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Mitten in seiner hektischen Recherche hatte er eine kryptische Nachricht von Ozmian erhalten, der ihn bat, am Nachmittag um drei in seinem Büro vorbeizukommen. »Ich habe wichtige Informationen im Hinblick auf Ihre Bemühungen« hatte die Nachricht gelautet – nichts weiter.

Harriman war sich Ozmians Ruf als skrupelloser Unternehmer durchaus bewusst. Wahrscheinlich war Ozmian sauer, weil er seine Ex-Frau Izolda interviewt hatte, und mit Sicherheit war er wütend wegen der Enthüllungen über seine Tochter, die Harriman in der Post gebracht hatte. Nun, er hatte nicht zum ersten Mal mit zornigen Menschen zu tun. Er rechnete damit, dass das Treffen mit Ozmian ähnlich verlaufen würde wie ein einziger langer Schreianfall. Umso besser – alles war dokumentiert, es sei denn, es wurde extra ausgeschlossen. Den meisten Leuten war das nicht klar, wenn sie mit der Presse zu tun hatten, und wenn sie dann wütend waren, machten sie oft ungeheuerliche – und höchst zitierfähige – Aussagen. Sollte Ozmian allerdings »wichtige Informationen« besitzen – insbesondere mit Blick auf seine Nachforschungen in Adeyemis dunkle Vergangenheit –, dann wollte Harriman keineswegs die Gelegenheit verpassen, sich die zu besorgen.

Er trat aus dem Fahrstuhl und stand im obersten Stockwerk des DigiFlood-Turms. Er stellte sich bei der wartenden Sekretärin vor, dann ließ er sich von einem Mitarbeiter durch einen himmelhohen, weiten Raum nach dem anderen führen, bis er schließlich an einer großen zweiflügeligen Tür aus Birkenholz ankam, mit einer kleineren Tür in einem der beiden Flügel.

Der Mitarbeiter klopfte, hinter der Tür ertönte ein »Herein«, die Tür wurde geöffnet, Harriman trat ein, dann zog sich der Mitarbeiter rückwärts gehend zurück, so wie man das vielleicht in Gegenwart eines Monarchen tat, und schloss die Tür hinter sich.

Harriman fand sich in einem streng eingerichteten Eckbüro wieder, das einen prächtigen Ausblick über den Battery Park und auf das One World Trade Center bot. Ein Mann saß hinter einem riesigen, grabplattenähnlichen Schreibtisch aus schwarzem Granit. Harriman erkannte die schlanken, asketischen Gesichtszüge von Anton Ozmian wieder. Ausdruckslos erwiderte Ozmian seinen Blick. Dabei blinzelten seine Augen wie die eines Habichts.

Mehrere Stühle standen vor dem Schreibtisch. Auf einem der Stühle saß eine Frau. In Harrimans Augen sah sie nicht gerade wie eine Firmenangestellte aus – dafür war sie etwas zu leger, wenngleich modisch gekleidet. Was sie wohl in Ozmians Büro tat? War sie seine Freundin? Das Lächeln, das ihre Lippen umspielte, schien auf etwas anderes hinzudeuten.

Ozmian deutete auf einen der anderen Stühle. Harriman nahm Platz.

Es wurde still im Raum. Die beiden hielten ihre Blicke weiter auf Harriman gerichtet, und zwar auf eine Weise, die er rasch beunruhigend fand. Als offenbar keiner der beiden beabsichtigte, etwas zu sagen, ergriff er das Wort.

»Mr. Ozmian, ich habe Ihre Nachricht erhalten und entnehme ihr, dass Sie Informationen besitzen, die für meine derzeitigen Ermittlungen von Belang sind –«

»Ihre ›derzeitigen Ermittlungen‹.« Ausdruckslos, emotionslos, so wie die Augen. »Wir wollen hier doch nicht unsere Zeit verplempern. Ihre derzeitigen Ermittlungen haben meine Tochter den übelsten Verleumdungen ausgesetzt. Nicht nur das, Sie haben ihren Charakter auf eine Art beschmutzt, dass sie sich über ihren Tod hinaus nicht verteidigen kann. Ich werde sie daher selbst verteidigen.«

Mit genau diesen Worten hatte Harriman gerechnet, allerdings nicht damit, dass sie so aufgebracht vorgetragen wurden. »Mr. Ozmian, ich habe die Fakten dargestellt. So einfach ist das.«

»Über Fakten kann und sollte auf eine faire und unparteiliche Art berichtet werden«, sagte Ozmian. »Meine Tochter als eine Person ohne ›rettende Eigenschaft‹ zu bezeichnen und zu behaupten, dass ›es in der Welt besser aussehen würde, wenn sie tot wäre‹, das ist keine Berichterstattung. Das ist Rufmord.«

Harriman wollte gerade darauf antworten, als der Unternehmer mit einem Mal hinter seinem Schreibtisch aufsprang, um diesen herum trat und auf einem Stuhl neben dem Reporter Platz nahm, sodass dieser zwischen Ozmian und der Frau eingekeilt war.

»Mr. Harriman, ich halte Sie für einen vernünftigen Menschen«, fuhr Ozmian fort. »Wenn Sie mir garantieren, kein einziges Wort mehr über meine Tochter zu sagen oder zu schreiben – wenn Sie einfach nur ein paar positive Dinge über sie berichten, um das Leid zu lindern, das Sie verursacht haben –, dann müssen wir kein Wort mehr über die ganze Sache verlieren. Ich werde Sie nicht einmal auffordern, auf der Stelle die niederträchtigen Lügen zu widerrufen, die Sie bereits in die Welt gesetzt haben.«

Eine überraschend milde Kritik, dachte Harriman, auch wenn ihn die Unterstellung, dass er sich leicht beeinflussen ließ, beleidigte. »Es tut mir leid, aber ich muss so über Nachrichten schreiben, wie ich sie sehe, und kann nicht irgendjemanden bevorzugen, nur weil womöglich jemandes Gefühle verletzt werden. Ich weiß, es ist nicht angenehm zu hören, aber es gibt nichts, was ich über Ihre verstorbene Tochter geschrieben habe, das nicht stimmt.«

Es folgte eine kurze Stille. »Verstehe«, sagte Ozmian. »In dem Fall möchte ich Ihnen meine Beraterin, Ms. Alves-Vettoretto, vorstellen. Sie wird Ihnen erläutern, was passiert, wenn Sie auch nur ein weiteres Wort veröffentlichen – nur eines –, das meine Tochter diffamiert.«

Ozmian lehnte sich zurück in seinem Stuhl, während sich die Frau, deren Namen Harriman nicht ganz verstanden hatte, nach vorn setzte. »Mr. Harriman«, sagte sie mit leiser, geradezu seidiger Stimme, »wie ich höre, sind Sie Gründer und treibende Kraft hinter der Shannon Croix Foundation, einer gemeinnützigen Stiftung zur Förderung der Krebsforschung, benannt nach Ihrer verstorbenen Freundin, die an Gebärmutterhalskrebs verstorben ist.« Sie sprach mit leichtem Akzent, der zwar schwer einzuordnen war, ihren Worten jedoch eine gewisse Schärfe verlieh.

Harriman nickte.

»Wie ich zudem höre, ist der Fonds – mit Unterstützung der Post – recht erfolgreich, er hat mehrere Millionen Dollar eingesammelt, und Sie sind Mitglied im Stiftungsrat.«

»Das stimmt.« Harriman hatte keine Ahnung, worauf Ozmian hinauswollte.

»Gestern hatte der Fonds etwas über eine Million Dollar auf dem Konto – ein Geschäftskonto, das im Übrigen auf den Namen der Stiftung lautet, wobei Sie die treuhänderische Verantwortung tragen.«

»Ja, und was ist damit?«

»Heute ist das Konto leer.« Die Frau setzte sich wieder zurück.

Harriman blinzelte vor lauter Überraschung.

»Sie können das selbst nachprüfen. Es ist ganz einfach: Alles Geld, das sich auf dem Konto befunden hat, wurde auf ein Nummernkonto auf den Cayman-Inseln überwiesen. Wie Videoaufzeichnungen beweisen, wurde dieses Konto von Ihnen eröffnet und mit Ihrer Unterschrift versehen, wobei die Bankangestellten allesamt bezeugen können, dass Sie dort anwesend waren.«

»Ich war noch niemals auf den Cayman-Inseln.«

»Aber natürlich waren Sie das. All die Flüge, Ihre Reisepassnummer, es ist eine wunderschöne elektronische Spur extra für Sie geschaffen worden.«

»Wer wird Ihnen das glauben?«

Geduldig fuhr die Frau fort: »Das Geld wurde vollständig vom Konto der Stiftung auf Ihr privates Offshore-Konto überwiesen. Hier sind die Unterlagen der Transaktionen.« Sie griff in eine schmale Aktentasche aus Krokodilleder, die auf einem Tisch in der Nähe lag, zog ein Blatt Papier daraus hervor und hielt es Harriman mehrere Sekunden hin, ehe sie es wieder in die Aktenmappe zurücksteckte.

»Ausgeschlossen. Das ist Mist. Damit werden Sie nicht durchkommen!«

»Doch, werden wir. Wie Sie sich vielleicht vorstellen können, arbeiten in meinem Unternehmen viele sehr gute Programmierer, und die haben einen ganz famosen digitalen Diebstahl begangen, der auf Sie zurückverweist. Sie haben eine Woche Zeit, um eine positive Story über Grace Ozmian zu veröffentlichen. Wir werden Ihnen sogar ein ›Factsheet‹ zur Verfügung stellen, das alle notwendigen Informationen enthält, um Ihnen Ihre Arbeit zu erleichtern. Wenn Sie das tun – und wenn Sie versprechen, danach nicht mehr über sie zu schreiben, nie mehr –, überweisen wir das Geld zurück und löschen die finanzielle Spur.«