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Ihre Gedanken waren bei Meliander. Sie war dem Traumeis so nahe! Ein wenig Geduld noch. Bei Nacht würde sie wieder auf das Flugdeck steigen. Es musste ihr gelingen, wenigstens einige dieser Kristalle zu stehlen. Die Nacht würde ihre Verbündete sein.

Der letzte Akt

»So werden wir Asugar nicht verlassen!«, herrschte Arcumenna Volodi an.

Artax war verblüfft, was der Feldherr sich seinen Rettern gegenüber herausnahm. Gerade erst war der Valesier an Bord des Wolkenschiffes, und schon lag er in Streit mit einem der Unsterblichen, die ihn gerettet hatten.

»Kann ich helfen?«, fragte Artax höflich.

»Das hoffe ich doch!«, entgegnete Arcumenna ohne Umschweife. »Ich kenne Euch als einen Mann von Ehre. Ihr werdet mein Anliegen verstehen. Dort unten auf der Klippe vor der Einfahrt zum Höhlenhafen liegt ein toter Drache. Ich bin mir sicher, wenn wir fort sind, werden seine Drachenbrüder die Leiche bergen.«

Artax konnte sich das nicht vorstellen. Für ihn waren Drachen nichts als riesige Raubtiere. Doch glücklicherweise hatte er mit ihnen auch noch nicht viel zu tun gehabt.

»Wir uns haben schon abgelegt«, wandte Volodi ein.

Wind vor regenschwerem Horizont hatte zwar noch nicht begonnen, mit seinen mächtigen Schwingen zu schlagen, doch drifteten sie bereits von dem steilen Felsen fort, auf dem Arcumennas zerstörte Stadt lag.

»Lass ihm seinen Willen«, entschied Artax. Es war besser, sich Arcumenna gewogen zu halten. Der Feldherr würde in künftigen Kriegen eine bedeutendere Rolle spielen als der Unsterbliche, dem er diente. Ansur, das Lebende Licht, war ein Mann, der mehr Enthusiasmus für Kunst aufbrachte als für die Feldzüge auf Nangog. Arcumenna war der Mann, der von Bedeutung war, wenn er Valesias Unterstützung im Krieg suchte.

Artax sah Volodi deutlich an, dass er gar nichts von dieser Entscheidung hielt. Widerwillig nickte der Drusnier. Dann trat er an die Reling und strich über eine der Wurzeln des Schiffsbaums, die sich um den Handlauf wand. Nur Augenblicke später änderte der Wolkensammler, schwer mit seinen Flügeln schlagend, den Kurs. Das große Himmelsschiff schwang herum und näherte sich der Hafeneinfahrt.

»Überlasst ihnen zehn Amphoren mit Öl«, befahl Volodi seinen Männern. »Bringt eine Feuerschale und Lumpen.«

Arcumenna verneigte sich steif. »Danke. Das ist das erste Mal, dass ich mich bei einem Drusnier für irgendetwas bedanke. Diese Drachen zu verbrennen bedeutet mir viel.«

»Ist sich das erste Mal, dass ich mich einem Valesier tue einen Gefallen«, entgegnete Volodi frostig. »Und es wird sich ganz sicher nicht geschehen schnell ein zweites Mal.«

Artax schob sich zwischen die beiden. »Fackeln wir die Drachen ab und hoffen wir, dass wir den Sohn der Göttin mit dem Feuer nicht aufwecken.«

Arcumenna hatte viele Jahre lang die Truppen Valesias entlang der Grenze zu Drusna befehligt und hatte Dutzende glänzende Siege errungen. Kaum ein Mann war im Waldkönigreich so verhasst wie er. Vielleicht würde diese Geste helfen, alte Wunden zu heilen.

Die angefragten Amphoren waren nicht sonderlich groß. Kaum länger als ein Unterarm. »Wickelt Lumpen darum«, befahl Volodi seinen Männern, die dem Befehl nur widerstrebend nachkamen.

Arcumennas Krieger hatten sich dicht um ihren Anführer geschart. Sie beobachteten die Drusnier misstrauisch. Der Feldherr selbst öffnete vorsichtig die letzte Amphore. Er tränkte die Lumpen, die um die Tongefäße gewickelt worden waren, mit Öl.

Eine Kupferschale auf einem Dreibein wurde herangebracht. Glühende Kohlen schwelten darin.

Arcumenna wählte einige seiner Männer aus. Sie hoben die Amphoren auf die Reling des Flugdecks. »Unsterbliche?« Der Feldherr sah zu Volodi, dann zu Artax. »Wollt Ihr an diesem letzten Akt der Schlacht um Asugar teilhaben?«

»Ja!«, sagte Artax, bevor Volodi irgendeine Dummheit machen konnte. Er packte den Drusnier beim Arm und nahm ihn mit zur Reling. »Das ist Diplomatie«, flüsterte er seinem Freund ins Ohr. »Versuche zu lächeln und mach das Beste daraus.«

»Ich scheiß mich auf verlogenes Lächeln und Heuchelei«, brummte Volodi, doch er kam mit.

Artax griff nach dem ölglänzenden Henkel einer Amphore. Unter ihnen lag das Riff mit dem Kadaver.

»Fackeln!«, befahl Volodi.

Einige Drusnier hielten Fackeln in das Kohlebecken. Als Flammen nach dem mit schwarzem Pech bestrichenen Stroh leckten, reichten sie sie an die Valesier weiter.

»Du hast Feuer in unsere Stadt getragen«, rief Arcumenna mit lauter Stimme. »Möge das Feuer nun dich verschlingen!« Er hielt die Fackel an die Lumpen seiner Amphore und stieß sie von der Reling, sobald die Flammen übergesprungen waren.

Himmelsfeuer

Nodon griff nach dem muschelverkrusteten Fels und zog sich aus dem Wasser. Er war zu der mächtigen Klippe geschwommen, um sie zu erklimmen und nach Nandalee zu suchen. Sie war bei ihrem Aufstieg in der Steilwand bald aus seinem Sichtbereich geraten. Er hoffte inständig, dass sie es nicht an Bord des Wolkensammlers geschafft hatte und dass er sie oben in den Ruinen finden würde. Eleborns Wunden waren fürs Erste versorgt. Er lag vor der Sonne und den Blicken der Menschenkinder verborgen unter den Schwingen des toten Drachen und war eingeschlafen. Er würde für ein paar Stunden keine Hilfe mehr benötigen.

Mit Befremden sah er, wie das große Wolkenschiff der Menschenkinder seinen Kurs änderte. Sie hielten auf ihn zu. Das konnte nicht sein! Es musste einen anderen Grund für den Kurswechsel geben. Sie konnten ihn doch unmöglich gesehen haben … Nicht auf diese Entfernung …

Er stieg ganz auf den Felsen, um den Haien zu entgehen. Seine ganze Aufmerksamkeit war bei dem Wolkenschiff. Keine Flieger schwärmten von dort aus. Aber eine Gruppe von Kriegern stand an der Reling des unteren Decks. Es war erstaunlich, wie schnell der geflügelte Wolkensammler näher kam.

Jetzt hoben die Menschenkinder irgendwelche Gefäße auf die Reling. Der Wolkensammler flog etwas mehr als hundert Schritt hoch. Ein paar Augenblicke noch, und er hätte ihn erreicht. Nodon entschied sich, ins Wasser zu springen. Trotz der Haie. Dort wäre er ein schwerer zu treffendes Ziel, sollte es tatsächlich um ihn gehen.

Kaum im Wasser, tastete er nach seinem Messer und fluchte. Es war bei Nandalee! Vorhin, als er zur Steilklippe geschwommen war, hatte er die Haie einfach gemieden. Er hatte sich ruhig bewegt, ihnen seine ganze Aufmerksamkeit geschenkt und hatte kein Messer benötigt. Aber jetzt … Er sah zum Wolkenschiff auf. Die Sonne stand hinter dem schwebenden Ungeheuer. Der Schatten des Schiffes hatte ihn schon erreicht. Plötzlich stürzten brennende Tonkrüge über die Reling.

»Eleborn!«, schrie Nodon und schluckte Salzwasser.

Krachend zerplatzten die Amphoren auf dem Riff und dem Kadaver des toten Sonnendrachen. Das Öl entflammte an den brennenden Stofffetzen, mit denen die Gefäße eingewickelt gewesen waren. Nun wurden auch noch Fackeln von Bord des Schiffes geworfen, um das Öl weiter zu befeuern.

Nodon schwamm jetzt, ohne auf die Haie zu achten. »Eleborn!«

Er sah, wie sich etwas unter den ledernen Schwingen bewegte, dann versperrte ihm eine Flammenwand die Sicht.

Speere stießen um ihn herum in die See. Die Krieger auf dem Wolkensammler hatten ihn entdeckt. Er fing eine der Waffen im Flug, zerbrach den Schaft und behielt das Stichblatt. Das war kein Vergleich zu seinem Dolch, aber es war zumindest eine Waffe.

Auf dem Riff inmitten des tosenden Feuers erschien eine schwankende Gestalt. Eleborn benutzte Todbringer als Krücke. Seine Kleider standen in Flammen. Sein langes Haar war verschwunden. Das Gesicht entstellt. Dicht neben ihm schlug ein Speer auf den Fels. Der Drachenelf achtete nicht darauf. Er machte noch einen Schritt, dann ließ er sich aus dem lodernden Feuer ins Wasser fallen. Doch selbst da war er nicht in Sicherheit. Ein Teil des Öls war von dem Riff gelaufen und trieb in brennenden Lachen auf der Oberfläche der See.