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»Warum?« Gunther lachte bitter. »Weil es mein Tod gewesen wäre. Hätte ich mich geweigert, mit ihm zum Isenstein zu fahren, so hätte er endlich den langersehnten Grund gehabt, sich Worms mit Gewalt zu nehmen. Und niemand hätte es ihm verübelt, denn wer will noch einen König seinen Freund nennen, der sein Wort bricht? Und wäre ich allein gekommen, wäre ich getötet worden, wer hätte dann Worms und meine Schwester beschützt? Nein, mein Freund - ich muß leben. Nicht um meinetwillen, glaube mir. Könnte ich alles ungeschehen machen, nur um den Preis meines Lebens, so täte ich es, ohne zu zögern. Aber es geht schon lange nicht mehr nur um mich.«

»Ihr ... habt mir noch immer nicht gesagt, weshalb Ihr mich gerufen habt«, sagte Hagen.

Gunthers Augen verdunkelten sich. »Morgen wird Siegfried Brunhild besiegen«, sagte er statt einer Antwort. »Und ich werde sie nach Worms heimführen und zum Weibe nehmen.«»Und ich?« beharrte Hagen. »Was verlangt Ihr von mir?« Gunther suchte nach Worten. »Ich verlange nichts von dir«, sagte er schließlich. »Ich ... ich erbitte einen Freundschaftsdienst. Ich möchte daß...«

Er stockte. Er hatte plötzlich nicht mehr die Kraft, Hagens Blick stands halten. »Töte ihn«, sagte er leise. »Nimm dein Schwert und erschlage diesen Hund, Hagen.«

»Mord?« fragte Hagen kalt, ohne die geringste Spur eines Gefühls in der Stimme. »Ihr wollt mich zu einem Mord dingen?« »Was heißt hier Mord?« schnaubte Gunther. »Ich verlange keinen Mord von dir, Hagen. Hat er uns nicht tausend Gründe gegeben, ihn zu töten? Hat er den Tod nicht hundertfach verdient, seit er Worms betreten hat?« »Das war etwas anderes«, widersprach Hagen. »Gebt mir einen Grund, einen einzigen, triftigen Grund, und ich werde diesem Bastard vor Brunhilds Augen die Kehle herausreißen. Aber einen Mord begehen? Nein, mein König.« Er war ganz ruhig. Gunthers Vorschlag war so ungeheuerlich, daß er sich weigerte, ihn ernsthaft in Betracht zu ziehen. Gunther versuchte nicht, Hagen umzustimmen. Es war die Förmlichkeit der Anrede, die Hagens Weigerung endgültig machte, die Tatsache, daß er ihn mein König nannte, nicht Gunther, nicht mein Freund, sondern mein König. Indem er sich auf diese Weise unter ihn stellte, nahm er ihm jede Möglichkeit, noch einmal in ihn zu dringen. Gunther sagte nichts mehr, und auch Hagen schwieg. Nach einer Weile drehte er sich um und verließ den Raum.

7

Obwohl er müde war, fand er in dieser Nacht keinen Schlaf. Alberich hatte ihn in ihre Unterkunft gebracht; eine fensterlose, rechteckige Kammer, die er sich zwar mit Dankwart teilen mußte, die aber nicht weniger wohnlich eingerichtet war als die Gunthers. Obgleich ihn Dankwart mit Fragen bestürmt hatte, hatte er kaum geantwortet. Er hatte sich nur notdürftig von ihm seine Wunde versorgen lassen und sich dann halb angekleidet auf seinem Lager ausgestreckt und so getan, als schliefe er. Aber er schlief nicht Gunthers Worte klangen ihm noch immer in den Ohren, und das Entsetzen über sie stellte sich erst jetzt richtig ein. Nimm dein Schwert und erschlage diesen Hund... Die eiskalte Ruhe, die ihn zuvor erfüllt hatte, war einem tiefen, schmerzlichen Erschrecken gewichen. Nimm dein Schwert und erschlage ihn.

Warum jetzt? dachte Hagen bitter. Nach den zahllosen Vorwänden, die Siegfried ihnen geliefert hatte - warum ausgerechnet jetzt? Weil Siegfried durch den geplanten Schwindel Gunther nun endgültig in der Hand haben würde? Weil Gunther es nicht ertrug, den Mitwisser seiner verlorenen Ritterehre um sich zu haben?

Irgendwann, zu einer Stunde, in der über dem Isenstein schon wieder die Sonne aufgehen mochte, fiel er doch in einen unruhigen, von Träumen heimgesuchten Schlaf, aus dem ihn Dankwart durch rohes Rütteln an der Schulter weckte.

»Brunhild erwartet uns«, sagte Dankwart müde und abgespannt Hagen fuhr hoch und blieb einen Moment reglos sitzen, weil ihn von der plötzlichen Bewegung schwindelte. Ein schlechter Geschmack war in seinem Mund, und sein Herz schlug schnell. Er atmete einige Male langsam und tief ein und wartete, bis sich sein Herzschlag beruhigt hatte. Dann stand er auf und spülte den pelzigen Geschmack auf seiner Zunge mit einem Schluck Wein hinunter. »Laß uns gehen«, sagte er.

Dankwart rührte sich nicht. »Ich möchte wissen, was du mit Gunther gesprochen hast«, sagte er. Hagen seufzte. Er hatte keine Lust, das Gespräch vom vergangenen Abend fortzusetzen, aber er kannte seinen Bruder gut genug, um zu wissen, daß er keine Ruhe geben würde. »Über dies und das«, antwortete er ausweichend. »Für wie dumm hältst du mich«, sagte Dankwart aufgebracht. »Willst du mir weismachen, Gunther hätte dich und mich hierhergerufen, nur um mit dir über dies und das zu reden? Ihr habt über Siegfried gesprochen.« »Sicher«, sagte Hagen. »Über ihn auch.« »Du verschweigst mir etwas!«

»Ja«, antwortete Hagen. »Das tue ich. Und nun komm. Brunhild wartet« Als sie die Kammer verließen und auf den Gang hinaustraten, tauchten goldgepanzerte Kriegerinnen neben ihnen auf, so daß Dankwart nichts anderes übrigblieb, als ihnen schweigend zu folgen. Aber Hagen wußte, daß sein Bruder es nicht dabei bewenden lassen würde. Brunhild erwartete sie in ihrem Thronsaal. Der Raum war nur wenig größer als das Gemach Gunthers und völlig schmucklos eingerichtet Immerhin war es bis jetzt der erste Raum in dieser finsteren Burg, der eine Fensteröffnung hatte, ein schmales Viereck, durch das ein Streifen grauverhangenen Himmels zu sehen war und das vom licht der Fackeln und Kohlebecken flackernd überstrahlt wurde.

Brunhild saß auf einem Thron, der seitwärts zur Tür stand, so daß ihr Gesicht nur als schattiges Profil gegen das Grau des Fensters auszunehmen war. Sie gab durch keine Bewegung zu erkennen, ob sie Hagens und Dankwarts Eintreten bemerkt hatte.

In drei Schritten Abstand vom Thron blieben sie stehen. Hagen spürte den Blick seines Bruders und auch die Unruhe, die ihn erfüllte, aber Dankwart regte sich nicht, sondern verharrte ebenso starr wie die Walküre selbst.

»Geht hinaus, Dankwart von Tronje«, sagte Brunhild unvermittelt Hagen sah aus dem Augenwinkel, wie Dankwart zusammenfuhr, aber sein Respekt vor der Walküre war größer als seine Verärgerung; er zögerte einen Moment, dann senkte er das Haupt und ging rückwärts aus der Kammer. Eine der beiden Kriegerinnen folgte ihm, während die andere die Tür schloß und mit vor der Brust verschränkten Armen davor Aufstellung nahm. Obwohl ihr Gesicht hinter einer goldenen Halbmaske verborgen war, spürte Hagen, daß sie ihn scharf beobachtete und ihren Blicken keine seiner Bewegungen entging. Vielleicht nicht einmal seine Gedanken. Brunhild drehte den Kopf. »Ängstigt Euch meine Kriegerin? Ich kann sie hinausschicken, wenn Ihr es wünscht.« Hagen schüttelte den Kopf und verneinte. »Aber ihre Anwesenheit stört Euch«, stellte Brunhild fest »Was ist es, was Euch stört? Der Umstand, daß sie jedes Wort hören wird, das wir sprechen, oder die Brüste, die sich unter ihrem Harnisch verbergen?« Sie lachte spöttisch. »Verzeiht mir, Hagen von Tronje. Aber ich vergaß, daß Frauen im Leben eines Mannes wie Ihr eine ebenso geringe Rolle spielen wie Männer in meinem.«