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»Noch nicht. Wir haben große Flächen abzusuchen, und der Bereich hier liegt ziemlich weit entfernt vom Tatort –« Doch noch bevor er den Satz beendet hatte, wandte sich Pendergast ab und ging an der Hecke entlang. Dabei blickte er hierhin und dorthin und setzte die Füße ganz vorsichtig auf, wie eine Katze. Plötzlich blieb er stehen und ließ sich auf die Knie fallen.

»Blut.«

»Okay«, sagte Denton. »Hübscher Erfolg. Dann sollten wir uns von hier zurückziehen und das Spurensicherungsteam holen, bevor wir irgendetwas durcheinanderbringen –«

Doch Pendergast war bereits wieder aufgestanden und lief schon wieder, den Kopf nach vorn geneigt, los, wobei er den Blutflecken folgte, die in die Hecke führten – und da erblickte D’Agosta etwas Weißes in der Hecke. Sie spähten tief hinein ins Grün. Dort bot sich ihnen ein grauenhafter Anblick.

»Zwei Leichen und ein toter Hund.« Pendergast drehte sich zu Denton um und ging langsam ein paar Schritte zurück. »Ja, bitte holen Sie Ihr Spurensicherungsteam. Derweil steige ich über die Mauer hier.«

»Aber –«

»Ich gehe ein paar Schritte weiter, um den Bereich hier nicht durcheinanderzubringen. Vincent, kommen Sie bitte. Ich benötige Hilfe.«

Chief Denton blieb am Ort des Gemetzels stehen und benachrichtigte über Funk das Spurensicherungsteam. D’Agosta folgte Pendergast ungefähr dreißig Meter weit an der Hecke entlang.

»Hier scheint mir eine geeignete Stelle zu sein.« Pendergast drängte sich in die Hecke, D’Agosta dichtauf. In der Lücke zwischen Hecke und Mauer kamen sie wieder hervor.

Pendergast drückte sich an die Mauer, als wolle er sie testen. »Wegen meines dicken Mantels brauche ich jemanden, der mir hinaufhilft.«

D’Agosta hatte nichts dagegen; er half ihm hoch.

Spinnengleich erklomm Pendergast die Mauer, wobei er den kurzen Eisenstiften geschickt auswich, dann richtete er sich auf und schaute sich eine Zeit lang durch sein Fernglas um. Dann rief er zu D’Agosta hinunter: »Gehen Sie zurück zum Wagen, Proctor soll ums Haus herum und auf den Strand fahren. Wir treffen uns dort.«

»Gut.«

Pendergast verschwand hinter der Mauer, D’Agosta drehte sich um. Als er aus der Hecke hervortrat, sah er ein Team von Kriminaltechnikern, alle mit weißen Schutzanzügen, Überschuhen und Gesichtsschutzmasken bekleidet, über den Rasen laufen. Denton zeigte unterdessen auf den Bereich, wo die Leichen gefunden worden waren. Denton schloss sich D’Agosta an, der jetzt über den Rasen zurück zum Haus ging.

»Wie zum Teufel hat er das so schnell geschafft?«, fragte er. »Ich meine, wir hätten die Leichen zwar am Ende gefunden, aber er ist einfach darauf zumarschiert, als wäre an der Stelle ein Hinweisschild angebracht.«

D’Agosta schüttelte den Kopf. »Ich frage nicht, und er sagt es mir nicht.«

Als D’Agosta wieder im Fond des Rolls saß, verfolgte er, wie Proctor zu einem öffentlichen Parkplatz steuerte, der rund achthundert Meter südlich des Hauses des Opfers direkt am Strand lag. Proctor stieg aus, ließ eine präzise berechnete Menge Luft aus den Reifen, stieg wieder ein, ließ den Motor aufheulen und raste eine unbefestigte Straße hinunter, die Fahrzeugen den Zugang zum Strand ermöglichte. Schon bald bretterte der Rolls – der brausende Atlantik zur Rechten, die Villen der Reichen zur Linken auf dem Strand – in Richtung Norden. Kurz darauf erblickte D’Agosta Pendergasts schlanke Gestalt am Ende eines felsigen Wellenbrechers. Während der Rolls schleudernd zum Stehen kam, ging Pendergast neben dem Wellenbrecher zurück, eilte mit langen Schritten den Strand herauf und nahm auf dem Rücksitz Platz.

»Er ist in einem kleinen Boot, das er neben dem Wellenbrecher dort versteckt hat, hergekommen und ist darin auch wieder weggefahren«, sagte Pendergast und zeigte in die Richtung. Dann zog er das Faltschreibtischchen an seinem Sitzplatz heraus. Darauf lag ein flaches McBook, das er aufklappte und mit dem er Google Earth aufrief. »Nachdem der Mörder den Tatort verlassen hatte, war er dort draußen auf dem Wasser äußert verwundbar und exponiert, sogar nachts. Er muss sich des Boots bei der ersten sich bietenden Gelegenheit entledigt haben. Außerdem muss das ganze Vorhaben bis in alle Einzelheiten geplant gewesen sein.«

Er spähte auf das Google-Earth-Bild und bewegte es um ihren aktuellen Standort herum. »Vincent, sehen Sie mal, hier ist eine kleine Bucht, nur zehn Kilometer entfernt, die in den Sagaponack Pond hineinführt. Und direkt an die Bucht schließt sich ein Marschgebiet mit einem unmittelbar angrenzenden öffentlichen Parkplatz an.« Er beugte sich vor. »Proctor, bitte fahren Sie sofort dorthin. Sagaponack Pond. Vergessen Sie die Straße, fahren Sie einfach auf dem Strand.«

»Ja, Sir.«

D’Agosta stützte seine Hände auf den Sitz, als der Rolls beschleunigte und schleudernd wendete, dass der Sand nur so aufspritzte, und dann gerade innerhalb der Hochwasserlinie, wo der Sand fester war, in hohem Tempo den Strand entlangraste. Während der Rolls Tempo aufnahm und von einer Seite zur anderen schaukelte, wurde er vom Wind durchgerüttelt und von der Meeresgischt gepeitscht. Hin und wieder pflügte er durch das flache Wasser, das eine zurückweichende Welle zurückgelassen hatte, und durch einen Vorhang aus Wasser und Gischt. Sie passierten ein älteres Ehepaar, das Hand in Hand ging und den 1959er Silver Wraith mit offenem Mund anstarrte, als dieser mit einer Geschwindigkeit von fast hundert Stundenkilometern vorbeidonnerte.

Nach knapp zehn Minuten erreichten sie die kleine Bucht, an der der Strand aufhörte und ein weiterer Wellenbrecher in den grauen und schäumenden Atlantik hinausragte. Proctor bremste den Rolls ab, sodass dieser wild schlingerte, und das erneut so, dass der Sand nur so aufspritzte. Noch ehe der Wagen zum Stehen gekommen war, war Pendergast bereits ausgestiegen und ging mit langen Schritten den Strand hinauf. Wieder musste D’Agosta laufen, um hinterherzukommen. Pendergasts Energie nach den vorhergehenden Tagen, in denen er einen gleichgültigen und scheinbar trägen Eindruck gemacht hatte, war ihm rätselhaft. Doch offenbar hatte ihn die Mordserie schließlich gepackt.

Sie sprangen über einen Strandzaun, überquerten einen mit stoppeligem Seegras bewachsenen Dünengürtel, und schon bald kam eine schieferfarbene, von weitem Marschland umgebene Wasserfläche in Sicht. Pendergast lief in das Marschgras, woraufhin seine maßgefertigten John-Lobb-Schuhe in dem schlammigen Untergrund einsanken. Wenig begeistert folgte D’Agosta, wobei der eiskalte Matsch und das eisige Wasser in seine Clarks eindrangen. Ein paarmal blieb Pendergast stehen und blickte sich um. Wie ein Spürhund hielt er die Nase in die Luft, ehe er in eine andere Richtung voranging, matschigen und fast unsichtbaren Tierpfaden folgend.

Unvermittelt erreichten sie die Marsch – und dort, keine sieben Meter vom Rand entfernt, so eben aus dem braunen Wasser ragend, zeichnete sich der Bug eines gesunkenen Boots ab.

Als Pendergast sich umwandte, funkelten seine silbrigen Augen. »Und jetzt, mein lieber Vincent, haben wir, wie ich glaube, das erste echte Beweisstück gefunden, das der Mörder zurückgelassen hat.«

D’Agosta trat näher und betrachtete das Boot. »Ja, da haben Sie recht.«

»Nein, Vincent.« Pendergast deutete auf etwas neben dem Boot. »Ich meine das hier. Es ist der deutliche Fußabdruck des Mörders.«

»Und das Boot?«

Pendergast wedelte ungeduldig mit der Hand. »Ich hege keinerlei Zweifel daran, dass es gestohlen und gründlich von allen Beweismitteln gereinigt worden ist.« Dann ging er in dem Marschgras in die Hocke. »Schuhgröße siebenundvierzig, mindestens.«

17

Das Konferenzzimmer im One Police Plaza war ein großer heller Raum im zweiten Obergeschoss. D’Agosta war frühzeitig zusammen mit Singleton, dem stellvertretenden Pressesprecher, Bürgermeister DeLillo und einer Reihe von NYPD-Beamten erschienen, damit die Presseleute sich bei ihrem Eintreffen mit einer beeindruckenden Phalanx hochrangiger Blauuniformierter konfrontiert sahen, unterstützt von Anzugträgern und dem Bürgermeister persönlich. Die Idee war, ein beruhigendes Bild in den Abendnachrichten zu zeichnen. Während seiner Zeit bei der New Yorker Polizei hatte D’Agosta mitbekommen, wie sich die Behörde von unbeholfenen Ad-hoc-Reaktionen auf die Presse weiterentwickelt hatte. Mittlerweile reagierte man professionell, gut inszeniert und schnell auf jüngste Ereignisse.