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Als bekannt wurde, welches Glück mir widerfahren war, sagten manche Leute - darunter sogar einige Schriftsteller - zu mir: »Wow, wenn du diesen Vertrag erfüllt hast, brauchst du nie wieder etwas zu schreiben!« Ich wollte alle vier Romane vor meinem zweiundvierzigsten Geburtstag abliefern. Was sollte ich danach tun? Endlich in Bars verkehren, wo Wettbewerbe im Zwerge-Werfen stattfinden? Bekanntlich neigen Menschen wie ich zu abartigen Vergnügungen dieser Art, wenn wir nicht ausreichend beschäftigt sind.

Der springende Punkt war aber, daß ich fast mein ganzes Leben lang geschrieben hatte. Nichts hatte mich davon abhalten können, keine noch so schlechte Bezahlung; sogar Zeiten, in denen ich nicht einmal fünf Cent verdiente, hatten mich nicht abschrecken können. Warum sollte ich also ausgerechnet in dem Moment aufhören, wo ich Leser hatte, die meine Werke liebten? Es ist nicht das Geld, das mich zum Schreiben motiviert, es ist vielmehr der Schaffensprozeß, das Geschichtenerzählen, das Ersinnen von Charakteren, die leben und atmen, die Freude am Spiel und am Kampf mit Wörtern, aus denen eine Art Musik entsteht - so gut ich eben dazu in der Lage bin.

Die Schriftstellerei kann zermürbend und nervenaufreibend sein, beispielsweise, wenn ich eine Seite zum sechsundzwanzigsten Mal umarbeite (manchmal komme ich mit weniger als sechsundzwanzig Entwürfen aus, manchmal brauche ich noch mehr, das hängt von meiner jeweiligen Geistesverfassung ab). Wenn ich mich endlos mit Syntax und Wortwahl herumgeschlagen habe, bin ich nach zehn Stunden am Computer manchmal so weit, daß ich mir wünsche, in einem Supermarkt Waren einzuräumen oder in einer dunstigen Kantine Geschirr zu spülen - Jobs, die ich vorübergehend ausgeübt habe, wenn auch nie sehr lange. In besonders schlimmen Momenten würde ich sogar das Ausnehmen von Heilbutt auf einem stinkenden alaskischen Fischkutter dem Schreiben vorziehen. Ja, ich wäre dann sogar bereit - Gott steh mir bei! -, Außerirdischen bei den Untersuchungen zu helfen, die sie allem Anschein nach so gern an unglücklichen entführten Amerikanern durchführen.

Aber Sie müssen eines verstehen: Die Schriftstellerei ist in intellektueller und emotionaler Hinsicht auch sehr befriedigend - und sie macht viel Spaß. Wenn einem Schriftsteller seine Arbeit keinen Spaß macht, werden seine Geschichten auch dem Leser keine Freude bereiten. Niemand wird sie kaufen, und seine Karriere wird bald zu Ende sein.

Das ist für mich das Geheimnis einer erfolgreichen und fruchtbaren Schriftstellerkarriere: Hab Spaß an deiner Arbeit, amüsiere dich dabei, lache und weine über deine eigenen Geschichten, zittere vor Angst mit deinen Gestalten. Wenn du das kannst, wirst du höchstwahrscheinlich auch eine große Leserschaft haben; doch selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, wirst du ein glückliches Leben, führen. Ich messe Erfolg nicht an den Verkaufszahlen, sondern an der Freude, die meine Arbeit und das vollendete Werk mir bereiten.

O ja, hin und wieder mißt irgendein geistesgestörtes Individuum in aller Öffentlichkeit meinen Erfolg tatsächlich an dem, was ich verdiene - und regt sich maßlos darüber auf. Die Tatsache, daß Leute meine Geschichten mögen, ist für diesen Verrückten ein unerträglicher persönlicher Affront, und er (oder auch sie) publiziert in regelmäßigen Abständen lange, stilistisch grauenvolle Artikel des Inhalts, daß die Welt zugrunde geht, nur weil ich lebe und viel Geld verdiene. (Ich meine nicht die echten Kritiker; die sind eine andere Spezies, und neunzig Prozent von ihnen mögen meine Arbeit; die restlichen zehn Prozent beurteilen meine Geschichten zwar negativ, behaupten aber nicht, daß ich einen mörderischen Körpergeruch verströme oder aber insgeheim ein Massenmörder bin.) Obwohl die Forschungsergebnisse brillanter Mediziner in den Zeitungen bestenfalls auf Seite 23 kurz erwähnt werden, und obwohl Millionen mutiger und humaner Taten völlig unerwähnt bleiben, lassen sich die Schwätzer weitschweifig darüber aus, daß ich der literarische Antichrist bin.

Natürlich bin nicht nur ich davon betroffen. Jeder erfolgreiche Schriftsteller wird von diesen komischen Käuzen gelegentlich mit Schmutz beworfen. Meine Familie und ich, wir sind sehr nachsichtig und menschenliebend, und deshalb bezeichnen wir solche Leute nur als »verbitterte Unzufriedene« oder als »humorlosen Abschaum«. (In aufgeklärteren Jahrhunderten als dem unseren wurde erkannt, daß sie von Dämonen besessen sind, und entsprechend wurde mit ihnen verfahren.)

Ich stehe auf dem Standpunkt, daß das Schreiben aus reiner Liebe am Schreiben sogar gegen ungerechtfertigte Angriffe satanischer Kräfte Schutz bietet. Was diese Schmierfinken nie verstehen werden, ist folgendes: Selbst wenn ihr sehnlichster Wunsch in Erfüllung ginge und ich auf der ganzen weiten Welt keinen Verleger mehr fände, würde ich weiterhin schreiben, meine Büchlein notfalls selbst heften und mit Isolierband verzieren - und sie dann diesen Miesmachern überreichen, nur um sie zu ärgern. Man kann mir einfach nicht entrinnen. Es ist wirklich zum Fürchten!

2

Die meisten Literaturagenten raten jungen Autoren, keine Kurzgeschichten zu schreiben. Es gilt als töricht, unproduktiv und selbstzerstörerisch, seine Zeit mit Kurzgeschichten zu vergeuden; man wird als hoffnungsloser Amateur eingestuft und verdächtigt, das degenerierte Produkt einer Ehe zwischen Vetter und Kusine ersten Grades zu sein.

Dieses Vorurteil hängt mit der Tatsache zusammen, daß es kaum einen Markt für Kurzgeschichten gibt. Die meisten Zeitschriften drucken keine ab, und pro Jahr erscheint nur eine Handvoll Anthologien. Wenn Edgar Allan Poe heutzutage leben würde, würde sein Agent ihm seine brillanten Kurzgeschichten und Novellen ständig um die Ohren hauen und brüllen: »Romane, du Vollidiot! Kannst du denn nicht hören? Was ist los mit dir - bist du vielleicht heroinsüchtig? Schreib endlich für den Markt! Schluß mit diesem mittellangen Mist wie Der Untergang des Hauses Usher!«

Entsprechend schlecht werden Kurzgeschichten bezahlt, sogar wenn es einem gelingt, sie irgendwo unterzubringen. Im allgemeinen bringt eine Kurzgeschichte nur ein paar hundert Dollar ein. Wenn der Autor es schafft, sie dem Playboy zu verkaufen, bekommt er eventuell sogar ein paar tausend Dollar - und dann redet er sich ein, daß zumindest einer von den Millionen Fans dieses Magazins seine Geschichte auch wirklich lesen wird. Dabei braucht man manchmal zwei oder drei Wochen - oder zwei Monate! -, um eine Kurzgeschichte zu Papier zu bringen. Folglich wird jeder Autor, der sich auf Kurzgeschichten konzentriert - sogar wenn er gelegentlich etwas im Playboy unterbringt -, gezwungen sein, sehr viel Reis mit Bohnen zu essen, oder sogar etwas noch Preiswerteres, vielleicht Heu. Das Manuskript von Das verräterische Herz würde der Literaturagent dem armen verwirrten Edgar Allan Poe natürlich ebenfalls um die Ohren schlagen. »Romane! Romane, Romane, du Trottel!« bekäme er zu hören. »Mit Romanen läßt sich Geld machen, Eddie! Hör zu, nimm dir diese komische Maske des Roten Todes noch einmal vor, kürz den Titel - Roter Tod hört sich viel besser an -, bläh diese Geschichte auf mindestens hunderttausend Wörter auf, und dann hast du etwas! Vielleicht können wir sogar die Filmrechte verkaufen! Aber dazu müßtest du eine Rolle für Jim Carrey einbauen. Und könnte dieser Typ, dieser Rote Tod, nicht ein bißchen weniger ernst sein? Könntest du ihn nicht etwas dümmlich gestalten?«

Trotz des Risikos, von unseren Agenten verprügelt und von klügeren Schriftstellern, die ihre Zeit nicht mit Kurzgeschichten vergeuden, als Narren, Träumer und Amateure beschimpft zu werden, schaffen es manche von uns, gelegentlich eine Kurzgeschichte oder einen Kurzroman einzuschieben. Das liegt einfach daran, daß uns manchmal Ideen kommen, die sich einfach nicht auf hundertfünfzigtausend Wörter auswalzen lassen, die uns aber andererseits nicht loslassen, die uns verfolgen und niedergeschrieben zu werden verlangen. Und dann holen wir eben unsere Notizblöcke, Heftklammern und Isolierbänder hervor ...