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Artax spürte, wie auch er von Trümmern getroffen wurde, doch vermochte nichts seine lederne Rüstung zu durchschlagen. Jene Rüstung, in die der Löwenhäuptige seine Zauber gewoben hatte, um ihn vor den Schwertern der Daimonen zu schützen.

Der Unsterbliche schlug hart mit dem Helm gegen die Bordwand. Ein stechender Schmerz fuhr durch seine linke Schulter. Die Wucht von Treffern vermochte auch der Zauber des Devanthar nicht zu bannen.

Krieger seiner Leibwache stürmten ihm entgegen. Männer in funkelnder Bronze, deren weiße Umhänge im Laufen wie Banner hinter ihnen wogten.

Artax hob die Hand, gebot ihnen anzuhalten. Er schüttelte den Kopf, fühlte sich leicht benommen. Seine Rechte griff nach der Reling, und er zog sich an der Bordwand hoch. »Alles in Ordnung!«, sagte er mit fester Stimme. »Alles in Ordnung.«

Er sah die Erleichterung in den Gesichtern der Männer. Der Unsterbliche blickte zu den Holzverstrebungen des Oberdecks über ihm. Wenn er jemals solch einen Wolkensammler besitzen sollte, dann würde das Flugdeck mindestens doppelt so hoch sein!

Volodi landete, sprang aus dem Sattel und kam zu ihm gelaufen. »Bei den Göttern, du lebst dich!« Der Drusnier zog ihn an sich und drückte ihn, als wollte er ihm alle Rippen brechen.

»Nach einer Begrüßung von dir habe ich mehr Prellungen als nach so einem kleinen Missgeschick.«

Artax blickte über die Trümmer, die überall verteilt lagen. Einen Flügel des Löwen hatte es völlig zerfetzt, ihm fehlten zwei Beine, und der Rumpf war so verzogen, dass kaum noch zu erkennen war, was für ein Tier er einmal dargestellt hatte.

»Ich hoffe mich, ist sich deine Schatzkammer wohlgefüllt.« Volodi löste den Lederriemen seines Maskenhelms und nahm ihn ab. Sein langes, blondes Haar klebte ihm in nassen Strähnen an Schläfen und Stirn.

»Wie meinen?« Auch Artax nahm den Helm ab.

»Drusnische Zimmerleute sind sich teuer.«

Artax lächelte. »Dann schicke ich dir ein paar von meinen Männern. Die bringen deinen Jungs dann auch bei, wie man gerade Bretter sägt und ein vernünftiges Wolkenschiff baut.«

»Klingt da sich Neid von Mann ohne Mittel in dich Worten?« Der Drusnier grinste breit und zeigte dabei makellos weiße Pferdezähne.

Jetzt musste Artax lachen. »Ja, dein Wolkensammler weckt den Neid jedes Unsterblichen und vielleicht sogar den der Götter.« Er deutete auf den hinteren Bereich des Flugdecks. »Ist alles vorbereitet?«

Das Lächeln verschwand aus Volodis Antlitz. »Du willst dich das wirklich tun? Das ist sich verrückt!«

»Deshalb bin ich mir ja sicher, dass du mitmachen wirst.« Artax fühlte sich nicht annähernd so selbstsicher, wie er klang. Bevor er den Meerwanderer gesehen hatte, war er überzeugt gewesen, dass sie der Bestie die Amphoren mit dem Traumeis stehlen konnten. Sie würden es so machen wie Kolja. Wind vor regenschwerem Horizont hatte versprochen, ihnen zu helfen. Aber jetzt, da diese wütende Naturgewalt weniger als eine halbe Meile entfernt war, hatte er das Gefühl, dass sich jeden Augenblick seine Gedärme in Wasser verwandeln würden. Er wollte nicht zu der großen Frachtluke, die im Boden des Flugdecks geöffnet worden war. Sechs Dreibeine umstellten die Öffnung. Kräne, von denen über Winden armdicke Taue hingen.

»Ruft die Bären und Löwen zurück!«, befahl Volodi ärgerlich seinen Männern. »Gegen diesen Fleischturm können sie ohnehin nichts ausrichten.«

Artax spürte, wie der Wolkensammler seinen Flügelschlag verlangsamte. Sie waren keine dreihundert Schritt vom Meerwanderer entfernt und flogen etwa eine halbe Meile über der See. Das war zu hoch!

Hörner erklangen auf den Decks des Wolkenschiffes. Die Silberlöwen und Bären, die noch draußen waren, kreisten in einiger Höhe über dem Meerwanderer, und ihre Reiter schleuderten Wurfspieße auf ihn hinab. Vermutlich war das genauso effektiv wie der Versuch, einen Elefanten mit Nadelstichen aufhalten zu wollen.

»Dein Versuch, auf der Hochebene von Kush den Unsterblichen Muwatta und sein unbesiegbares Heer mit einem Haufen von Bauerntölpeln aufzuhalten, die noch nie ein Schwert in Händen gehalten hatten, erscheint mir im Vergleich hierzu wie ein außerordentlich genialer Plan.«

Artax musste sich nicht umdrehen. Er erkannte die Stimme sofort. So wagte es nur Ashot, mit ihm zu sprechen. »Das sagt ein Bauerntölpel, der zum Feldherrn aufgestiegen ist.«

Ashot gesellte sich an seine Seite. Wie üblich trug er eine sauertöpfische Miene zur Schau. »Solche Dinge geschehen, wenn ein Königreich von einem verrückten Unsterblichen regiert wird.«

Das Wolkenschiff machte fast keine Fahrt mehr.

Artax hörte ein Zischen über sich. Wind vor regenschwerem Horizont ließ ein wenig von dem Gas in seinen Flügeln ab. Langsam begannen sie zu sinken. Der Unsterbliche atmete schwer aus. Durch die Ladeluke sah er das Gewühl der Tentakel unter sich. Wieder sirrten Hornsplitter vom Haupt des Meerwanderers. Mit dumpfem Klacken prallten sie von der Unterseite des Flugdecks ab. Noch waren sie zu hoch, als dass die Splitter Schaden anrichten konnten.

Volodi stand an der Reling. Sein Freund hatte die Augen geschlossen und streckte die Arme hoch. Er rief Wind vor regenschwerem Horizont. Ein Fangarm senkte sich zu dem Drusnier hinab. Dünn wie ein Finger und schneeweiß. Er streifte leicht die Hand des Unsterblichen.

Ein gellender Schrei ließ Artax erneut in die Tiefe blicken. Der Meerwanderer hatte einen Krieger auf einem fliegenden Bären zu packen bekommen. Plötzlich klaffte ein Loch mitten im Schädel der riesigen Kreatur. Die Tentakel wichen zur Seite. Ein Schlund tat sich auf, der sich nach unten hin verjüngte. Er war besetzt mit Reihen gekrümmter Zähne, lang wie Schwerter.

Der Fangarm öffnete sich. Geflügelter Bär und Reiter stürzten in den Schlund. Die Zähne bewegten sich wie Reißzähne an einem Sägeblatt. Sie zerfetzten das Metall und den Reiter. Drei Herzschläge nur, dann schloss sich der Schlund und verschwand unter Bündeln sich windender Fangarme.

Artax griff nach einem der Taue, die von den Frachtkränen hingen. Ein Ledergeschirr war daran befestigt. Sonst nutzten die Krieger, die mit jungen Wolkensammlern in den Himmel stiegen, solche Geschirre. Der Unsterbliche schluckte. Plötzlich sah er Shaya deutlich vor Augen. Als er ihr zum ersten Mal begegnet war, hatte sie in einem solchen Geschirr gehangen.

»Ihr müsst nicht mit mir hinab«, sagte er leise. Dann sah er auf. Ashot und Mataan waren an die Frachtluke getreten und Ormu, der rotbärtige Jäger aus Garagum.

Der Wolkensammler sank noch immer tiefer. Das Ungeheuer war nun kaum mehr zweihundert Schritt entfernt.

»Wir könnten versuchen, die Bestie mit Feuer zu bekämpfen«, schlug Mataan vor. »Wir haben genug Öl an Bord.«

Artax schüttelte den Kopf. »Wir werden nichts tun, womit wir das Traumeis zerstören könnten. Wenn wir hinabgehen, dann so, wie Kolja es getan hat. In einem Fluggeschirr hängend.«

»Nein!«, schrie Volodi in seiner Muttersprache so laut, dass es auf dem ganzen Flugdeck zu hören war. »Dieser Plan … Es ist nicht mehr so, wie es zuvor war. Dieses Biest … Wind vor regenschwerem Horizont hat es mir gesagt. Der Meerwanderer, er hat sich verändert. Kolja muss ihm etwas von dem Traumeis gegeben haben. Diese Splitter. Das ist neu. Und er ist schneller geworden. Seine Schwächen, die Kolja erlaubt haben, auf seinen Rücken zu steigen … Vielleicht hat er sie abgelegt. Er wird nicht vergessen haben, wie Kolja ihn sich gefügig gemacht hat. Vielleicht wird es kein zweites Mal gelingen.«

Artax nahm das Fluggeschirr und stieg mit den Beinen in die breiten Lederschlaufen. »Gehen wir hinab und finden heraus, ob sich etwas verändert hat.«