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Hörner erklangen südlich des Palastes.

»Bei den Göttern …« Shaya deutete nach Süden. Überall in der Stadt lösten sich Wolkensammler von den Ankertürmen. Einige bekämpften sich gegenseitig. Überall waren Todesschreie zu hören.

Ein Fangarm schlang sich um den Hals von Artax. Etwas drang in ihn ein. War in seinen Gedanken.

Shaya zog das Schwert, das er am Gürtel trug. Sie holte aus, um den Tentakel zu durchtrennen.

»Nicht!« Etwas versuchte, Worte in seinen Gedanken zu formen. Wind vor regenschwerem Horizont, er wollte ihm etwas mitteilen.

Der Hof … Alle müssen fort …

»Shaya, bleibt bei Volodi!« Der Unsterbliche sprang auf. Der Tentakel um seinen Hals löste sich nicht. Wie ein angeleinter Hund fühlte er sich, schob den Ärger beiseite und lief zur Reling.

»Räumt den Hof! Sofort!«, schrie er hinab. »Im Namen der Götter! Räumt den Hof.« Und dann sah er, warum Wind vor regenschwerem Horizont ihm diesen Gedanken gegeben hatte. Der Wolkensammler am anderen Ende des Palasthofs hielt sich nur noch mit wenigen Tentakeln am Ankerturm fest. Er schwang im Wind herum in ihre Richtung. Und er hatte begonnen, die mit Kupferdrähten verstärkten Seile zu durchtrennen, die das schwere Lastschiff an seinen Leib fesselten.

»Das Schiff, es wird in den Hof stürzen!«, rief Artax, doch seine Stimme ging im allgemeinen Geschrei unter. Jetzt hatten die Drusnier auch bemerkt, was vor sich ging. Sie liefen in alle Himmelsrichtungen auseinander. Nicht schnell genug.

Das große Wolkenschiff stürzte in die Tiefe und begrub etliche der einfachen Ziegelbauten, die als Lagerhäuser dienten, unter sich. Der halbe Hof verschwand unter dem Wrack. Drei der seitlich aus dem Rumpf ragenden Masten zerschmetterten das Dach des Langhauses.

Fassungslos betrachtete Artax das Chaos. Fangarme des tobenden Wolkensammlers griffen nach Überlebenden auf dem Ankerturm, an dem eben erst Volodis Schiff angelegt hatte. Sie schleuderten die Menschen hoch in den Himmel hinauf, sodass die Unglücklichen auf den Dächern und Gassen der Stadt zerschmettert wurden.

»Was geht hier vor sich …«

Es war mein Fehler, hauchte die Stimme von Wind vor regenschwerem Horizont in seinen Gedanken. Ich habe ihnen gesagt, dass wir das Traumeis geborgen haben und sie alle sich verändern können. Dass wir noch heute damit beginnen würden … Dass sie fliegen könnten, so wie ich, statt nur vor dem Wind zu treiben.

»Du hast es allen gesagt? Wann? Wie?«

Wir reden in Gedanken miteinander, so wie ich nun mit dir spreche. Doch ich muss sie nicht berühren. Wir verstehen uns so. Über viele Meilen hinweg. Alle Wolkensammler über der Stadt haben mir zugehört. Und auch einige, die im Anflug waren …

»Wie viele rebellieren? Sag mir …« Der Tentakel um seinen Hals riss ihn zu Boden. Ein Fangarm, der in einem blutverschmierten Hornhaken endete, schnellte über ihn hinweg, änderte die Richtung und durchschlug das Deck über ihm.

Ich werde kämpfen müssen. Sie wollen mich töten. Ich verstehe ihren Zorn nicht. Ich … All dieser Hass. Sie werfen mir vor, dass ich mich an Nangogs Schöpfung vergehen will, dass ich mich gegen unser aller Mutter, die Große Göttin, gestellt hätte. Sie sind so blind! Sie wollen nicht sehen, dass es kein Verrat ist, wenn man etwas verbessert. Sie … Nein, es ist anders. Sie fürchten, eure Devanthar werden sie zwingen, sich zu verwandeln und sich gegen Nangog zu stellen. Artax spürte die tiefe Bestürzung des Wolkensammlers. Würden die Devanthar das tun?

Darauf vermochte der Unsterbliche dem Wolkensammler keine Antwort zu geben. Und Wind vor regenschwerem Horizont spürte seine Zweifel. Der Tentakel löste sich von Artax’ Hals und glitt seinen Nacken hoch.

Rette Volodi! Bring ihn vom Schiff!

Der Kontakt zum Wolkensammler brach ab.

Dutzende Fangarme griffen über den Hof hinweg nach Wind vor regenschwerem Horizont. Er versuchte, einige der Arme abzuwehren, während auch er sich vom Ankerturm löste.

Artax sah mit dem Wind von Norden her noch zwei weitere große Wolkensammler auf sie zutreiben. Ein mörderischer Kampf würde entbrennen, und dann waren sie besser nicht mehr an Bord.

Artax lief zu Shaya, die noch immer bei Volodi stand. »Wir müssen runter vom Schiff.«

Schon trieben sie vom Ankerturm fort. Wind vor regenschwerem Horizont versuchte, an Höhe zu gewinnen, als Fangarme mit manngroßen Widerhaken in seine Flügel schlugen.

»Volodi?«

Sein Freund sah ihn mit leerem Blick an.

»Volodi! Jetzt ist nicht die Zeit zu trauern!« Er zerrte den Drusnier auf die Beine. »Einige Wolkensammler versuchen, Wind vor regenschwerem Horizont zu zerfleischen. Wir müssen von Bord, sofort!«

Der Unsterbliche nickte teilnahmslos.

»Du steigst jetzt auf deinen Bären und suchst dir irgendwo einen sicheren Platz.« Es sah nicht so aus, als wäre sein Freund zu irgendeiner vernünftigen Handlung fähig. Aber er musste fliegen! Er konnte ihn nicht auch noch auf seinem Löwen mitnehmen. Drei Reiter würde der Löwe nicht tragen können.

»Wenn du nicht entkommst, wer soll sich dann um das Begräbnis von Quetzalli und deinem Sohn kümmern.« Shaya versetzte dem Drusnier eine schallende Ohrfeige. »Besinn dich, Mann. Du schuldest es den beiden, dich um ihre Leichen zu kümmern!«

Ihre Worte zeigten Wirkung. Volodi nickte. Er schien aus seiner Erstarrung zu erwachen. Einen Moment lang wirkte er orientierungslos, dann wandte er sich zu den Bären. »Ich werde fliegen«, sagte er entschieden.

Fangarme zerfetzten das Tauwerk, das ihr Schiff mit Wind vor regenschwerem Horizont verband. Das Flugdeck neigte sich sanft, während der Wolkensammler verzweifelt versuchte, an Höhe zu gewinnen. Die Laufstege, die zum Ankerturm führten, stürzten in die Tiefe. Einige letzte Flüchtlinge und Wolkenschiffer versuchten, mit todesmutigen Sprüngen von der Reling auf den Turm zu gelangen.

Artax sah Ashot, der sich verzweifelt an einen der goldbeschlagenen Querbalken klammerte. Von den Kriegern, die ausgebildet waren, die silbernen Löwen und Bären zu fliegen, war niemand mehr an Bord. Sie waren die Eskorte für das Traumeis gewesen und hatten als Erste das Schiff verlassen.

Das Deck erbebte erneut. Die Schräglage verschlimmerte sich. Einige ungesicherte Wasseramphoren schlitterten über den zerfurchten Holzboden und stürzten über die Kante des Flugdecks in die Tiefe.

»Schnell!« Er nahm Shaya bei der Hand und lief zu seinem Löwen. Hastig schob er sie hinter der hohen Sattellehne auf den Rücken des silbernen Reittiers. »Leg die Ledergurte an und schnall sie so eng, dass du glaubst, dir muss das Blut in den Adern stocken. Das wird ein wilder Ritt!«

Ohne sich die Zeit zu nehmen, darauf zu achten, ob sie seine Befehle befolgte, stieg er auf. Überall an Bord war das Geräusch splitternden Holzes und zerschellender Amphoren zu hören. Die Löwen und Bären begannen ebenfalls langsam zu rutschen.

»Steigt in den Himmel!«, schrie Artax sie an, doch die magischen Kreaturen regten sich nicht. Sie waren darauf ausgelegt, auf ihre Reiter zu warten. Nur von ihnen nahmen sie Befehle entgegen. Selbst die Silberlöwen. Um sie zu beherrschen, hätte er sie berühren müssen, so wie er es mit seinem neuen Reittier getan hatte.

Volodi preschte auf seinem Bären an ihm und Shaya vorbei. Erste Tentakel griffen auf das Flugdeck, doch er vermochte ihnen auszuweichen.

»Vorwärts, mein Starker!« Artax klopfte seinem Löwen auf die silberne Mähne, als wäre er ein Reittier aus Fleisch und Blut. »Rette die Frau, die ich liebe.«

Die Kreatur riss den Kopf in den Nacken und weitete die Flügel. Mit kräftigen Schritten trat sie in die Mitte des Flugdecks. Mit einem Ruck neigte sich der Boden ein weiteres Stück. Das Wolkenschiff hing bereits so schief in seiner Vertäuung, dass Artax den Palasthof unter sich sehen konnte.