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Vernon Dursley zog zornig die Schultern hoch, und Harry nahm an, dass sein Onkel versuchte, Erinnerungen an den unangekündigten Besuch zweier ausgewachsener Zauberer einige Tage nach Beginn von Harrys Sommerferien zu verscheuchen. Dass Kingsley Shacklebolt und Arthur Weasley auf der Türschwelle erschienen waren, hatte den Dursleys einen äußerst unangenehmen Schock versetzt. Harry musste allerdings zugeben, dass man von Onkel Vernon nicht erwarten konnte, dass er sich über das neuerliche Erscheinen Mr Weasleys freute, nachdem dieser einst das halbe Wohnzimmer demoliert hatte.

»- Kingsley und Mr Weasley haben es dir auch alles erklärt«, sprach Harry unbarmherzig weiter. »Sobald ich siebzehn bin, wird der Zauber, der mich schützt, brechen, und dann seid ihr genauso in Gefahr wie ich. Der Orden ist sicher, dass Voldemort euch ins Visier nehmen wird, entweder um euch zu foltern, um herauszufinden, wo ich stecke, oder weil er denkt, wenn er euch als Geiseln hält, würde ich kommen und versuchen euch zu befreien.«

Onkel Vernons und Harrys Blicke trafen sich. Harry war sicher, dass sie sich beide in diesem Moment dieselbe Frage stellten. Dann ging Onkel Vernon weiter und Harry fuhr fort: »Ihr müsst euch verstecken und der Orden will euch dabei helfen. Man bietet euch echten Schutz an, den besten, den es gibt.«

Onkel Vernon sagte nichts, sondern schritt weiter auf und ab. Draußen stand die Sonne tief über den Ligusterhecken. Der Motor des Rasenmähers nebenan starb wieder ab.

»Ich dachte, es gäbe ein Zaubereiministerium?«, fragte Vernon Dursley unvermittelt.

»Das stimmt«, sagte Harry überrascht.

»Nun denn, warum können die uns nicht schützen? Man sollte doch meinen, dass wir als unschuldige Opfer, die sich nichts weiter vorzuwerfen haben, als dass sie einem gebrandmarkten Menschen Zuflucht gewähren, den Schutz der Regierung in Anspruch nehmen können!«

Harry lachte; er konnte nicht anders. Es war so typisch für seinen Onkel, seine Hoffnung in die Obrigkeit zu setzen, selbst in jener Welt, die er verachtete und an der er zweifelte.

»Du hast gehört, was Mr Weasley und Kingsley gesagt haben«, erwiderte Harry. »Wir glauben, dass das Ministerium infiltriert worden ist.«

Onkel Vernon marschierte zum Kamin und zurück, schwer atmend, so dass sein großer schwarzer Schnurrbart wogte, sein Gesicht immer noch puterrot vom angestrengten Nachdenken.

»Na schön«, sagte er und blieb wieder vor Harry stehen. »Na schön, sagen wir, nur mal angenommen, wir akzeptieren diesen Schutz. Dann sehe ich immer noch nicht ein, warum wir diesen Kingsley da nicht haben können. «

Es gelang Harry, allerdings nur mit Mühe, nicht die Augen zu verdrehen. Auch diese Frage hatte er ein halbes Dutzend Mal gehört.

»Wie ich dir schon erklärt habe«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen, »Kingsley schützt den Mug- ich meine, euren Premierminister.«

»Genau – er ist der Beste!«, sagte Onkel Vernon und deutete auf den leeren Fernsehschirm. Die Dursleys hatten Kingsley in den Nachrichten entdeckt, als er diskret hinter dem Premierminister der Muggel herlief, der gerade ein Krankenhaus besichtigte. Dies und die Tatsache, dass Kingsley den Dreh raushatte, sich wie ein Muggel zu kleiden, ganz abgesehen von dem gewissen beruhigenden Etwas in seiner gemächlichen, tiefen Stimme, hatte die Dursleys an Kingsley Gefallen finden lassen wie sicher an keinem anderen Zauberer, obwohl es stimmte, dass sie ihn nie mit seinem Ohrring gesehen hatten.

»Tja, er ist vergeben«, sagte Harry. »Aber Hestia Jones und Dädalus Diggel sind auf diesen Job bestens vorbereitet -«

»Wenn wir wenigstens Lebensläufe gesehen hätten ...«, setzte Onkel Vernon an, aber Harry verlor die Geduld. Er stand auf, ging auf seinen Onkel zu und deutete nun selbst auf den Fernseher.

»Diese Unfälle sind keine Unfälle – die Zusammenstöße und Explosionen und Zugentgleisungen und was sonst noch passiert ist, seit wir das letzte Mal die Nachrichten gesehen haben. Menschen verschwinden und sterben, und er steckt dahinter – Voldemort. Das habe ich dir immer und immer wieder gesagt, er tötet Muggel zum Vergnügen. Sogar die Nebel – die werden von Dementoren verursacht, und wenn du dich nicht mehr erinnern kannst, was das ist, frag deinen Sohn!«

Dudleys Hände fuhren mit einem Ruck hoch und bedeckten seinen Mund. Als seine Eltern und Harry ihre Blicke auf ihn richteten, ließ er die Hände langsam wieder sinken und fragte: »Es gibt ... noch mehr von denen? «

»Noch mehr?«, lachte Harry. »Mehr als die zwei, die uns angegriffen haben, meinst du? Natürlich, es gibt Hunderte, inzwischen vielleicht Tausende, wenn man bedenkt, dass sie sich von Angst und Verzweiflung ernähren -«

»Schon gut, schon gut«, polterte Vernon Dursley. »Wir haben verstanden -«

»Ich hoffe es«, sagte Harry, »denn sobald ich siebzehn bin, können die alle euch finden – Todesser, Dementoren, möglicherweise sogar Inferi, das sind Leichen, die von einem schwarzen Magier verzaubert wurden –, und sie werden euch sicher angreifen. Und wenn ihr euch an das letzte Mal erinnert, als ihr versucht habt, Zauberern zu entkommen, dann werdet ihr bestimmt zugeben, dass ihr Hilfe braucht.«

Ein kurzes Schweigen trat ein, und es war, als ob man Hagrid eine hölzerne Haustür einschlagen hörte, ganz aus der Ferne und über die dazwischenliegenden Jahre hinweg. Tante Petunia blickte zu Onkel Vernon; Dudley starrte Harry an. Endlich platzte es aus Onkel Vernon heraus: »Aber was ist mit meiner Arbeit? Was ist mit Dudleys Schule? Ich nehme an, solche Dinge sind für einen Haufen herumgammelnder Zauberer nicht von Bedeutung -«

»Kapierst du nicht?«, rief Harry. »Sie werden euch foltern und töten wie meine Eltern!«

»Dad«, sagte Dudley mit lauter Stimme, »Dad – ich gehe mit diesen Ordenstypen.«

»Dudley«, sagte Harry, »zum ersten Mal in deinem Leben sagst du was Vernünftiges.«

Er wusste, dass die Schlacht gewonnen war. Wenn Dudley so verängstigt war, dass er die Hilfe des Ordens annahm, würden seine Eltern mit ihm gehen: Von ihrem Diddyspatz getrennt zu sein kam für sie überhaupt nicht in Frage. Harry warf einen Blick zur Standuhr auf dem Kaminsims.

»In etwa fünf Minuten sind sie hier«, sagte er, und als keiner der Dursleys antwortete, verließ er den Raum. Die Aussicht, dass er sich –vermutlich für immer – von seiner Tante, seinem Onkel und seinem Cousin trennen würde, war durchaus erfreulich für ihn, und doch lag ein Anflug von Verlegenheit in der Luft. Was sagte man zueinander nach sechzehn Jahren heftiger Abneigung?

Wieder in seinem Zimmer, nestelte Harry planlos an seinem Rucksack herum, dann steckte er ein paar Eulennüsse durch das Gitter von Hedwigs Käfig. Sie fielen mit einem dumpfen Geräusch zu Boden und Hedwig beachtete sie nicht.

»Wir brechen bald auf, wirklich bald«, erklärte ihr Harry. »Und dann kannst du wieder fliegen.«

Die Türglocke läutete. Harry zögerte, dann ging er aus seinem Zimmer und machte sich auf den Weg nach unten: Dass Hestia und Dädalus allein mit den Dursleys zurechtkamen, war zu viel verlangt.

»Harry Potter!«, quiekte eine aufgeregte Stimme, sobald Harry die Tür geöffnet hatte; ein kleiner Mann mit einem malvenfarbenen Zylinder legte eine tiefe Verbeugung vor ihm hin. »Eine Ehre, wie immer!«

»Danke, Dädalus«, sagte Harry und schenkte der dunkelhaarigen Hestia ein kleines beschämtes Lächeln. »Wirklich nett von euch, dass ihr das tut ...

Sie sind hier drin, meine Tante und mein Onkel und mein Cousin ...«

»Ihnen einen schönen guten Tag, Verwandte von Harry Potter!«, sagte Dädalus erfreut und betrat mit großen Schritten das Wohnzimmer. Die Dursleys wirkten überhaupt nicht erfreut, auf diese Weise angesprochen zu werden; Harry war schon halb auf einen weiteren Meinungsumschwung gefasst. Dudley machte sich beim Anblick der Hexe und des Zauberers neben seiner Mutter ganz klein.