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«Mach die Flasche leer, Bobby«, sagte ich.

«Möchtest du nichts mehr?«

«Alles deins.«

Er erhob keine Einwände. Schenkte sich ein, trank aus und rülpste behaglich.»Gehn wir lieber mal«, sagte er.»Muß noch was Brauchbares über die Gäule im dritten schreiben. Und erzähl bloß meinem Chef nicht, daß ich mir das zweite in der Bar angeschaut habe, der schmeißt mich sonst glatt raus. «Das war nicht so ernst gemeint. Er verfolgte so manches Rennen in der Bar.»Wir sehn uns, Sid. Danke für den Drink.«

Er drehte sich mit einem Kopfnicken um, ging mit festem Schritt zur Tür und ließ durch nichts erkennen, daß er soeben sieben Achtel einer Flasche Champagner in ungefähr einer halben Stunde in sich hineingekippt hatte. Zweifellos hatte er damit nur eine Grundlage geschaffen — seine Aufnahmekapazität war geradezu phänomenal.

Ich steckte die Wochenendbeilage ein und folgte ihm langsam, wobei ich über das nachdachte, was er mir erzählt hatte. Als ich an George Caspar vorbeikam, sagte ich» Gut gemacht«, wie es bei solchen Anlässen die Höflichkeit gebietet, und er nickte mir kurz zu und sagte» Sid«, woraufhin ich, da die Sache damit erledigt zu sein schien, meinen Weg zur Tür fortsetzte.

«Sid«, rief er mir mit erhobener Stimme nach.

Ich drehte mich um. Er winkte mir, und ich ging zu ihm zurück.

«Möchte Sie gern mit Trevor Deansgate bekannt machen«, sagte er.

Ich schüttelte die dargebotene Hand — schneeweiße Manschette, goldene Manschettenknöpfe, weiche, blasse Haut, ein wenig feucht, gepflegte Fingernägel, ein Siegelring, Onyx und Gold, am kleinen Finger.

«War der Sieger Ihr Pferd?«fragte ich.»Ich gratuliere.«

«Wissen Sie, wer ich bin?«

«Trevor Deansgate.«

«Davon mal abgesehen?«

Es war das erste Mal, daß ich ihn aus nächster Nähe sah. Mächtige Männer haben oftmals verräterisch herabhängende Augenlider, die Ausdruck eines Gefühls der Überlegenheit sind — und ebendie hatte er auch. Dazu dunkelgraue Augen, schwarzes, sorgfältig frisiertes Haar und den schmalen Mund, der zu den gut durchtrainierten Muskeln des entscheidungsfreudigen Menschen paßt.

«Nun mal los, Sid«, sagte George in mein kurzes Zögern hinein.»Wenn Sie’s wissen, dann raus damit. Ich hab Trevor gesagt, daß Sie alles wissen.«

Ich sah ihn an, aber alles, was sich seinen harten, wettergegerbten Zügen entnehmen ließ, war eine Art spöttischer Erwartung. Ich wußte sehr wohl, daß viele Leute in meiner neuen Tätigkeit so etwas wie eine Spielerei sahen. In der augenblicklichen Situation schien es jedoch nichts zu schaden, wenn ich durch den Reifen sprang, den er mir hinhielt.

«Buchmacher?«sagte ich vorsichtig und fügte, an Trevor Deansgate gewandt, hinzu:»Billy Bones?«

«Na bitte«, rief George erfreut aus,»hab ich’s Ihnen nicht gesagt?«

Trevor Deansgate nahm es philosophisch. Ich versuchte auch gar nicht erst, weitere Reaktionen zu provozieren, da diese vielleicht nicht gar so freundlich ausgefallen wären. Sein Geburtsname lautete dem Vernehmen nach Shum-muck. Trevor Shummuck aus Manchester, der mit messerscharfem Verstand in einem Slum zur Welt gekommen war und auf dem Weg nach oben seinen Namen, seinen Akzent und seinen Umgang gewechselt hatte. Wie Bobby Unwin vielleicht gesagt haben würde: Haben wir das nicht alle, und warum auch nicht?

Der Aufstieg in die Gruppe der ganz Großen war Trevor Deansgate geglückt, als er die traditionsreiche, aber in Schwierigkeiten geratene Firma» Billy Bones«übernommen hatte, wobei» Billy Bones «nur das Aushängeschild eines Brüderpaars namens Rubenstein und ihres Onkels Solly gewesen war. In den vergangenen Jahren war Billy Bones wieder zu einem sehr erfolgreichen Haus geworden. Man konnte kaum noch eine Sportzeitung aufschlagen oder zu einem Rennen gehen, ohne auf die das Auge blen-dende, in fluoreszierendem Rosa gehaltene Werbung der Firma zu stoßen, die einem mit Slogans wie» Billy ist der Beste — jede Wette!«den sonntäglichen Frieden zu rauben drohte. Wenn das Geschäft so lebhaft war wie seine Werbekampagnen, dann konnte an Trevor Deansgates Wohlergehen nicht gezweifelt werden. Wir unterhielten uns höflich über das siegreiche Pferd, bis es an der Zeit war, sich nach draußen zu begeben, um die im nächsten Rennen laufenden Pferde anzuschauen.

«Was macht >Tri-Nitro<?«fragte ich George auf dem Weg zur Tür.

«Dem geht’s großartig«, antwortete er.»Ist in Topform.«

«Keine Probleme?«

«Nicht die geringsten.«

Draußen trennten wir uns, und ich verbrachte den Rest des Nachmittags in gewohnt zielloser Weise, das heißt, ich sah mir die Rennen an, unterhielt mich mit Leuten und hing unwichtigen Gedanken nach. Ich sah Rosemary nicht wieder, schätzte, daß sie mich mied, und beschloß, nach dem fünften zu gehen.

Einer der Rennbahnordner hielt mich am Ausgang mit erleichterter Miene an, als habe er schon Ewigkeiten auf mich gewartet und gerade alle Hoffnung fahren lassen.

«Eine Nachricht für Sie, Mr. Halley.«

«Ach ja? Danke.«

Er überreichte mir einen unscheinbaren braunen Umschlag. Ich steckte ihn in die Tasche und ging zu meinem Auto. Stieg ein, holte den Umschlag wieder hervor, öffnete ihn und las den Brief.

Sid,bin den ganzen Nachmittag sehr eingespannt gewesen, würde Sie aber gern sprechen. Wäre es möglich, daß wir uns im Teeraum treffen? Nach dem letzten Rennen?

Lucas Wainwright

Unter wilden Verwünschungen ging ich über den Parkplatz zurück, durchs Tor hindurch und weiter zum Restaurant, wo die Mittagsmahlzeiten Sandwiches und Kuchen gewichen waren. Das letzte Rennen war gerade vorbei, die nach Tee verlangenden Zuschauer schlenderten langsam und in kleinen, durstigen Grüppchen herein — aber keine Spur von Commander Lucas Wainwright, dem Sicherheitsbeauftragten des Jockey Club.

Ich saß wartend herum, und schließlich kam er doch noch, gehetzt, besorgt, unter Entschuldigungen und völlig geschafft.

«Möchten Sie einen Tee?«Er war ganz außer Atem.

«Nicht unbedingt.«

«Na schön, trinken Sie trotzdem einen. Hier können wir ungestört sitzen, in der Bar hocken immer viel zu viele Leute.«

Er führte mich zu einem Tisch und forderte mich mit einer Handbewegung auf, Platz zu nehmen.

«Hören Sie, Sid. Was würden Sie davon halten, einen Job für uns zu übernehmen?«Kein Zeitverschwender, dieser Commander Wainwright!

«Heißt >uns< der Sicherheitsdienst?«

«Ja.«

«Offiziell?«fragte ich überrascht. Die für die Sicherheit auf den Rennplätzen zuständigen Leute hatten eine ungefähre Vorstellung von meiner augenblicklichen Tätigkeit und hatte keine Einwände erhoben, aber ich hatte mir noch nie vorstellen können, daß sie damit im Gegenteil sogar einverstanden sein könnten. In mancherlei Hinsicht hatte ich mich auf ihr Terrain vorgewagt und ihnen auf die Zehen getreten.

Lucas trommelte mit den Fingern auf dem Tischtuch.

«Inoffiziell«, sagte er.»Meine ganz private Angelegenheit.«

Da Lucas Wainwright der Obermohr des Sicherheitsdienstes war, also Chef des Untersuchungs- und Kontrollorgans des Jockey Club, durfte man auch inoffizielle Anfragen seinerseits als einigermaßen wohlbegründet ansehen. Jedenfalls, solange nicht das Gegenteil bewiesen war.