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Der Tentakel senkte sich der Öffnung entgegen.

»Hast du Angst vor der Axt? Ich schenk sie dir. Setzt du mich dann ab? Sieh her, ich will dir nichts tun!« In weitem Bogen warf er die Axt von sich. Sie wirbelte durch die Luft. Mit der Schneide voran traf sie den Hügel oberhalb des Fressschlunds. Ohne Mühe durchdrang sie Haut und Knochen und versank im Kopf der Bestie.

Der Tentakel, der Hornbori hielt, zog sich in einem Krampf zusammen.

»Das … das wollte ich nicht. Ich …« Knackend brach mindestens eine seiner Rippen. Dann plötzlich erschlaffte der Tentakel und sank kraftlos dem Fressschlund entgegen.

Ein ungutes Gefühl

Artax landete nahe der kleinen Schar von Verteidigern, die von den Truppen der stolzen Stadt Asugar geblieben war. Ein drahtiger Krieger kam ihm entgegen. Der Mann hatte den Helm unter den Arm geklemmt. Sein graumeliertes Haar hing ihm nass in die Stirn. Artax kannte ihn. Arcumenna war einer der fähigsten Kriegsherren der sieben Königreiche.

»Gut, dass Ihr kommt, Unsterblicher!« Arcumenna wies zu den übrigen Löwen und Bären, die gelandet waren. »Und danke, dass Ihr helft, meine Verwundeten in Sicherheit zu bringen.« Er seufzte. »Die Daimonen sind auch zurückgekehrt. Aber ihre Krieger sind genauso abgekämpft wie meine Männer. Wann werdet Ihr Eure Truppen landen, Unsterblicher Aaron? Ich möchte Euch keine Ratschläge erteilen, aber wenn wir schnell angreifen würden, dann könnten wir sie sicherlich überrumpeln.«

Artax traute seinen Ohren nicht. »Du willst weiterkämpfen?«

»Ich habe noch nie einen greifbaren Sieg verschenkt«, entgegnete der Feldherr, und blanker Hass blitzte in seinen Augen. »Die Daimonen sind gekommen und haben meine Stadt niedergebrannt. Wenn wir sie dafür bis auf den letzten Mann niedermetzeln, dann ist dies ein Zeichen für alle anderen, die Widerstand leisten. Wir zeigen den Zögerlichen, dass die Daimonen nicht unbesiegbar sind. Nach der Katastrophe im Eis ist ein Sieg hier bei Asugar gar nicht hoch genug einzuschätzen.«

Artax blickte über das Ruinenfeld. Kein Haus war unbeschädigt. Die halbe Stadt war unter den mächtigen Fangarmen des Meerwanderers begraben. Einige seiner Glieder zuckten noch. Bald würde das Ungeheuer erwachen, und dann wollte er weit fort von diesem Felsen sein.

»Ich werde hier nicht weiterkämpfen. Für diese Ruinen werde ich nicht einen meiner Männer opfern. Wenn das Ungeheuer wieder erwacht, dann kann es hier keinen Sieg mehr geben, dann kennt diese einsame Klippe im Meer nur noch Verlierer.«

»Eine Stunde, Unsterblicher. Gib mir deine Männer nur für eine einzige Stunde …«

Aus dem Augenwinkel sah Artax, wie ein beunruhigendes Zucken durch die Glieder des Meeresungeheuers lief. Es erinnerte ihn an einen Schläfer, der unruhig träumte. »Nein, Feldherr. Die Kämpfe dieses Tages sind entschieden. Wir werden jeden mitnehmen, der diesen Felsen verlassen will, aber wir werden nicht den Daimonen entgegentreten. Warum bist du so versessen darauf zu kämpfen? Das Ungeheuer wird deine Männer niedermachen, wenn es erwacht. Für sie gibt es dann kein Entrinnen mehr.«

»Das ist nicht dasselbe«, zischte der Feldherr. »Das ist …«

»Es ist alles besprochen.« Artax wandte sich ab und ging zu seinen Männern, die sich um die Verwundeten kümmerten. Er entdeckte Ashot unter ihnen. Sein Freund stand inmitten des Durcheinanders, erteilte mit ruhiger Stimme Befehle und ordnete das Chaos. Ashot hatte seine griesgrämige Art nie ganz abgelegt, aber er hatte sich doch verändert. Aus dem landlosen Bauern, der auf die Hochebene von Kush gekommen war, um in einer aussichtslosen Schlacht zu kämpfen, war einer seiner fähigsten Berater geworden. Der einzige, der nie ein Blatt vor den Mund nahm.

»Arcumenna will weiterkämpfen«, erklärte Artax.

»Der Kerl hat sich wohl sein Hirn weggesoffen!«, schnauzte Ashot. »Das soll der größte Feldherr unserer Zeit sein?« Er kniff die Augen zusammen und sah Artax durchdringend an. »Du wirst doch nicht etwa nachgeben und mit ihm in die Schlacht ziehen?«

»Ich hab mir mein Hirn noch nicht weggesoffen«, entgegnete Artax ruhig und lauschte kurz auf die hämischen Kommentare der Stimmen in seinem Kopf. »Wie lange wirst du brauchen, bis wir alle oben an Bord haben?«

Ashot strich sich über die Stoppeln an seinem Kinn und sah zu den Löwen und Bären, die von einigen Kriegern auf einen nahe gelegenen Marktplatz gewunken wurden, wo sie in unablässiger Folge starteten und landeten. »Wenn Arcumenna mit seinen Kriegern hierbleiben will, werden wir sehr schnell fertig sein. Und selbst wenn er sich uns doch noch anschließt, werden wir weniger als eine halbe Stunde brauchen.«

Artax legte die Hand auf den Oberarm seines Freundes. »Es ist gut, dich zu haben.« Er warf einen besorgten Blick auf das Ungeheuer, das jetzt völlig reglos dalag. »Pass auf dich auf, Ashot.«

Sein Gefährte wirkte überrascht von so viel Nähe. Dann verzogen sich seine Lippen zu einem spöttischen Grinsen. »Ich kann deinen Palast doch nicht Mataan überlassen. Er würde ihn in ein Paradies für Schreiber und Linsenzähler verwandeln. Wir kommen hier heraus«, setzte er mit fester Stimme nach. »Außer den Trotteln, die nicht begreifen, wann eine Schlacht beendet ist.«

»Ich vertraue dir.« Artax wandte sich ab und ging zu seinem Löwen zurück. Er hatte ein ungutes Gefühl. Das hier war zu leicht gegangen. Sie hatten dem mächtigsten Ungeheuer Nangogs seinen Schatz gestohlen und dabei fast keine Verluste gehabt. Mit dem Traumeis würde er die Welt verändern. So etwas hatte immer seinen Preis. So billig würde er nicht davonkommen. Wieder sah er zu dem Ungeheuer. Es lag ganz still. Einige der kleinen, gedrungenen Daimonen erklommen die Wälle aus Fleisch. Sie machten keine Anstalten, Arcumennas Krieger oder irgendjemand anderen anzugreifen. Es schien, als suchten sie nach etwas. Er würde sie im Auge behalten, entschied Artax, stieg in den Sattel und strich dem Löwen über die Mähne aus gehämmertem Silber.

Er fühlte sich ein wenig unwohl auf seinem neuen Reittier, das er anstelle des Löwen flog, der bei seiner unglücklichen Landung auf dem Flugdeck zerstört worden war. Bei dem Gedanken an die nächste Landung überlief ihn ein Schauer. Er griff nach dem Gurtzeug und schnallte sich an der hohen Rückenlehne fest.

»Flieg!«, rief er mit fester Stimme.

In steiler Kurve strebten sie dem Himmel entgegen. Sie flogen so dicht am Wolkensammler vorbei, dass Artax sehen konnte, wie die Amphoren mit dem Traumeis unter der Aufsicht von Mataan sicher vertäut wurden. Seine Leibwachen in ihren strahlend weißen Umhängen umringten den Schatz.

Alles schien gut, und doch verließ ihn seine Unruhe nicht. Er zog weite Schleifen um die Klippe und wartete auf weitere Anzeichen darauf, dass der Meerwanderer erwachte. Doch das Ungeheuer blieb regungslos.

Zufrieden sah Artax, wie Arcumenna und seine Krieger sich nun doch zum Wolkenschiff hinauftragen ließen. Nur eine kleine Schar von Kämpfern wartete noch auf dem Marktplatz. Und die Daimonen unternahmen nichts, um ihren Rückzug zu behindern. Alles würde gut laufen! Artax fühlte sich unendlich erleichtert.

Da bemerkte er die Frau an der Steilwand. Ihr langes, blondes Haar wehte im Seewind zur Seite. Sie stieg mit großem Geschick zwischen den Fangarmen die Steilwand hinauf. Immer wieder sah sie dabei nach oben. Ihr schien bewusst zu sein, dass das große Wolkenschiff bald ablegen würde. Mit aller Kraft versuchte sie es noch zu erreichen.

Ashot hob als Letzter vom Marktplatz ab. Schon lösten sich die ersten Tentakel von Wind vor regenschwerem Horizont. Die Fangarme, mit denen er seinen Bruder, den Meerwanderer, mit blauen Blitzen traktiert hatte, bis er bewusstlos geworden war.

Artax brachte den Löwen näher an die Klippe heran und winkte der Frau zu. »Dort vorne!« Er deutete auf ein Sims, das aussah, als wäre es einmal eine von Mauern gesäumte Terrasse gewesen. Dort würde er mit ein wenig Glück seinen Löwen landen können.