aber es war nur eine winzige Insel der Ruhe, um die herum die Schlacht mit unverminderter Wucht tobte.

»Nicht schlecht«, antwortete Gernot mit einiger Verspätung auf Hagens Frage. »Sie laufen davon wie die Hasen. Aber wenn sie erst einmal merken, wie wenige wir sind, kann sich das schnell ändern.«

»Dann dürfen wir nicht zulassen, daß sie es merken«, sagte Hagen. Er hob sein Schwert und wollte nach den Zügeln greifen, um sich wieder in den Kampf zu stürzen, aber Gernot hielt ihn zurück. »Ihr seid verwundet. Hagen«, sagte er. »Reitet zurück - Ihr habt genug getan, und es ist keinem damit gedient, wenn Ihr fallt«

Statt einer Antwort schlug Hagen seine Hand herunter und preschte los. Es war der unheimlichste Kampf, den Hagen jemals erlebt hatte. Der Sturm tobte mit ungebrochener Kraft und begleitete die Schreie der Sterbenden und Verwundeten mit Hohngelächter, und der wirbelnde Schnee machte es unmöglich, weiter als zehn oder fünfzehn Schritte zu sehen. Oft genug konnte Hagen nur ahnen, ob er Freund oder Feind vor sich hatte. Ein- oder zweimal glaubte er Siegfried vor sich zu erkennen, aber es gelang ihm nie, ihn einzuholen. Er verlor die Orientierung. Sie mußten sich bereits tief im Herzen des sächsischen Heeres befinden, ein gewaltiger Stoßkeil, der die Flanke des feindlichen Heeres gespalten hatte und sich wie ein tödlicher Pfeil tiefer und tiefer in seinen Leib bohrte. Aber Hagen erkannte auch die Gefahr, die ein solches Vorgehen barg. Irgendwann würde der Strom von Reitern, die scheinbar aus dem Nichts auftauchten und die Bresche füllten, versiegen. Die Burgunder kämpften besser als ihre Gegner, und nur ganz wenige von denen, die erschlagen auf dem Boden lagen, trugen das Rot Burgunds. In diesem Punkt hatte der Kundschafter die Wahrheit gesagt: Lüdegers Männer waren in schlechter Verfassung, und ihre Bewaffnung konnte sich mit der der Burgunder nicht messen. Aber für jeden, den sie erschlugen, warteten drei andere hinter der tosenden Wand aus Schnee. Sie hatten das feindliche Heer gespalten, aber in Wahrheit waren sie in der Lage eines todesmutigen kleinen Hundes, der sich wütend in die Flanke des Bären verbissen hatte und dessen Kraft früher oder später erlahmen mußte. Der Kampf dauerte erst wenige Minuten, und bisher beteiligte sich nur ein Bruchteil des sächsischen Heeres überhaupt an der Schlacht. Wenn die Sachsen ihre Überraschung erst überwunden hatten und sich den Burgundern mit ihrer ganzen Macht entgegenwarfen, konnten sie sie allein durch ihre Überzahl erdrücken.