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Bevor Hornbori etwas einwenden konnte, packten ihn Nyr, Ginnar und Ulur und hoben ihn sich auf die Schultern. Auf gewundenen Wegen trugen sie ihn über das Gewirr toter Tentakeln hinweg zu dem Marktplatz, auf den er getreten war, als er das Labyrinth aus Tunneln, Grotten und Höhlen hinter sich gelassen hatte. Dort waren die letzten Überlebenden seiner Heerschar versammelt. Nicht einmal fünfzig Mann hatten es geschafft. Aber sie begrüßten ihn mit freudigen Rufen.

»Heil, Hornbori, dem Heermeister und Siegbringer!«, schrie Ginnar, und alle überlebenden Krieger stimmten in den Jubelruf ein. Nur Galar hielt sich abseits und betrachtete ihn misstrauisch.

Ihn würde er auch noch überzeugen, dachte Hornbori. Er sah seinem Gefährten an, dass er sich selbst nicht mehr ganz sicher war. Sein Zorn bröckelte.

Inmitten der Zwergenschar wurde er abgesetzt. Alle drängten sich um ihn, klopften ihm auf die Schultern oder knufften ihn in die Seite. Hornbori genoss es. Er hatte den Zenit seines Ruhmes erreicht. Er hatte … Plötzlich wurde es still. Die Männer erstarrten. Sie blickten auf etwas, das hinter ihm war.

Die Fäuste des Heermeisters schlossen sich fester um den Schaft der blutbesudelten Axt. Warum konnte es nicht einfach vorbei sein? Alles war so gut gelaufen. Zumindest zuletzt. Mit einem tiefen Seufzer drehte er sich um und sah ein neues Ungeheuer. Ein Weib, halb Schlange, halb Elfe, wand sich ihnen entgegen. Sie war groß und bewegte sich mit der Gewandtheit einer erprobten Kämpferin.

Die Schlangenfrau verharrte etwa zwanzig Schritt entfernt und deutete eine Verbeugung an. »Im Namen meines Herrn grüße ich Euch, Heermeister, und gratuliere Euch zu Eurem strahlenden Sieg. Ihr habt gerettet, was verloren schien, und getötet, was unüberwindlich war. An diesem Tag seid Ihr zur Legende geworden.«

Hornbori räusperte sich. Es war ja nett, was diese Schlange so erzählte, doch hätte er sich deutlich wohler gefühlt, wenn er gewusst hätte, wer sie war. »Im Namen welches Herrn sprecht Ihr?«

Sie drehte sich um und gab ein Zeichen. Darauf erschien eine zerlumpte Gestalt zwischen den Ruinen. Hinkend kam sie näher. Ein Elf. Solaiyn.

Er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Alle Arroganz war verschwunden, sein Glanz verblichen. »Sie spricht wahr, sie ist meine Leibwächterin, und das schon seit dem Feldzug im Eis. Ich habe sie stets verborgen gehalten, da ich befürchtete, dass ihr Anblick nicht in jedem Herzen Freude erweckt.«

Das war die Untertreibung des Tages, dachte Hornbori und maß die Schlangenfrau erneut mit Blicken. Sie wiegte sanft ihren Oberkörper, wirkte angespannt und stets auf der Hut.

»Wo steckt denn Euer roter Elf?«, fragte Ginnar herablassend. »Ist er mit all den anderen unter Eurem Kommando im Hafen verbrannt?«

»Er hat überlebt. Er verließ mich, um neuen Befehlen der Himmelsschlangen zu folgen.«

»Wäre hilfreich gewesen, wenn sich die Himmelsschlangen mal hätten blicken lassen«, mischte sich Galar ein. Der Schmied stapfte heran und baute sich mit in die Hüften gestemmten Händen vor dem Elfen auf. »Es ist leicht, aus der Ferne Befehle zu erteilen. Viel leichter, als Feuer unter dem Arsch gemacht zu bekommen, fast zerquetscht zu werden und bis zu den Knöcheln im Blut zu waten. Wo sind die Drachen, wenn man sie braucht? Kaum hatten sie drei Tote, sind sie vom Schlachtfeld geflohen.« Er spuckte aus. »Elende, hochnäsige Schisser sind sie. Ich kenne Kobolde, die sich mutiger in der Schlacht geschlagen haben. Und am schlimmsten von allen sind die Himmelsschlangen. Sie trauen sich nicht einmal in diese Welt. Sieh uns an, Elf. Nur jeder Zehnte von den Männern, die hierherkamen, lebt noch. Und sind wir fortgelaufen? Sag mir also, Elf, warum sollten wir je wieder akzeptieren, von Feiglingen in die Schlacht geführt zu werden? Ganz gleich, ob sie nun spitze Ohren oder Lederschwingen haben. Der Dreck unter meinen Fingernägeln ist mehr wert als diese Bande …«

Hornbori packte den Schmied beim Arm. Der Irre redete sie alle noch um Kopf und Kragen. »Es reicht, das war genug. Wir werden …«

Galar riss sich mit einem Ruck los. »Ich werde mit der Wahrheit nicht hinter dem Berg halten. Wir sind hiergeblieben und haben am Ende gesiegt. Wir haben das Recht, unsere Meinung zu sagen!«

Voller Sorge sah Hornbori, wie eine Veränderung mit Solaiyn vor sich ging. Der Elf straffte sich, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und wirkte plötzlich verändert. Eine Aura natürlicher Macht umgab ihn.

»Es ist das Recht der Sieger, eine offene Rede zu führen.« Die Stimme Solaiyns klang verändert. So, als käme sie aus großer Ferne. Auch passten die Bewegungen seiner Lippen nicht zu den Worten, die er sprach.

Hornbori lief ein Schauder über den Rücken. Er zog Galar zurück in die Gruppe der Zwerge.

»Ich werde ein Schiff schicken, um euch zurückzuholen.«

»Schick uns lieber Kupferbleche und Handwerker aus den Zwergenwerften«, sagte Ulur stolz. »Wir werden auf unseren Aalen zurückkehren, sobald sie wieder seetüchtig sind. Wir brauchen kein Schiff der Elfen oder von wem auch immer.«

Solaiyn lachte. Auch das klang seltsam falsch. Er blieb dabei stocksteif stehen. »Immer rebellisch. Aber gut, ihr sollt euren Willen haben. Ihr habt den Sohn der Göttin erschlagen. Das war nicht diplomatisch, aber doch eine außerordentliche Heldentat. Die Heimkehr aus eigener Kraft sei euch gewährt. Bringt eure Aale zum nächsten Albenstern. Er wird für euch geöffnet werden. Und noch weitere Ehren sollen euch zuteilwerden, denn die Himmelsschlangen sind näher, als ihr denkt. Sie haben alles gesehen.«

Bei diesen Worten bedachte der Elf Hornbori mit einem brennenden Blick. Ja, einen Herzschlag lang erschien es dem Heermeister, als leuchtete ein Licht hinter den Augen des Elfenfürsten.

Plötzlich sackte der Fürst kraftlos in sich zusammen. Die Schlangenfrau war mit erschreckender Schnelligkeit an seiner Seite und fing ihn mit ihren Armen auf.

»Da war irgendeine Hexerei im Gange«, sprach Ulur aus, was sie wohl alle dachten. Der Rausch des Sieges war verflogen.

Schlangenzunge

Die Klinge schabte über das Holz. Geschickt kerbte Quetzalli die Federn der Schlange in den hellen Buchenstab. Im Geiste wiederholte sie die Worte, die sich hinter den Bildern verbargen. Der Stab würde sagen, was sie nicht auszusprechen wagte. Die verborgenen Worte würden ihr Leben überdauern, das wusste sie.

Drei Tage lang war sie nun schon den abendlichen Essen im Langhaus ferngeblieben. Sie hatte sich in ihre Kammer eingeschlossen und nur von Obst und Wasser gelebt. Bald würde Volodi zurückkehren, dann galt es, eine Entscheidung zu treffen.

Sie hörte wieder die Stimmen vor der Tür. An jedem der Tage, die sie sich dem Hof verweigert hatte, war Yuri gekommen. Und jeden Tag hatte er lauter geflucht, wenn sie sein Toben vor der Tür ignorierte.

»Dem Kind ist etwas geschehen!« Das war Yuri, der da sprach. »Es ist eure verdammte Pflicht, den Sohn unseres Unsterblichen zu beschützen. Ich fürchte das Schlimmste! Habt ihr das Kind in den letzten Tagen weinen gehört? Kleine Kinder weinen! Jetzt schlagt die Tür ein! Wir sehen nach, was die Zapotehexe getan hat.«

Die Antwort der beiden Wachen fiel so leise aus, dass Quetzalli deren Worte nicht verstand.

»Wenn ihr es nicht macht, werde ich draußen schon Männer finden, die treu zu unserem Herrscher und dessen Sohn stehen!«, polterte Yuri los. »Entweder ihr schlagt die Tür ein, oder ich bringe ein paar Krieger, die erst eure Dickköpfe und dann die Tür einschlagen.«

Quetzalli wollte nicht warten, bis sich die Barbaren dem Drängen des Heilers fügten. Sie trat an die Tür, schob den schweren Sperrriegel zurück und öffnete sie.

»So geht das nicht!« Yuri trat über die Schwelle und bohrte ihr einen seiner dicken Finger in die Brust. »Du kannst nicht einfach …«

»Ist das der Ton, in dem Drusnier zu ihrer Königin sprechen?«

»Es ist der Ton, in dem Drusnier mit Hexen reden!« Yuri schob sie grob zur Seite.

Ihre beiden Türwachen unternahmen nichts, um den alten Heiler aufzuhalten. Im Gegenteil, sie traten ebenfalls ins Zimmer und gingen zur Wiege.