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«Sie werden verstehen«, sagte Sir Thomas am Ende seines Vortrages,»wie sehr wir daran interessiert sein müssen, daß Sie Stellung nehmen und das Gesagte entweder bestätigen oder widerlegen.«

Jetzt wandte Lucas den Blick von mir ab und sah sich ziellos im Raum um.

«Das ist natürlich alles reiner Quatsch«, sagte er.

«Weiter«, sagte Sir Thomas.

«Das hat er sich doch nur ausgedacht. «Sein Verstand arbeitete wieder, und er arbeitete schnell. In gewissem Maße war auch die alte Forschheit wieder da.»Ich habe ihm mit Sicherheit nicht den Auftrag erteilt, irgendwelche Syndikate zu überprüfen. Ich habe ihm mit Sicherheit nicht gesagt, daß ich irgendwelche Zweifel an Eddys Zuverlässigkeit hätte. Ich habe nie mit ihm über diesen Phan-tasie-Mason gesprochen. Er hat das alles erfunden.«

«Und wozu?«fragte ich.

«Wie soll ich das wissen?«

«Ich habe nicht erfunden, daß ich zweimal hier gewesen bin, um mich über die vier Syndikate zu informieren und mir Notizen zu machen«, sagte ich.»Ich habe nicht erfunden, daß Eddy sich beschwert hat, weil ich ohne sein Wissen Einsicht in die Unterlagen genommen habe. Ich habe nicht erfunden, daß Sie meinen Mitarbeiter Chico viermal in meiner Wohnung angerufen haben. Ich habe nicht erfunden, daß Sie uns nach der Rückkehr aus Newmarket auf dem Parkplatz hier in der Nähe abgesetzt haben. Ich habe auch Peter Rammileese nicht erfunden, der vielleicht dazu… äh… zu einer Aussage bewegt werden könnte. Ich wäre im übrigen wohl auch in der Lage, diese beiden Schotten auf zutreiben, wenn ich es versuchte.«

«Wie das?«wollte er wissen.

Ich würde den kleinen Mark fragen, dachte ich. Er würde im Laufe der Zeit eine ganze Menge über die Freunde erfahren haben, der kleine Mark mit seinen scharfen Ohren.

Laut aber sagte ich:»Glauben Sie nicht, daß ich diese Schotten erfunden habe?«

Er sah mich unbewegt an.

«Ich könnte auch anfangen«, sagte ich langsam,»nach den wahren Gründen für das alles zu suchen. Die Korruptionsgerüchte bis zu ihren Wurzeln zurückverfolgen. Herausfinden, wer Ihnen außer Peter Rammileese noch ermöglicht, Mercedes zu fahren.«

Lucas Wainwright schwieg. Ich wußte nicht, ob ich wirklich all das zuwege bringen würde, was ich eben angedroht hatte, aber er würde sich in diesem Punkt wohl kaum auf eine Wette einlassen wollen. Wenn er mich nicht für fähig gehalten hätte, hätte er ja nicht versucht, mich loszuwerden. Ich berief mich auf sein Urteil, nicht auf meins.

«Wären Sie damit einverstanden, Lucas?«fragte Sir Thomas. Lucas blickte weiter in meine Richtung und schwieg.

«Andererseits«, sagte ich,»meine ich, daß die Sache erledigt wäre, wenn Sie zurückträten.«

Er starrte nun statt meiner Sir Thomas an. Dieser nickte mit dem Kopf.»Das wäre alles, Lucas. Nur Ihre Rücktrittserklärung, jetzt gleich und schriftlich. Wenn wir die bekommen, sehe ich keinen Grund, warum wir noch weitere Schritte unternehmen sollten.«

So ungeschoren war wohl noch nie jemand davongekommen, aber Lucas mußte es in diesem Moment schlimm genug vorkommen. Sein Gesicht war angespannt und blaß, um seinen Mund zuckte es.

Sir Thomas zog einen Bogen Papier aus einer Schublade seines Schreibtisches und einen vergoldeten Kugelschreiber aus der Innentasche seines Jacketts.

«Setzen Sie sich hierher, Lucas.«

Er stand auf und bedeutete Lucas, er solle sich an den Schreibtisch setzen.

Commander Wainwright ging mit steifen Beinen zum Schreibtisch und ließ sich zitternd auf dem ihm zugewiesenen Platz nieder. Dann schrieb er ein paar Worte, die ich danach zu lesen bekam: Ich erkläre hiermit meinen Rücktritt vom Posten des Direktors des Sicherheitsdienstes beim Jockey Club. Lucas Wainwright.

Er blickte in die ernsten Gesichter um sich herum, sah die Leute, die ihn gekannt, die ihm vertraut, die tagtäglich mit ihm zusammengearbeitet hatten. Seit seinem Eintritt in Sir Thomas’ Arbeitszimmer hatte er kein Wort zu seiner Verteidigung gesagt, keinerlei Einspruch erhoben. Ich dachte: Wie merkwürdig muß es für alle sein, sich mit der Notwendigkeit einer so tiefgreifenden Neuorientierung konfrontiert zu sehen.

Er stand auf, der Salz-und-Pfeffer-Mann, und ging zur Tür.

Als er an mir vorbeikam, blieb er kurz stehen und sah mich mit leerem, verständnislosem Blick an.

«Was braucht es«, sagte er,»um Sie zu stoppen?«

Ich antwortete nicht.

Was es brauchte, lag entspannt auf meinem Knie: vier kräftige Finger und einen Daumen — und Unabhängigkeit.

Kapitel 20

Charles und ich fuhren nach Aynsford zurück.

«Du kriegst trotzdem eine ordentliche Portion Gerichtsverhandlungen ab«, sagte er.»Da sind ja noch Ashe und Deansgate.«

«Es ist nicht so schlimm, wenn man nur als ganz gewöhnlicher Zeuge hin muß.«

«Das warst du inzwischen ja auch schon ein paar Mal.«

«Ja«, sagte ich.

«Ich frage mich, was Lucas Wainwright jetzt wohl machen wird.«

«Das weiß der liebe Gott.«

Charles warf mir einen Seitenblick zu.»Freust du dich denn überhaupt nicht?«

«Worüber soll ich mich denn freuen?«Ich war erstaunt.

«Über den besiegten Feind.«

«Ach ja?«sagte ich.»Und du, bei deinen Schlachten, was hast du gemacht, wenn du einen Feind ertrinken sahst? Dich gefreut? Ihn unter Wasser gedrückt?«

«Ihn gefangengenommen«, sagte er.

Nach einer Weile sagte ich:»Sein Leben wird von jetzt an wohl Gefängnis genug sein.«

Charles lächelte sein verstohlenes Lächeln und fragte zehn Minuten später:»Und vergibst du ihm auch?«

«Stell doch nicht so schwere Fragen.«

Liebe deine Feinde. Vergib. Vergiß. Ich war noch nie ein guter Christ, dachte ich. Ich konnte es schaffen, Lucas nicht zu hassen. Daß ich ihm vergeben konnte, glaubte ich nicht — vergessen jedenfalls würde ich nie.

Wir erreichten Aynsford, wo mir Mrs. Cross, die gerade ein Tablett nach oben in ihr Zimmer trug, berichtete, daß Chico sich sehr viel besser fühle, aufgestanden und in der Küche zu finden sei. Ich begab mich dorthin und fand ihn allein am Tisch sitzen und auf einen Becher Tee hinabstarren.

«Hallo«, sagte ich.

«Hallo.«

Ihm brauchte man nichts vorzumachen. Ich goß mir auch einen Becher Tee ein und setzte mich ihm gegenüber an den Tisch.

«War ziemlich übel, was?«fragte er.

«Ja.«

«Und ich war ganz schön weggetreten.«

«Mm.«

«Du nicht. Hat alles noch schlimmer gemacht.«

Wir saßen eine Weile schweigend da. In seinem Blick war eine Art Dumpfheit, die aber nichts mehr mit einer Gehirnerschütterung zu tun hatte.

«Glaubst du«, fragte er,»daß sie deinen Kopf nur deshalb in Ruhe gelassen haben?«

«Weiß ich nicht.«

«Könnte aber sein.«

Ich nickte. Wir tranken in kleinen Schlucken von unserem Tee.

«Was haben sie gesagt, heute?«fragte er.»Die Obermohren?«»Sie haben zugehört, Lucas ist zurückgetreten, Ende der Geschichte.«

«Für uns nicht.«

«Nein.«

Ich bewegte mich steif auf meinem Stuhl.

«Was machen wir?«

«Mal sehen.«

«Ich könnte nicht…«Er verstummte. Er sah müde, krank und völlig mutlos aus.

«Nein«, sagte ich,»ich auch nicht.«

«Sid… ich glaube… ich habe genug.«

«Was willst du machen?«

«Judo unterrichten.«

Und ich, dachte ich, könnte mir meinen Lebensunterhalt mit Versicherungen, Wertpapieren, Warentermingeschäften und Kapitalerträgen verdienen. Ein Lebensunterhalt. aber kein Leben.

Wir tranken deprimiert unseren Tee aus, fühlten uns zerschlagen und schwach und taten uns leid. Wenn er nicht weitermachte, dachte ich, konnte ich’s auch nicht. Ihm verdankte ich, daß mir der Job Spaß machte. Seine Natürlichkeit, seine Gutherzigkeit, seine Fröhlichkeit — ich brauchte sie. In vieler Hinsicht funktionierte ich ohne ihn einfach nicht. In vieler Hinsicht lag mir auch gar nichts daran zu funktionieren, wenn ich ihn nicht einbeziehen konnte.