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Aber es hat mich zum Glück niemand gesehen.«

Eine Weile schwiegen sie beide, standen da und blickten zum Mond hinauf. Dann sagte Victor: »Deine Idee. du weißt schon, die mit Barbarossa, sie hat funktioniert.«

»Wirklich?« Scipio setzte seinen Hut wieder auf und zog die Krempe tief ins Gesicht. »Tja, ich wusste ja, sie ist genial. Wie geht es den anderen? Sind sie noch bei Ida?«

»Prosper, Wespe und Bo schon«, antwortete Victor. »Mosca und Riccio hausen jetzt in einem leer stehenden Lagerhaus in Castello. Aber wie geht es dir?«

Neugierig sah er in Scipios Gesicht. Sonderlich glücklich sah der Herr der Diebe nicht aus, soweit Victor das in der Dunkelheit erkennen konnte. Eher ein bisschen müde.

»Wenn du nichts Besseres zu tun hast«, meinte Victor, als Scipio nicht gleich antwortete, »dann begleite mich doch einfach ein Stück und erzähl mir unterwegs, was du so gemacht hast. Es ist zu kalt, um hier einfach nur herumzustehen, und ich muss nach Hause, ich bin schon den ganzen Tag auf den Beinen und fast verhungert.«

Scipio zuckte die Achseln. »Ich habe nichts Besonderes vor«, antwortete er. »Und das Hotelzimmer, das ich mir genommen habe, ist nicht so gemütlich, dass man Sehnsucht danach hat.« Also machten sie sich gemeinsam auf den Weg zu Victors Wohnung. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinanderher. In den Gassen zwischen Markusplatz und Canal Grande drängten sich noch immer die Menschen, denn die Luft war nicht so eisig wie an den vergangenen Abenden und der Himmel über der alten Stadt war voller Sterne. Scipio brach sein Schweigen erst, als sie an die Rialtobrücke kamen.

»Eigentlich habe ich nichts Besonderes gemacht«, sagte er, als sie Seite an Seite die Stufen hinaufstiegen. Tausend Lichter spiegelten sich auf dem Wasser, die Lichter der Restaurants am Ufer, die Lichter der Gondeln, der Vaporetti, die hell erleuchtet über den breiten Kanal schlingerten. Das Licht schillerte auf dem schwarzen Wasser, schwappte glitzernd zwischen den Booten und trieb gegen das steinerne Ufer. Schwimmendes Licht. Es war schwer, sich von dem Anblick loszureißen. Victor lehnte sich über die Brüstung. Scipio spuckte hinüber. »Was tun Erwachsene so den ganzen Tag, Victor?«, fragte er. »Arbeiten«, antwortete Victor. »Essen, einkaufen, Rechnungen bezahlen, telefonieren, Zeitung lesen, Kaffee trinken, schlafen gehen.«

Scipio seufzte. »Nicht sehr aufregend«, murmelte er und stützte die Arme auf die Brüstung. »Tja«, brummte Victor. Mehr fiel ihm nicht ein. Langsam schlenderten sie weiter, die Brücke hinunter und wieder hinein in das Gewirr von Gassen, in dem jeder Fremde sich mindestens einmal verläuft.

»Mir wird schon noch was anderes einfallen«, sagte Scipio. Trotz klang aus seiner Stimme. »Irgendetwas Verrücktes, Abenteuerliches. Vielleicht sollte ich einfach zum Flughafen fahren und in irgendein Flugzeug steigen, oder ich werde Schatzsucher, darüber habe ich mal was gelesen. Ich könnte auch tauchen lernen.« Victor musste grinsen, und Scipio bemerkte es. »Du machst dich lustig über mich«, sagte er ärgerlich. »Ach was!«, brummte Victor. Schatzsucher, Taucher, so was hatte er nie werden wollen.

»Gib zu, du hast es auch gern etwas abenteuerlich!«, sagte Scipio. »Du bist schließlich Detektiv.«

Dazu sagte Victor nichts. Die Füße taten ihm weh, er war müde, und er hätte jetzt gern bei Ida auf dem Sofa gesessen. Warum, zum Teufel, tat er es nicht? Trottete stattdessen in der Nacht herum. »Du solltest dich mal wieder bei deinen alten Freunden sehen lassen«, sagte er, als sie die Brücke überquerten, von der aus man seinen Balkon sah. »Oder stört es dich, dass sie jetzt ein paar Köpfe kleiner sind als du? Ich glaube, sie fragen sich oft, wo du steckst.«

»Mach ich, mach ich«, sagte Scipio abwesend, als wären seine Gedanken plötzlich ganz woanders. Dann blieb er abrupt stehen. »Victor!«, sagte er. »Ich glaube, ich habe schon wieder eine geniale Idee.«

»Oje«, murmelte Victor und trat müde auf seine Haustür zu. »Erzählt mir morgen, ja? Vielleicht kommst du zum Frühstück zu Ida. Ich werde auch da sein, ich bin fast jeden Tag bei ihr.«

»Nein, nein!« Scipio schüttelte energisch den Kopf. »Ich erzähl's dir gleich.«

Er holte tief Luft und für einen Moment sah er wieder aus wie der Junge, der er noch vor kurzem gewesen war. »Also, pass auf. Du bist doch nicht mehr der Jüngste.«

»Was soll das denn heißen?« Victor drehte sich ärgerlich zu ihm um. »Wenn du damit meinst, dass ich kein Kind bin, das im Körper eines Erwachsenen herumläuft, dann hast du Recht.«

»Nein, Unsinn!« Ungeduldig schüttelte Scipio den Kopf. »Aber du machst diese Detektivarbeit doch nun schon viele Jahre - tun dir nicht manchmal die Füße weh, wenn du stundenlang hinter jemandem herläufst? Erinner dich dran, wie mühsam es war, uns zu verfolgen.«

Victor warf ihm einen finsteren Blick zu. »Daran will ich mich nicht erinnern«, knurrte er und schloss die Haustür auf. »Ja, ja, schon gut.« Scipio drängte sich an ihm vorbei. »Aber stell dir doch mal vor.«, er sprang so behände die Treppe hinauf, dass Victor ins Keuchen kam, als er versuchte hinterherzukommen, »stell dir vor, das ganze Herumgerenne, die nächtlichen

Beschattungen, all das, wovon dir dir Füße wehtun, würde jemand anderes übernehmen. Jemand.«, Scipio machte vor Victors Wohnungstür Halt und breitete triumphierend die Arme aus, ». jemand wie ich!« »Was?« Victor blieb schwer atmend vor ihm stehen. »Wie meinst du das? Du willst für mich arbeiten?« »Natürlich. Ist das nicht eine wunderbare Idee?« Scipio zeigte auf Victors Schild, das dringend wieder mal geputzt werden musste. »Getz könnte natürlich weiter an erster Stelle stehen, aber darunter käme mein Name.«

Victor wollte gerade antworten, aber da öffnete sich die Wohnungstür gegenüber und seine Nachbarin, die alte Signora Grimani, schob den Kopf heraus.

»Signor Getz«, wisperte sie mit einem neugierigen Seitenblick auf Scipio, »wie gut, dass ich Sie noch antreffe. Wären Sie so freundlich, mir morgen früh, wenn Sie zum Bäcker gehen, ein Brot mitzubringen? Sie wissen ja, das Treppensteigen fällt mir an diesen feuchten Tagen so schwer.«

»Natürlich, Signora Grimani«, antwortete Victor und polierte sein Schild mit dem Jackenärmel. »Soll ich Ihnen sonst noch etwas besorgen?«

»Nein, nein!« Signora Grimani schüttelte den Kopf und musterte Scipio so verstohlen, wie man jemanden mustert, dessen Namen man vergessen hat.

»Dottor Massimo!«, rief sie plötzlich und klammerte sich an ihre Klinke. »Ich habe Ihr Foto in der Zeitung gesehen, und im Fernsehen waren Sie auch schon einmal. Das mit Ihrem Sohn tut mir Leid. Ist er schon wieder aufgetaucht?«

»Bedauerlicherweise nicht, Signora«, antwortete Scipio mit ernstem Gesicht. »Genau deshalb bin ich hier. Signor Getz will mir bei der Suche nach ihm helfen.« »Oh, das ist gut! Benissimo! Signor Victor ist der allerbeste Detektiv der Stadt! Sie werden sehen!«

Signora Grimani strahlte Victor an, als wäre ihm ein Paar schneeweißer Engelsflügel gewachsen.

»Buona notte, signora Grimani!«, knurrte Victor und zog Scipio mit in seine Wohnung, bevor er noch mehr Gerüchte in die Welt setzte.

»Na, wunderbar!«, schimpfte er, während er sich aus dem Mantel kämpfte. »Jetzt wird bald ganz Venedig wissen, dass Victor Getz den Sohn von Dottor Massimo sucht. Was, zum Teufel, hast du dir dabei gedacht?« »Oh, das war nur so eine Eingebung.« Scipio hängte seinen Hut an Victors Garderobe und sah sich um. »Ziemlich eng«, stellte er fest.

»Tja, nicht jeder hat einen eigenen Brunnen und Decken, die fast so hoch wie die im Dogenpalast sind«, brummte Victor. »Aber mir und meinen Schildkröten reicht es.«

»Deine Schildkröten, ach ja.« Scipio schlenderte in Victors Büro und setzte sich auf einen der Besucherstühle. Victor ging in die Küche, um Salat für die Schildkröten zu holen.