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Dann kam er erneut auf das Verbrechen zu sprechen und lobte die hervorragende Arbeit der East Hamptoner Polizei – bis ihn jemand mit der Frage unterbrach: »Aber hängen die Morde zusammen?«

D’Agosta stutzte, er verlor den Faden. War das dieser Kotzbrocken Harriman? Es klang jedenfalls so. Nachdem er seine Notizen kurz überflogen hatte, fuhr er fort und kam darauf zu sprechen, auf welche Weise seine Behörde mit der East Hamptoner zusammenarbeitete, als ihn die Stimme abermals unterbrach.

»Hängen die Morde nun zusammen oder nicht? Könnten wir vielleicht eine Antwort darauf bekommen?«

Das kam tatsächlich von diesem verfluchten Harriman. D’Agosta blickte von seinen Papieren auf. »Wir behandeln die drei Morde vorerst als gesonderte Fälle, was aber nicht bedeutet, dass wir nicht glauben, dass sie zusammenhängen.«

»Und was heißt das?«, rief Harriman.

»Das heißt, dass wir noch nicht zu einem abschließenden Urteil gekommen sind.«

»Drei Enthauptungen in einer Woche – und da behaupten Sie, dass die Morde nicht zusammenhängen? Und dieser jüngste Mord – der wurde doch genauso wie der zweite ausgeführt, oder?«

»Der dritte Mord weist in der Tat einige Ähnlichkeiten mit dem zweiten auf, ja«, sagte D’Agosta.

»Aber nicht mit dem ersten – wollen Sie das damit sagen?«

»Wir ermitteln noch in dieser Frage …« Plötzlich wurde D’Agosta bewusst, dass er Harriman genau das gestattete, wovor Singleton ihn gewarnt hatte: dass jemand das Gespräch an sich riss. »Ich möchte gerne zu Ende ausführen, was ich gesagt habe, bitte. Laut Aussage der Polizei East Hampton gehören zu den Ermittlungsspuren –«

»Also unterstellen Sie, dass es zwei Mörder gibt. Den ersten Mörder, der Grace Ozmian umgebracht hat, und einen weiteren, der Mord Nummer zwei und drei begangen hat. Hat, anders ausgedrückt, der erste Mord einen Serienmörder dazu inspiriert, die anderen zu begehen? Und in Wahrheit haben wir es doch nicht nur mit zwei oder drei Morden zu tun – denn wenn man die toten Wachleute, die Sie erwähnten, hinzuzählt, sind es genau genommen neun.«

Das ging rasant in die falsche Richtung. »Mr. Harriman, bitte sparen Sie sich Ihre Fragen für die Fragerunde auf.«

Doch die Disziplin unter den Anwesenden begann bereits zu bröckeln, und zahlreiche Nachfragen wurden dem Podium entgegengerufen. Singleton trat vor, hob die Hand und brachte die Presseleute zum Schweigen. D’Agosta wurde rot im Gesicht.

»Ich denke, wir sind jetzt so weit, Ihre Fragen beantworten zu können«, sagte Singleton und drehte sich zu D’Agosta um.

Es folgten aufgeregte Fragen, die alle gleichzeitig gestellt wurden.

»Mrs. Levitas vom Slate«, sagte D’Agosta und zeigte auf eine Frau im hinteren Bereich, die so weit entfernt von Harriman wie möglich saß.

»Nur um an die vorhergehende Frage anzuknüpfen – wie können diese Morde nicht zusammenhängen?«

Verflucht sei dieser Harriman – selbst wenn er keine Fragen stellte, orchestrierte er irgendwie diese Pressekonferenz. »Wir ziehen alle Möglichkeiten in Betracht«, sagte D’Agosta stoisch.

»Handelt es sich um einen Serienkiller?«

Die Frage wurde geschrien – und kam wieder einmal von Harriman. Wie zum Teufel hatte der Kerl es in die erste Reihe geschafft? Beim nächsten Mal wollte D’Agosta dafür sorgen, dass er in den hinteren Bereich verbannt wurde, besser noch: nach draußen auf den Flur. »Wie ich bereits wiederholt sagte: Wir arbeiten an allen Möglichkeiten –«

»Möglichkeiten?«, rief Harriman. »Sie meinen, ein Serienmörder ist tatsächlich eine Möglichkeit?«

Singleton sagte mit fester Stimme: »Mr. Harriman, es befinden sich auch noch andere Reporter im Raum. Das Wort hat Mr. Goudreau von der Daily News

»Warum wurde das FBI hinzugezogen?«

»Wir mobilisieren alles, was die Strafverfolgungsbehörden zu bieten haben«, sagte Singleton.

»Aber warum befasst sich die Bundespolizei damit?«, fragte Goudreau nach.

»Beim ersten Mord gibt es Hinweise auf eine mögliche Beförderung der Leiche über eine bundesstaatliche Grenze. Und weil der dritte Mord potenziell internationale Auswirkungen hat, wurde die Beteiligung der Bundespolizei verstärkt. Wir sind dem FBI dankbar, dass wir auf seine Expertise zurückgreifen können.«

Aus der Zuhörerschaft ertönte ein Durcheinander enorm laut vorgebrachter Fragen.

»Noch eine Frage!«, sagte Singleton und blickte sich um. Wieder Geschrei.

Er zeigte in eine Richtung. »Ms. Anders von Fox

Die Fox-Moderatorin wollte etwas sagen, wurde jedoch von ihren Kolleginnen und Kollegen übertönt, die weiterhin Fragen riefen.

»Ruhe, bitte!«, rief Singleton. Das klappte. Es wurde still.

»Meine Frage geht an den Bürgermeister: Welche Maßnahmen ergreifen Sie, damit das Leben in der Stadt sicher bleibt?«

Der Bürgermeister trat mit schweren Schritten nach vorn. »Einmal abgesehen davon, dass wir vierzig Detectives und weitere hundert uniformierte Beamte auf den Fall angesetzt haben, machen über zweitausend Beamte Überstunden und gehen Streife. Außerdem haben wir viele, viele weitere Schritte eingeleitet, die ich aus Sicherheitsgründen hier nicht nennen darf. Ich kann Ihnen aber versichern, dass jede nur mögliche Maßnahme ergriffen wird, damit unsere Bürgerinnen und Bürger auch weiterhin sicher in unserer Stadt leben können.«

»Lieutenant, wo sind die Köpfe?«

Harriman wieder – der Scheißer.

»Sie haben Captain Singleton gehört«, sagte D’Agosta. »Keine weiteren Fragen.«

»Nein!«, ertönte ein weiterer Ruf. »Beantworten Sie die Frage!«

Der Geräuschpegel schoss in die Höhe. Mehrere Pressevertreter griffen die Frage auf. Wo sind die Köpfe? Was ist mit den Köpfen? Beantworten Sie die Frage!

»Wir arbeiten daran«, sagte D’Agosta. »Also, wenn Sie –«

»Sie meinen, Sie wissen es nicht, stimmt’s?«

»Wie gesagt –«

Doch sie wollten ihn nicht ausreden lassen. »Haben Sie eine Idee, warum der Mörder die Köpfe mitgenommen hat?«, rief jemand.

»Noch nicht, aber –«

Singleton ging ganz ruhig dazwischen. »Wir haben die Abteilung für Verhaltenswissenschaften des FBI in Quantico gebeten, uns bei der Beantwortung genau dieser Frage zu helfen.«

Das war D’Agosta neu. Gleichzeitig begriff er, dass Singleton diese Ankündigung aus dem Hut gezaubert hatte – eine verdammt gute Idee.

»Wann werden Sie –«

»Vielen Dank, meine Damen und Herren, die Pressekonferenz ist beendet!«, sagte Singleton und schaltete das Mikro aus. Während die Anwesenden auseinandergingen, kam Singleton an ihm vorbei und flüsterte ihm zu: »In meinem Büro, bitte.«

Als D’Agosta sich umdrehte, um seine Unterlagen zusammenzusammeln, blickte er hinüber zum Bürgermeister und sah, dass ihn der mit einem düsteren Ausdruck in seinen großen, funkelnden Augen anschaute.

18

D’Agosta saß auf dem Beifahrersitz eines von Sergeant Curry gesteuerten Streifenwagens und genoss diesen raren Augenblick der Stille. Endlich einmal konnte er in Ruhe nachdenken. Diesmal war die Nachbesprechung in Singletons Büro nicht so schlecht gelaufen, wie er befürchtet hatte. Der Captain hatte darauf hingewiesen, allerdings eher auf väterliche Weise und weniger als Vorwurf, dass er, D’Agosta, es zwar zugelassen habe, dass Harriman die Pressekonferenz auf exakt die Weise dominiert hatte, vor der er ihn gewarnt hatte, dass es allem in allem aber schlimmer hätte kommen können und D’Agosta sicherlich eine wertvolle Lektion gelernt habe.

»Besorgen Sie uns bis morgen Abend etwas, irgendetwas«, sagte Singleton, »das wir in die Zeitung bringen können. Wir müssen nachweisen, dass wir Fortschritte erzielen. Wenn Sie mir etwas Gutes bringen, ist alles vergeben und vergessen.« Auf dem Weg nach draußen klopfte er D’Agosta nochmals väterlich auf die Schulter und drückte sie dann leicht, wie zur Warnung.