»Das habe ich bedacht.« Mrs. Murphy hätte Pusskin am liebsten einen Klaps gegeben. Sie bemühte sich, ihr Miauen freundlich klingen zu lassen.»Ich schlage vor, daß ihr Feldmäuse fangt und in der Sattelkammer abliefert. Die Menschen erkennen den Unterschied nicht.«
Rodger rieb sich mit der Vorderpfote die Schnurrhaare. Er runzelte die Stirn. Der weise alte Bursche wollte die möglichen Folgen einer solchen Abmachung bedenken.»Es wird eine Zeitlang funktionieren, Murphy, aber wenn die Körner schwinden und die Stallmäusebevölkerung nicht abnimmt, werden die Menschen dahinterkommen, daß etwas nicht stimmt. Ich will nicht, daß Pusskin oder ich gefeuert werden.«
»Das würde Mim nie tun«, vermutete Tucker richtig.
»Das kann ich nur hoffen.« Rodger kannte Katzen, die ihre Arbeit verloren hatten, weil sie träge geworden waren.»Aber selbst wenn sie uns bleiben läßt, holt sie vielleicht noch eine Katze hinzu, und damit will ich mich nicht herumschlagen. Das hier ist mein Stall.«
»Und wenn wir die Stallmäuse bitten, sich nicht zu zeigen?« Mrs. Murphy bemühte sich um eine Lösung.»Dann würden die Menschen sie wenigstens nicht sehen. Ihr wißt ja, wie sie sich mit Mäusen anstellen.«
»Sehen ist schlimm genug. Aber die Körner sind es, die mir Sorgen machen«, sagte der besonnene Rodger.
»Können sie nicht mit dem auskommen, was die Pferde auf die Erde werfen? Pferde sind doch so schlampige Esser«, warf Pusskin ein. Keine schlechte Idee für eine beschränkte Mieze, mußte Mrs. Murphy zugeben.
»Weniger Futter. Mehr Sicherheit«, schnurrte Rodger.»Ein Handel. Ist wohl einen Versuch wert, aber Murphy, warum interessiert es dich, was in Orions Box ist?«
»Sag bloß nicht aus Neugierde«, warnte Tucker.
Mrs. Murphy atmete die frische Luft ein. Ihr Kopf fühlte sich so klar an wie die Luft um sie herum.»Ich glaube, das Morden ist noch nicht vorüber, und ich glaube, was immer in Orions Box ist, könnte ein Teil der Lösung sein.«
»Wenn die Menschen sich gegenseitig umbringen, ist das ihre Sache«, fauchte Pusskin, keine große Anhängerin der menschlichen Rasse.
»Aber wenn Mim dadurch in Gefahr gerät?« Mrs. Murphy streckte eine Pfote nach Pusskin aus, als wolle sie sie schlagen.»In ihrem Stall ist etwas passiert. Etwas, das mindestens ein paar Jahre zurückliegt. Mickey Townsend richtet mitten in der Nacht eine Pistole auf Coty Lamont. Coty hat in Orions Box gegraben. Mickey läßt ihn das Loch wieder zuschütten, dann bringt er ihn weg. Cotys Wagen war nicht hier. Er ist von irgendwo zu Fuß gekommen, und Mickey ist ihm nachgeschlichen. Ziemlich eigenartig. Am nächsten Tag liegt Coty Lamont tot auf der Ladefläche des Lieferwagens, mit einem Messer im Herzen und einer weiteren Spielkarte drauf, der Pikdame. Das hat Cynthia Cooper meiner Mom erzählt, als sie vorgestern abend zusammen gegessen haben.« Sie holte Atem.
Pusskin platzte heraus:»Das bedeutet, Mickey ist der Mörder.«
»Vielleicht ja und vielleicht nein. Addie hat ein Kilo Kokain in ihrem Banksafe und sagt, es hat Nigel Danforth gehört.«
»O nein!« riefen Rodger und Pusskin wie aus einem Munde.
»Sie hat es Rick Shaw erzählt. Jetzt hat sie eine schöne Bescherung am Hals.« Tucker war von demselben Drang beseelt wie ihre beste Freundin.»Und ich glaube nicht, daß sie's ihm gesagt hätte, aber Mom und Mrs. Hogendobber haben sie dazu gezwungen. Ich vermute, das ist noch nicht das Ende vom Lied, denn Addie sollte das Kilo bei Linda Forloines abliefern, und was wird Linda tun, wenn sie nicht aufkreuzt?«
»Dann könnte Addie in Gefahr sein?« Rodger hatte Addie gern.
»Jeder könnte in Gefahr sein, vor allem wenn ich mit dem Geheimnis in Orions Stall recht habe. Was, wenn Mim durch puren Zufall auf die Wahrheit stößt? Ihr könnt eure Besitzerin nicht so einer Gefahr aussetzen. Ich weiß, ihr seid keine Hauskatzen, aber Mim ist anständig und kümmert sich um euch. Und - « Mrs. Murphy senkte die Stimme -»was wäre aus euch geworden, wenn sie euch nicht aus dem Tierheim gerettet hätte? Es gibt zu viele Katzen, und egal, wieviel Gutes der Tierschutzverein tut - nun, ihr kennt das ja.«
Nach dieser bitteren Ermahnung blieben die Tiere eine ganze Weile still.
Schließlich sagte Rodger entschlossen:»Es ist eine Ehrenschuld. Für Mim tun wir unser Bestes. Pusskin?«
»Was immer du sagst, Liebster.«
Er blähte die rote Brust auf, schleckte Pusskins hübsches Gesicht ab und sagte dann:»Verhandeln wir also mit den Mäusen.«
Die Mäuse tummelten sich in den Wänden der Sattelkammer. Mim hatte die Sattelkammer isolieren lassen, so daß zwischen den beiden Wänden eine Menge Raum war, angefüllt mit warmem Isoliermaterial, wo Mäuse mühelos hinein- und hinausgelangen konnten, weil sie von der nächstliegenden Boxentür einen Gang gegraben hatten. Sie hatten inzwischen zahlreiche Ein- und Ausgänge angelegt, was Rodger Dodger zur Verzweiflung trieb, weil ihm und Pusskin selbst dann, wenn sie sich aufteilten, um die Löcher zu bewachen, die Mäuse durch die Lappen gingen.
Das heisere Quieken verstummte, als die Mäuse die nahenden Katzen hörten und rochen.
»Muß eine ganze Armee sein«, warnte die Obermaus, ein kesses Weibchen.
Rodger legte seine rosa Nase an den Eingang eines der Löcher. »Loulou, wir sind's, Rodger und Pusskin. Mrs. Murphy und Tucker, die Corgidame von drüben beim Yellow Mountain, sind bei uns.«
»Die Tiere von der Post«, erwiderte Loulou. Ihre hohe Stimme war klar und schrill.
»Woher weiß die das?« fragte Mrs. Murphy.
»Wir wissen alles. Außerdem haben wir Verwandte in Market Shifletts Laden. Pewter ist zu fett, um sie zur Strecke zu bringen.«
Murphy kicherte. Tucker ebenso.
»Loulou, ich komme mit einem Angebot, das ihr euch überlegen solltet.«
Nach einem Augenblick des Schweigens ließ sich Loulou argwöhnisch vernehmen:»Wir sind ganz Ohr.«
»Wißt ihr, was in Orions Box vergraben ist?«
»Ich als die älteste Maus weiß es«, erwiderte Loulou geschwind. »Aber ich sag's euch nicht.«
Rodger zügelte seinen Zorn, doch Pusskin klagte:»Sie ist eine richtige Klugscheißerin.«
Mrs. Murphy flüsterte ihr zu, sie solle still sein.
»Loulou, ich erwarte nichts umsonst. Pusskin und ich erklären uns bereit, keine Stallmäuse zu fangen, und zwar für ein Jahr - « der letzte Teil war Rodgers eigener Zusatz -,»wenn ihr euch bereit erklärt, euch vor den Menschen nicht blicken zu lassen. Sonst denken sie, Pusskin und ich faulenzen herum, und wir kommen in Teufels Küche, und Mim versucht womöglich, noch eine Katze herzubringen. Könnt ihr unsere Lage verstehen?«
»Ja.«
»Schön, ein Jahr Freiheit für die Information - und versucht, euch nicht zu stark zu vermehren, ja?«
»Es ist ein freier Lauf zur Futterkammer, ohne jede Deckung. Die Menschen werden uns sehen.« Loulou suchte Zeit zu schinden, wie das aufgeregte Geplapper im Hintergrund bewies.
»Unter den Futtereimern der Pferde liegen jede Menge Körner. Zeigt eure Gesichter nur nicht tagsüber im Stall, und wenn ihr abends einen Menschen kommen hört, geht in Deckung. Sonst geraden wir alle miteinander in eine wirklich schlimme Lage.«