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»Vielleicht«, murmelte Alberich. »Vielleicht auch nicht, was spielt das für eine Rolle? Ich sehe, Ihr tragt ein Schwert Wozu?« »Das Fleisch ist zäh«, antwortete Hagen wütend. »Ich muß es schneiden.«

»Wessen Fleisch? Siegfrieds?« Alberich gab einen glucksenden Laut von sich. »Ein Schwert aus Stahl wird dazu nicht reichen, Hagen, glaubt mir. Wie habt Ihr Euch entschieden?« »Interessiert dich das wirklich?«

»Wahrscheinlich könnte ich mir die Frage ersparen«, erwiderte Alberich. »Denn ganz egal, was Ihr tut, es ist falsch. Ich bin enttäuscht von Euch, um ehrlich zu sein. Ich dachte, Ihr würdet abreisen oder Euch wenigstens umbringen. Aber so...« Er lachte, hob den rechten Fuß und stieß gezielt Hagens Becher um. »Aber trotzdem - es interessiert mich. Wie habt Ihr Euch entschieden?«

»Warum wartest du nicht ab?« murrte Hagen. »Nicht mehr lange, und du wirst es erfahren.« Er deutete mit der Hand auf Gunther, der sein Gespräch mit Gernot beendet hatte und schon eine geraume Weile in seine Richtung sah. In seinen Augen stand ein fragender Ausdruck, eine Spur Unsicherheit. Es war nicht Furcht, aber eine bedenkliche Unruhe. Hagen deutete ein Nicken an, das Gunther erwiderte, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und spannte sich. Gunther erhob sich mit einer nicht mehr ganz sicheren Bewegung, nahm seinen Becher in die rechte und schlug mit den beringten Fingern seiner linken Hand ein paarmal dagegen. Das Geräusch war nicht sehr laut, aber es drang doch durch den Lärm der Zechenden, und wer es nicht vernahm, der wurde von seinem Nachbarn rasch zum Schweigen gebracht. Es dauerte kaum eine Minute, bis sich Stille über den großen Saal ausgebreitet und sich alle Gesichter dem Burgunderkönig zugewandt harten.

Gunther stellte seinen Becher ab und räusperte sich. Ein Diener trat leise hinter Hagen und wollte den umgestürzten Becher durch einen neuen ersetzen, aber Hagen winkte ungeduldig ab. Auch Alberich saß gespannt und beugte sich vor.

»Meine Freunde«, begann Gunther. Seine Stimme war fest, aber Hagen hörte heraus, daß er sich Mut angetrunken hatte, gerade genug, um noch mit sicherer Zunge reden zu können. »Freunde von Burgund und Worms«, sagte Gunther, »Edle und Könige, Ritter und Helden, die Ihr zusammengekommen seid, um mit Uns den Sieg zu feiern und Gott zu danken - der Augenblick ist gekommen, das zu tun, was schon lange hätte getan werden müssen.«

Er hielt einen Augenblick inne, und Hagen nutzte die Pause, um zu Siegfried und Kriemhild hinüberzusehen. Die Züge des Xanteners waren ausdruckslos ernst; nur in seinen Augen glitzerte ein leiser Triumph. Er wirkte nach wie vor gelöst, während Kriemhild sichtlich Mühe hatte, ihre Fassung zu bewahren. Sie sah krampfhaft nicht in Siegfrieds Richtung. Ein dumpfes Gefühl von Schuld stieg in Hagen auf. Er verscheuchte es. »Alle, die hier versammelt sind«, fuhr Gunther fort, »wissen, wem wir den Sieg zu verdanken haben. Es waren Lüdeger und Lüdegast, die Könige der Sachsen und der Dänen, die Uns und Unserem Reich den Krieg erklärten, und es war tin Mann, der sie schlug.« Er lächelte und hob sein Glas, wenn auch in keine bestimmte Richtung. Der schale Geschmack in Hagens Mund verstärkte sich.

»Mit dem heutigen Tag«, fuhr Gunther mit erhobener Stimme fort, »feiern wir nicht allein den glücklichen Ausgang der Schlacht und die siegreiche Heimkehr unserer Helden. Es war Gott, der Uns und Unseren Verbündeten die Kraft gab, die feindlichen Heere zu schlagen, obwohl sie uns an Zahl weit überlegen waren. Aber Gott der Herr spricht auch: Liebe deine Feinde, und so war es derselbe Mann, der sie schlug und der Uns geraten hat, nicht Böses mit Bösem zu vergelten und der Rache zu entsagen. Es ist zuviel Blut geflossen, und kein Gold der Welt kann die Toten wieder lebendig machen und geschlagene Wunden verschließen. Lüdeger und Lüdegast sind frei. Morgen, wenn die Sonne aufgeht, wird ein Schiff bereitliegen, sie nach Hause zu bringen.« Ein erstauntes Raunen ging durch den Saal. Es war bekannt gewesen, daß Gunther nicht beabsichtigte, die beiden feindlichen Könige zeitlebens als Gefangene in Worms zu behalten oder ihnen den Prozeß zu machen und sie zu töten, wozu er berechtigt gewesen wäre. Aber die großmütige Geste, sie ohne jegliche Bedingung/und ohne jede Forderung auf Lösegeld oder Wiedergutmachung ziehen zu lassen, kam für die meisten doch überraschend.

»Es war ein Mann«, fuhr Gunther, weiterhin zum Saal und zu den versammelten Gästen gewandt, fort, »der verhinderte, daß Unsere Länder überrannt, Unsere Untertanen erschlagen oder versklavt und Unsere Städte gebrandschatzt wurden. Ein Mann, der vor einem Jahr in Unsere Stadt kam, um sie zu erobern. Aber er legte das Schwert aus der Hand und bot Uns statt dessen Freundschaft Wäre er nicht, säße keiner von uns mehr hier, und über Worms würden die Fahnen der Sachsen und Dänen wehen. Unser Freund und treuester Verbündeter - Siegfried von Xanten.«

Er drehte sich halb herum und wies auf Siegfried, der sich zögernd, als begriffe er erst jetzt, daß er gemeint war, aus seinem Stuhl erhob. Ehe die Gäste in Hochrufe ausbrechen konnten, fuhr Gunther fort. »Unser Freund und Verbündeter«, wiederholte er. »Der Mann, der die Sachsen geschlagen und ihren König als Gefangenen zu meinen Füßen geworfen hat Dieses Fest, Siegfried, wird zur Feier Unseres Sieges gegeben, aber vor allem feiern wir es zu Euren Ehren und Euch zum Dank, daß Uns Unser Reich und vielen Unserer Recken das Leben erhalten blieb. Wir danken Euch, Siegfried von Xanten.«

»Ist er verrückt?« murmelte Alberich. »Steckt man dem Wolf auch noch die Hand in den Rachen, wenn er nach einem schnappt?« Hagen lächelte wissend. Möglicherweise war es nicht sehr geschickt, Siegfrieds Zuversicht mit solch überschwenglichen Worten noch zu schüren. Aber er konnte verstehen, warum Gunther so handelte. Konnte man es ihm verübeln, daß er den ersten und vielleicht einzigen Triumph, den er jemals in diesem ungleichen Kampf haben würde, in vollen Zügen auskosten wollte?

»Und so frage ich Euch, Siegfried von Xanten«, fuhr Gunther nach einer wohlberechneten Pause fort, »welches Begehr habt Ihr? Die Könige von Worms und das Volk von Burgund schulden Euch mehr als schöne Worte, und es sei Euch auf der Stelle gewährt.« Er holte zu einer weiten Geste aus. »Gold und Silber, die Hälfte meines Reiches oder der Platz zu meiner Rechten - was immer Ihr begehrt, Siegfried, es sei Euer.« Siegfried antwortete nicht gleich. Obwohl er sich mit Sicherheit auf diesen Moment vorbereitet hatte, schien er etwas verwirrt. Vielleicht überraschte ihn Gunthers unerwartete Großzügigkeit; ein Mann bot nicht sein halbes Reich an, wenn der zu Beschenkende Siegfried hieß, denn er könnte es nehmen. Aber der Moment der Unsicherheit ging rasch vorüber, und auf seinen Zügen erschien wieder das altbekannte, selbstbewußte Lächeln, verbrämt mit einer Spur Bescheidenheit »Ich ... danke Euch, Gunther von Burgund«, sagte Siegfried. »Euer Großmut beschämt mich, und Euer Angebot ist großzügiger, als es meine bescheidene Tat verdient. Was ich getan habe, habe ich aus Freundschaft getan, nicht um irgendeiner Belohnung willen.« »Wir wissen das«, antwortete Gunther lächelnd. »Doch was Wir Euch bieten, bieten Wir Euch aus Freundschaft, nicht um Euch zu bezahlen. Nennt Euren Wunsch. Es ist Uns zu Ohren gekommen, daß Ihr einen solchen hegt.«