Выбрать главу

Gunther trat einen weiteren Schritt vor, blickte Brunhild fest ins Gesicht, um sich dann auf das rechte Knie herabsinken zu lassen und ihren Saum zu küssen. Dann stand er auf, trat an Brunhilds Seite - so, daß Siegfried einen Schritt zurückweichen mußte - und ergriff ihre unverletzte Hand. »Meine Königin«, sagte er. »Seit ich das erste Mal von Eurer Schönheit und Euren Ruhmestaten hörte, war mein Herz in Liebe zu Euch entflammt. Und seit ich Euch das erste Mal von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, weiß ich, daß mein Leben leer sein würde ohne Euch.« Brunhilds Gesicht blieb ausdruckslos. Sie sah Gunther nicht an. Ihre Augen waren in die Ferne gerichtet »Nun aber ist mein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen«, fuhr Gunther nach einer Pause fort. »Brunhild, die Königin des Isensteines, ist mein.« Er hob etwas die Stimme. »Morgen, sobald die Sonne aufgegangen ist, werden wir mein Schiff besteigen und nach Worms zurücksegeln, auf daß sie mit ihrer Schönheit meine Burg erhelle.« »Morgen ... schon?« entfuhr es Brunhild. Die Maske königlicher Unnahbarkeit war erschüttert »Morgen«, wiederholte er, in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Er deutete eine leichte Verbeugung an und legte die Linke auf das Herz. »Ihr habt gefragt, was mein Begehr ist, meine Königin. Nun hört, was ich beschlossen habe: Wir segeln mit dem ersten Licht des Tages, und wenn die Götter und der Wind uns wohlgesinnt sind, werden wir Worms erreichen, ehe die Sonne das zehnte Mal aufgegangen ist. Zwei Eurer Dienerinnen mögen Euch begleiten, die anderen bleiben hier, denn Ihr werdet sie nicht mehr brauchen.«

»Verzeiht, Gunther«, mischte sich Siegfried ein, »aber Brunhild ist verletzt.«

Gunther wandte sich mit einer betont langsamen Bewegung um und maß den Nibelungen mit einem langen, abfälligen Blick Dann lächelte er bedauernd. »Ich weiß, Siegfried von Xanten«, sagte er. »Doch wir haben gute Ärzte in Worms, und je eher wir diese zu Rate ziehen, desto besser.« Brunhild versuchte zu antworten, aber ihre Lippen bewegten sich stumm. Gunthers Forderung kam zu überraschend. »Ich kann Euren Schrecken verstehen, meine Königin«, fuhr Gunther in sanftem Ton fort, der zugleich demütigend war, »und Euren Widerwillen, Land und Burg Eurer Väter zu verlassen. Doch dies Land mit seiner Kälte und seinen Stürmen ist nicht für meine Freunde und mich geschaffen. Und auch Ihr seid zu schade für die Einsamkeit und die Kälte hier. Ihr gehört an die sonnigen Ufer des Rheines, wo Euch mein Volk als seiner Königin huldigen kann.« Er schwieg einen Moment und wandte sich dann den versammelten Walkürenkriegerinnen zu. »Und nun zu euch«, fuhr er in ebenso freundlichem wie bestimmtem Ton fort. »Ihr habt die Worte eurer Königin vernommen. Nach euren eigenen Gesetzen bin nun ich der Herr des Isensteines. Und euer König.« Siegfried runzelte die Stirn. Er trat ein Stück vor und betrachtete Gunther scharf von der Seite.

Ein unwilliges Murren lief durch den Saal. Gunther wartete geduldig, bis wieder Ruhe eingekehrt war, ehe er weitersprach. »So hört nun, was ich beschlossen habe«, sagte er. »Diese Burg, dieses Land und eure Schwerter gehören nun mir, Gunther von Burgund. Doch Worms ist weit und mein eigenes Reich groß genug, daß eine Hand kaum ausreicht, es zu regieren. Die Mauern meiner Burg sind fest, und ich habe Waffen genug, sie gegen jeden Feind zu verteidigen. Meine Schatzkammern sind gefüllt mit den kostbarsten Kleinoden und mehr Gold, als ich auszugeben vermag, so daß ich nichts von dem begehre, was der Schatz der Walküre bereithalten mag. Die größte Kostbarkeit des Isensteines aber« - er wandte den Blick und lächelte Brunhild zu - »nehme ich mit mir, alles andere bedeutet mir nichts. Es ist deshalb mein Wunsch und Wille, daß ihr alle, die ihr Brunhild bisher so treu gedient habt, dafür belohnt werden sollt.« Er hob den rechten Arm und machte eine weit ausholende Gebärde. »Diese Burg soll unangetastet bleiben«, sagte er. »Niemand soll Anspruch auf diesen Thron erheben, wenn Brunhild fort ist, und ihr - Brunhilds Dienerinnen - sollt hier leben, solange ihr wollt und es den Göttern gefällt. Land und Lehen sollen unter euch aufgeteilt werden, ihr edlen Frauen, nach gerechtem Maß. Nehmt alles Gold und jegliches Ding von Wert und verteilt es unter euch. Morgen, wenn das Segel unseres Schiffes am Horizont verschwunden ist, sollen die Tore des Isensteines für jeden offenstehen, der Brunhild die Treue geschworen hat, und der Inhalt seiner Schatzkammern verteilt werden.« Aller Augen richteten sich auf Brunhild. Ein Wort, dachte Hagen schaudernd, eine Bewegung Brunhilds, und Gunther, Dankwart und er würden in Stücke gerissen.

Aber der Befehl kam nicht. Brunhild schien wie aus einem tiefen, betäubenden Schlaf zu erwachen. Ihr Blick war verschleiert, ihre Lippen blutleer.

Hagen bezweifelte, daß sie wirklich schon begriffen hatte, was Gunther ihnen allen in diesem Moment angetan hatte.

Brunhild nickte wie unter großer Anstrengung. »Ihr habt die Worte Gunthers von Burgund gehört«, sagte sie. »Sein ... Wunsch ist auch der meine.« Sie schloß für einen Moment die Augen und stand auf. »Und nun ... geht«

Gunther nickte. »Es sollen Botinnen zu allen Höfen und Burgen im Land reiten und meinen Befehl verbreiten«, sagte er. »Heute abend, wenn die Sonne sinkt, reitet ihr los.«

»Heute abend!« flüsterte Dankwart. »Wenn er dann noch lebt« »Still!« zischte Hagen. Niemand im Saal hatte sich gerührt, weder auf Brunhilds noch auf Gunthers Befehl. Hagen glaubte den Haß, der Gunther entgegenschlug, körperlich zu fühlen. Eine der Kriegerinnen - eine schlanke, sehr groß gewachsene Frau, die nur wenig kleiner als Siegfried war - löste sich aus ihrer Erstarrung und trat mit drohender Gebärde auf Gunther zu, die Hand auf dem Schwert. Die Klinge fuhr aus der Scheide. Die anderen folgten ihrem Beispiel.

Aber noch ehe ein Schwertstreich fiel, trat Brunhild dazwischen. »Laßt ab«, sagte sie. »Ich bitte euch, tut nichts, was Schande auf diese Burg und uns alle bringen würde.«

Hagen sah, wie nun auch Siegfrieds Rechte zum Griff des Balmung zuckte. Es war nicht klar, welcher Seite Siegfrieds Hilfe gelten würde, wenn er die Klinge zog.

Hagen nickte seinem Bruder zu, stieß eine der vor ihm stehenden Kriegerinnen beiseite und trat schützend vor Gunther. Dankwart tat es ihm gleich.

»Steckt die Waffen fort«, befahl Brunhild streng. »Ich weiß, daß euer Zorn ehrlich ist, und ich kann ihn verstehen, aber es wäre ein Verbrechen, würdet ihr eure Waffen gegen Gunther und die Seinen erheben. Gunther von Burgund hat mich im ehrlichen Kampf besiegt. Er ist euer rechtmäßiger Herrscher. Greift ihr ihn an, so ist es, als erhöbet ihr die Hand gegen mich. Geht jetzt und laßt uns allein. Wir selbst haben die Gesetze gemacht, nach denen er sich diesen Anspruch erworben hat«, fügte sie bitter hinzu.