Stille. Paine blickte zu D’Agosta, dann wieder zu Pendergast.
»Und wer bezahlt mir meine Tür?«
Pendergast lächelte. »Überlegen Sie doch mal, was mehr kostet: eine neue Tür oder der Vierhundert-Dollar-pro-Stunde-Anwalt, den Sie beauftragen müssen, falls der Lieutenant Sie vorlädt und in die Innenstadt mitnimmt zu etwas, das mindestens ein zwölfstündiges Verhör sein wird, sich möglicherweise sogar über mehrere Tage erstreckt – es sei denn, Sie wollen das Risiko eingehen, sich von einem vom Staat bezahlten Pflichtverteidiger vertreten zu lassen.«
Langes Schweigen. »Okay«, sagte Paine und lächelte doch tatsächlich eine Art zynisches Lächeln. »Das wird interessant.«
»Ausgezeichnet«, sagte Pendergast und stand auf. »Wir kommen zurück. In, sagen wir, einer Stunde?«
19
Nach dem großen Spektakel in Maplewood – alle Nachbarn drückten sich, wie D’Agosta mit einer gewissen Genugtuung feststellte, hinter ihren Fenstern die Nase platt – hatten sie Paine runter zum 1PP gefahren. Jetzt hatte er sich in einem der kleinen Vernehmungszimmer niedergelassen, in dem er zu einem höchst kooperativen und freundlichen Zeugen mutiert war. Die amtliche Umgebung schien seine Zunge zu lösen, und so hatte er ihnen das System in Cantuccis Haus in allen technischen Einzelheiten beschrieben. Jetzt befragten sie Paine nach Sharps & Gund selbst.
»Ich war der leitende Techniker bei der Installierung«, sagte Paine. »Viele Leute, mit denen ich beruflich zu tun habe, sind schwierig, aber Cantucci ging uns ganz gewaltig auf die Nerven. Es gab jede Menge Sachen, die ihm nicht gefielen – hauptsächlich kosmetische Dinge, wie zum Beispiel die Platzierung der Kameras oder die Farbe der Überwachungsmonitore –, und er hat ständig an uns herumgemäkelt. Er war einer von diesen Typen, die sich nicht die Finger schmutzig machen wollen, indem sie sich mit einem Vertreter des Volkes wie mir abgeben. Er hat sich mit seinen Beschwerden immer direkt an Mr. Ingmar gewandt, und zwar bei jeder Kleinigkeit. Es hat Ingmar fast um den Verstand gebracht, dass Cantucci ausschließlich mit ihm reden wollte, ihn Tag und Nacht zu jeder Zeit angerufen und ihn wie sein Schoßhündchen behandelt hat. Am Ende hat Ingmar ihn regelrecht gehasst, er hat sogar davon gesprochen, ihn als Kunden zu feuern. Nur hatte der Mann uns einen Haufen Geld geschuldet. Einmal haben sie sich während eines Telefonats laut angeschrien.«
»Worum ging es dabei?«, fragte D’Agosta.
»Um Geld. Cantucci hatte die Rechnungen nicht bezahlt. Er hat gesagt, er würde erst zahlen, wenn die Installierung zu seiner vollen Zufriedenheit abgeschlossen sei.«
»Und hat er am Ende gezahlt?«
»Nicht alles. Er hat an der Schlussrechnung herumgekrittelt, hat jede Kleinigkeit moniert und selbstständig Abzüge vorgenommen. Vermutlich haben wir um die achtzig Prozent des Rechnungsbetrags erhalten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Auftrag für Ingmar ein Verlustgeschäft gewesen ist.«
»Wie hoch war das Gesamtvolumen?«
Paine überlegte einen Augenblick. »So um die zweihunderttausend, schätze ich. Plus eine monatliche Gebühr von zweitausend.«
D’Agosta veränderte seine Sitzhaltung, konsultierte seine Notizen. Langsam kam er zum Kern seiner Fragen. »Wäre Ingmar imstande gewesen – wenn er über die Kenntnisse verfügt hätte –, die Sicherheitsanlage zu umgehen, so wie es dem Mörder gelungen ist?«
»Ja. Absolut.«
»Wer sonst noch bei Sharps & Gund hätte genügend Fachkenntnisse besessen, um das hinzubekommen, was der Mörder getan hat, um das System zu umgehen?«
»Mein Kollege bei der Installierung, Lasher. Möglicherweise der Typ, der die IT-Abteilung leitet, vielleicht der Chef der Abteilung Programmierung und Ausführung. Aber ich bezweifle stark, dass einer der beiden gewusst hat, wie die Cantucci-Anlage entworfen war, oder dass sie Zugang zur technischen Blackbox hatten.« Er machte eine kleine Pause, überlegte. »Im Ernst, Ingmar und Lasher sind wahrscheinlich die Einzigen, und ich natürlich.«
Das ist gut, dachte D’Agosta. Echt gut. »Sie und Lasher waren also die Techniker, die die Reparatur bei der Störung vorgenommen haben, die offenbar bewusst herbeigeführt und vom Mörder inszeniert worden war?«
»Ich war der Mann, aber Lasher war zu dem Zeitpunkt bereits entlassen worden, deshalb bin ich mit einem anderen Techniker da hingefahren.«
»Und wie heißt der?«
»Hallie Iyer. Sie arbeitet immer noch für das Unternehmen.«
»Hätte diese Mrs. Iyer über genügend Kenntnisse verfügt, um das System umgehen zu können?«
»Nein. Auf gar keinen Fall. Sie ist ziemlich neu in der Firma, sie arbeitet dort erst seit ein paar Monaten.«
»Erzählen Sie uns von Ihrem ehemaligen Kollegen, diesem Lasher«, sagte D’Agosta. »Dem, der Ihnen bei der Installierung des ursprünglichen Systems geholfen hat. Was für ein Mensch ist er gewesen?«
»Er war seltsam. Echt, mich hat es gegruselt vor ihm – allerdings nicht am Anfang. Das entstand allmählich. Zuerst war er richtig maulfaul, hat kein Wort gesagt, aber je länger wir zusammengearbeitet haben, desto mehr hat er sich geöffnet. Oh, ich verstehe durchaus, weshalb Ingmar ihn eingestellt hat – er kannte sich hervorragend aus, daran besteht kein Zweifel, aber er hat schon komische Sachen von sich gegeben.«
»Zum Beispiel?«
»Dass die Apollo-Mondlandungen getürkt sind, dass es sich bei den Kondensstreifen, die man am Himmel sieht, in Wirklichkeit um Chemie handelt, die die Regierung auf die Leute versprüht, um sie einer Gehirnwäsche zu unterziehen, dass die globale Erwärmung eine von den Chinesen verbreitete Falschmeldung ist. Unglaublicher Scheiß.«
Pendergast, der bislang geschwiegen hatte, schaltete sich in das Gespräch ein. »Wie hat ein Mann mit diesen Ansichten denn die angebliche Sicherheitsüberprüfung auf CIA-Niveau von Sharps & Gund bestehen können?«
Paine lachte. »CIA-Niveau? Hat Ingmar Ihnen das erzählt?« Er schüttelte den Kopf. »Ingmar stellt billig ein, keine Sozialleistungen, lange Arbeitszeiten, keine Überstunden, sehr viel Reisetätigkeit. Die einzige Überprüfung, die er vornimmt, besteht darin, sich zu vergewissern, dass man keine Vorstrafen hat, und selbst dann würde er einen vermutlich einstellen, weil man dann billiger zu haben ist. Lasher hat zunächst einen ganz normalen Eindruck gemacht, sich im Lauf der Zeit aber immer seltsamer aufgeführt.«
»Irgendetwas im Besonderen?«, fragte D’Agosta.
»Meistens ging es um Frauen. Er war ein absolutes Ekel in diesen Dingen. Keinerlei soziale Kompetenz, hat die Frauen vor versammelter Mannschaft gefragt, ob sie mal abends mit ihm ausgehen wollen. War auch ständig auf Zinne, hat herablassende Bemerkungen fallen gelassen, dumme Witze gerissen, geprahlt. Viel Gerede über große Busen – Sie kennen die Sorte sicherlich.«
D’Agosta nickte. Die Sorte war ihm nicht unbekannt.
»Er hätte entlassen werden müssen, als das beim ersten Mal passierte. Ingmar hat versucht, Lashers Verhalten zu ignorieren, musste aber schließlich etwas dagegen unternehmen. Sonst hätte er einige seiner wertvollen weiblichen Angestellten verloren. Aber der Grund, weshalb Lasher in Wahrheit rausgeschmissen worden ist, waren wohl Cantuccis ständige Beschwerden.«
Dieser Lasher – da ging doch was. Und ihnen blieb immer noch ein ziemlich großes Zeitfenster, bis Singletons 36-Stunden-Deadline überschritten wäre.
»Wissen Sie, wo Lasher wohnt?«, fragte D’Agosta.
»Ja. West Fourteenth Street. Zumindest hat er dort gewohnt, als man ihn gefeuert hat.«
Zeit, langsam zum Schluss zu kommen. »Agent Pendergast, haben Sie noch irgendwelche Fragen?«
»Nein, danke, Lieutenant.«
D’Agosta erhob sich vom Tisch. »Vielen Dank, Mr. Paine, einer unserer Streifenwagen fährt Sie nach Hause.« Er verließ zusammen mit Pendergast den Raum. Kaum hatten sie die Tür hinter sich geschlossen, sagte D’Agosta: »Also, was ist Ihre Meinung? Meines Erachtens haben wir zwei Tatverdächtige: Lasher und Ingmar.«