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Ein amüsiertes Lächeln huschte über Ozmians Gesichtszüge. »Das stimmt. So etwas nennt man feindliche Übernahme.«

»Verzeihen Sie mir meine Unwissenheit. In geschäftlichen Dingen kenne ich mich nicht gut aus. Ist dies denn der Fall bei den meisten dieser Übernahmen? Dass sie feindlich sind?«

»In vielen Fällen haben sich die Vorstandschefs und Anteilseigner darüber gefreut, dass sie dadurch reich geworden sind.«

»Verstehe.« Pendergast schien nachzudenken, als wäre ihm ein derartiger Gedanke noch nie in den Sinn gekommen. »Aber es gibt einige, die darüber nicht so glücklich waren?«

Ozmian zuckte mit den Schultern, als sei die Frage so banal, dass sie keiner Antwort bedurfte.

»Nochmals, entschuldigen Sie bitte meine Unkenntnis«, fuhr Pendergast im selben untertänigen Tonfall fort. »Und wenn diese Menschen nicht glücklich waren – sondern äußerst unglücklich –, kann es sein, dass sie Sie am Ende gehasst haben, Sie persönlich?«

Es folgte eine kurze Stille, in der sich Pendergast fast unmerklich auf seinem Stuhl weiter nach vorn setzte.

»Worauf wollen Sie hinaus?«

»Gestatten Sie mir, die Frage anders zu formulieren. Sie ist, zugegeben, allzu vage, denn ich bin mir sicher, dass viele Menschen Sie hassen. Mr. Ozmian, wer hasst Sie am meisten?«

»Das ist eine lächerliche Frage. Übernahmen sind im Geschäftsleben gang und gäbe, und ich schenke den Jammerlappen, deren Unternehmen ich erworben habe, keinerlei Beachtung.«

»Möglicherweise ist Ihnen da eine schwerwiegende Fehleinschätzung unterlaufen, und zwar eine, welche Sie in Ihre derzeitigen unglücklichen Umstände gebracht hat.«

»Unglückliche Umstände? Meinen Sie damit den Tod meiner Tochter?« Ozmians Miene verdunkelte sich. Longstreet merkte, dass er wütend war.

Pendergast setzte sich noch etwas weiter vor. »Denken Sie sehr genau über meine Frage nach, Mr. Ozmian, denn ich frage Sie noch einmaclass="underline" Wer hasst Sie am meisten von allen?«

Kurz huschte ein Ausdruck, den Longstreet nicht genau deuten konnte, über Ozmians Gesicht, dann bezwang er seine Wut und setzte wieder seine distanzierte, etwas hochnäsige Miene auf.

»Denken Sie sorgfältig nach«, drängte ihn Pendergast, dessen Stimme einen durchaus eisigen Klang angenommen hatte. »Wer hasst Sie so sehr, dass er Ihre Tochter töten würde – und es nicht nur dabei belassen, sondern zurückkehren und ihren Kopf mitnehmen würde?«

Ozmian gab keine Antwort. Inzwischen war seine Miene ausgesprochen düster.

Pendergast richtete sich auf und zeigte mit dem Finger auf den Vorstandschef von DigiFlood. »Wer hasst Sie so sehr, Mr. Ozmian? Ich weiß, dass Ihnen ein Name vorschwebt. Aber indem Sie mir diesen Namen verschweigen, helfen Sie mittelbar dieser Person, die möglicherweise Ihre Tochter umgebracht hat.«

Im Zimmer breitete sich eine unangenehme, vergiftete Atmosphäre aus. Endlich schauten sowohl Ozmian als auch die Mitarbeiterin ohne Namen Pendergast mit ungeteilter Aufmerksamkeit an. Wieder setzte Ozmian eine absichtsvoll neutrale Miene auf, doch Longstreet spürte, dass es in dem Mann brodelte. Eine Minute verstrich, dann zwei, bis Ozmian erneut das Wort ergriff.

»Robert Hightower«, sagte er schließlich mit teilnahmsloser Stimme.

»Noch einmal«, sagte Pendergast. Das war ein Befehl, keine Bitte.

»Robert Hightower. Der Ex-Vorstandschef von Bisynchrony.«

»Und warum hasst er Sie?«

Ozmian verlagerte sein Gewicht auf dem Stuhl. »Sein Vater war Streifenpolizist, er stammt aus einer Familie von New Yorker Polizisten. Ist in Brooklyn aufgewachsen, in ärmlichen Verhältnissen. Aber er war ein Mathegenie. Er hat einen Algorithmus erfunden, mit dem sich Dateien komprimieren lassen, während man diese gleichzeitig in Echtzeit streamt. Er hat ihn weiter verbessert, die Datenübertragungsrate maximiert und zugleich die binäre Auflösung erhöht. Als der Algorithmus imstande war, eine Bit-Tiefe von 32 zu verarbeiten, hat das mein Interesse geweckt. Aber Hightower wollte nicht Teil der DigiFlood-Familie werden. Ich habe mein Angebot mehrmals versüßt, doch er hat mich weiter abgewiesen. Er hat gesagt, der Algorithmus sei sein Baby, sein Lebenswerk. Am Ende habe ich mich gezwungen gesehen, den Kurs der Bisynchrony-Aktie zu drücken – wie, das tut hier nichts zur Sache. Er musste mir alles verkaufen. Zur damaligen Zeit hat er mir die Schuld daran gegeben, ich hätte, wie er das melodramatisch ausdrückte, ›sein Leben ruiniert‹. Hat mehrere Prozesse gegen mich angestrengt, womit er nichts weiter erreichte, als sein Bankkonto leer zu räumen. Wieder und wieder hat er mich angerufen, hat gedroht, mich umzubringen, meine Firma zu ruinieren und meine Familie zu zerstören, bis ich schließlich ein Betretungsverbot gegen ihn erwirkt habe. Ein Jahr nach der Übernahme ist der Wagen seiner Frau eine Klippe hinabgestürzt. Die Frau saß am Steuer, betrunken. Natürlich bestand da keinerlei Zusammenhang.«

»Natürlich«, sagte Pendergast süffisant. »Und warum haben Sie das der Polizei nicht schon früher mitgeteilt?«

»Sie haben mich gefragt, wer mich am meisten hasst. Diese Frage habe ich beantwortet. Aber es gibt Hunderte weitere Personen, die mich hassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeine von ihnen eine unschuldige junge Frau ermordet und ihr den Kopf abschneidet.«

»Aber Sie haben doch gesagt, dass Robert Hightower tatsächlich damit gedroht hat, Sie und Ihre Familie umzubringen. Haben Sie ihm geglaubt?«

Ozmian schüttelte den Kopf. Er schien sich geschlagen zu geben. »Ich weiß es nicht. Die Leute sagen törichte Dinge. Aber Hightower … der ist wirklich die Wände hochgegangen.« Er blickte von Pendergast zu Longstreet, dann wieder zu Pendergast. »Ich habe Ihre Frage beantwortet. Und jetzt verschwinden Sie.«

Für Longstreet war damit klar, dass sich Ozmian weder zu diesem noch zu irgendeinem anderen Thema äußern würde.

Pendergast erhob sich von seinem Stuhl, verneigte sich leicht, ohne anzubieten, Ozmian die Hand zu reichen.

Ozmian reagierte mit flüchtigem Nicken.

Minuten später, als die Fahrstuhltüren sich flüsterleise öffneten und sie beide hinaus in die Eingangshalle traten, konnte Longstreet sich einfach nicht mehr zurückhalten. »Aloysius«, sagte er lachend, »das war eine tour de force. Ich bezweifle, dass ich jemals einen Agenten erlebt habe, der den Spieß derart geschickt umgedreht hat. Betrachte dich offiziell als rehabilitiert.«

Pendergast nahm das Kompliment schweigend entgegen.

Auf der gegenüberliegenden Seite der großen Lobby blieb Bryce Harriman – der soeben durch eine der Drehtüren aus der Kälte hereingekommen war – unvermittelt stehen. Er erkannte den Mann wieder, der da aus einem der Aufzüge trat: Das war doch dieser Pendergast, dieser geheimnisumwitterte Special Agent des FBI, der auf die eine oder andere Art und Weise in mehreren Mordfällen, über die er im Lauf der Jahre geschrieben hatte, eine Rolle spielte.

Der FBI-Agent konnte hier bei DigiFlood nur eines gewollt haben: im Fall des Enthaupters ermitteln, vielleicht sogar Ozmian befragen. Dann hätte Ozmian jetzt bestimmt richtig miese Laune. Umso besser. Kurz darauf eilte Harriman in Richtung Sicherheitsstation.

44

Lieutenant Vincent D’Agosta saß im sauberen und aufgeräumten Wohnzimmer des Apartments, das er gemeinsam mit Laura Hayward bewohnte, trank missmutig ein Budweiser und lauschte dem Verkehrslärm unten auf der Avenue. Aus der Küche drangen Kochgeräusche – das Knarren einer sich öffnenden Backofentür, das Puff! eines Gasbrenners, der entzündet wurde. Laura, eine ausgezeichnete Köchin, war drauf und dran, sich selbst zu übertreffen bei ihren Vorbereitungen für das Neujahrsessen.

D’Agosta wusste genau, warum sie sich so viel Mühe gab – um ihn aufzuheitern, um dafür zu sorgen, dass er den Enthaupter-Fall vergaß … wenn auch nur für kurze Zeit.

Das bereitete ihm ein schlechtes Gewissen. Denn er hatte das Gefühl, all dieser Bemühungen unwürdig zu sein – mehr noch, im Moment hatte er das Gefühl, allem unwürdig zu sein.