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Die Fremde flüsterte ein Wort, das die Schöpfung verhöhnte. Artax war sich sicher, dass dies keine Sprache aus seiner Welt war. Sie war voller dunkler Verheißung.

Die Meuchlerin legte ihm eine Hand auf die Stirn und eine auf die Brust, dorthin, wo sein Herz schlug. Und es war, als ergriffe sie durch seine Rippen hindurch das lebende, schlagende Herz und als senkten sich die Finger der anderen Hand tief in seinen Verstand.

Und sie hatte nicht gelogen. Der Schmerz, der Artax überfiel, war von solcher Intensität, dass die Welt vor ihm verlosch und er in undurchdringliche Finsternis geschleudert wurde.

Kinderherzen

»Es gab eine Eigenart, die die Rebellin unter den Drachenelfen mehr kennzeichnete als alle anderen. Es war ihre Unfähigkeit, eine Niederlage zu akzeptieren. Nach allem, was ich über sie weiß – ein Wissen, dessen größerer Teil aus den Erzählungen Fremder stammt –, hat sie niemals einen Kampf aufgegeben. Selbst die Alben fürchteten ihre Starrsinnigkeit. Es war gefährlich, sie zum Feind zu haben. Fast so gefährlich, wie ihr Freund zu sein.

Sie hat Eleborn Unglück gebracht und meinem Vater den Tod. Ihre Kinder sind von Fremden erzogen worden. Es gab immer einen Kampf, der wichtiger war, als an der Seite von Emerelle und Meliander zu sein. Wenn sie im Jadegarten weilte, wurde sie schnell rastlos. Es war nicht der Dunkle, der sie mit Missionen von ihren Kindern fernhielt. Sie war es, die zu ihm ging und darum bat, fortgeschickt zu werden.

Und dennoch liebten wir unsere Mutter. Nur Kinderherzen sind zu einer solchen Liebe fähig, blind für alle Zurückweisung und Fluchten. Heute weiß ich, dass sie keine Ruhe finden konnte, weil sie sich schuldig fühlte. Schuldig an dem, was mein dunkler Bruder mir im Mutterleib angetan hat. Schuldig am Schicksal Eleborns, der ihr helfen wollte und so grausam verstümmelt zurückkehrte, dass wir Kinder, die wir ihn geliebt hatten, bei seinem Anblick zu weinen begannen und fortgebracht werden wollten. Auch so können Kinderherzen sein, voll grausamer Ungerechtigkeit. Eleborn hat uns dies nie nachgetragen. In einer anderen Zeit hat er uns verborgen und sein Leben für uns gewagt, als wären wir sein eigen Fleisch und Blut.

In jenen Tagen aber suchten wir die Nähe des Dunklen, wenn Mutter wieder einmal zu einer ihrer Missionen aufbrach und wir uns nicht erklären konnten, warum sie uns immer wieder verließ. Freilich zeigte er sich uns nie in seiner wirklichen Gestalt. Wenn er vor uns trat, dann als ein Elf mit dunkler Aura. So lässt sich sagen, dass unsere Kindheit geprägt wurde von ihm, einem Drachen, der sich für den Herrscher der Welt hielt, und von Nodon, der ein kaltblütiger Mörder war, uns gegenüber aber stets etwas unbeholfen wirkte. Erst als wir schon älter waren, lernten wir unsere Mutter kennen, eine Mutter auf der Flucht. Bedenkt man dies, fällt es weniger schwer zu verstehen, was aus Emerelle und mir geworden ist. Und es wird auch offensichtlich, was unser vielleicht einziges Erbe ist: Nandalees rebellischer Geist und, daraus resultierend, das Unvermögen, einfach zu akzeptieren, was andere für unvollbringbar halten. Meine Schwester machte dieses Erbe zur Königin und mich zu Emerelles liebendem Feind …«

Verwundete Seelen, Auszug aus dem VII. Kapiteclass="underline" Die Wege der Alben, verfasst durch: Meliander, Fürst von Arkadien

Letzte Hoffnung

Nandalee betrachtete den kleinen See neben der Pyramide Nachtatems. Hierher hatte sich Eleborn zurückgezogen, so hatte Nodon ihr berichtet. Der Erstgeschlüpfte hatte den Elfen versorgt, obwohl er nicht zu seinem Gefolge gehörte. Doch viel hatte der Drache nicht tun können. Die Kinder ertrugen Eleborns Anblick nicht, obwohl sie noch so klein waren. Sie fingen an zu weinen, sobald er in ihre Nähe kam, und so hatte er sich zurückgezogen.

Nandalee zögerte. Sie wusste nicht, ob sie in den See steigen sollte. Wie würde er es auffassen, wenn sie kam? Er hatte sich ihr zuliebe der Suche nach dem Traumeis angeschlossen, und er hatte einen Preis gezahlt, der vielleicht schrecklicher als der Tod war.

Sie bemerkte ein geheimnisvolles Leuchten in der Mitte des Sees. Nodon hatte gesagt, dass Eleborn einen Palast aus Licht und Luft erschaffen wollte. Die Drachenelfe musste lächeln. Er gab diesen Traum einfach nicht auf.

Plötzlich teilte sich das Wasser vor ihr. Es sah aus, als flöhe das dunkle Nass vor etwas, und vom schlammigen Grund des Sees erhob sich eine Gestalt, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Zerfetzt und von Schmutz besudelt hingen die Kleider vom Leib des Geschöpfes, in dem Nandalee nur noch mit Mühe einen Elfen zu erkennen vermochte.

Auf eine Krücke gestützt, hinkte die Erscheinung über den schlammigen Grund dem Ufer entgegen. Nandalee musste sich zwingen, nicht vor dieser Gestalt zurückzuweichen. Ein modriger Geruch ging von ihr aus.

»Erkennst du mich nicht mehr?« So viel Bitternis und Enttäuschung lag in dieser Stimme. Eleborns Gesicht war von Brandnarben entstellt. Seine Nase verschwunden. Geblieben war ein klaffendes Loch, wie bei einem Totenschädel. Eines seiner Augen besaß kein Lid mehr, sodass es sie unnatürlich groß anstarrte. Eine Seite seines Schädels war kahl, die Haare bis zur Kopfhaut abgebrannt. Auf der anderen Seite reichte ihm das Haar noch bis zu den Schultern, doch war es so sehr von Schlamm und Algen verklebt, dass seine ursprüngliche weißblonde Farbe nicht mehr zu erkennen war.

»Ich bin zur Antithese dessen geworden, was ich erreichen wollte.« Er lachte. Ein Geräusch wie ein Schleifstein, der über eine Schwertschneide glitt. »Ich wollte dies Tal zu einem schöneren Ort machen. Nun habe ich es um ein Ungeheuer bereichert. Wenn es die Alben sind, die unser Schicksal bestimmen, dann haben sie Sinn für Humor.« Während er sprach, drangen schmatzende Laute durch das Loch über seiner Oberlippe.

»Es … es tut mir leid.« Sie war sich bewusst, wie lächerlich wenig diese Worte bedeuteten in Anbetracht dessen, was er verloren hatte.

»Du hast Mut, hierherzukommen, um mir das zu sagen.«

Sie senkte beschämt den Blick. Mutig wäre es gewesen, ihn sofort nach ihrer Ankunft aufzusuchen. Stattdessen hatte sie zwei Tage mit den Kindern verbracht. Sie hatte Emerelle und Meliander vermisst, aber sie war sich auch bewusst gewesen, dass sie die Begegnung mit ihm hinausschob. »Ich hätte früher …«

»Immerhin bist du überhaupt gekommen.« Er griff nach ihrem Kinn und hob es an, sodass sie ihm in die Augen sehen musste. »Ich weiß nicht, ob ich mich getraut hätte.« Seine verbrannten Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Ich fand mich immer recht hübsch. Das Feuer hat meine Eitelkeit weggebrannt. Vielleicht hilft es mir bei der Kunst weiter, wenn ich mich nun ganz auf sie beschränken werde. Mein Bedürfnis, Schönes zu erschaffen, ist nur noch größer geworden. Ich werde dich einladen, wenn ich glaube, etwas gewirkt zu haben, das vorzeigenswert ist. Bis dahin solltest du dir nicht mehr die Last aufbürden, zu mir zu kommen. Ich habe mein Antlitz im Spiegel gesehen. Und ich bin froh, dass ich nicht in mein Gesicht blicken muss, es sei denn, ich entscheide mich dazu. Ich will anderen nicht zumuten, was ich selbst unerträglich fände.«

Nandalee schluckte. »Bitte verzeih mir. Ich …«

»Du hast mir weder ein Bein abgebissen noch mich angezündet. Da gibt es nichts zu verzeihen. Ich bin aus freien Stücken mit dir gegangen. Und nun verzeiht mir, Dame Nandalee.« Er beugte sich vor, ergriff ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf, wobei Schlamm aus seinen Haaren auf ihren Handrücken troff. »Ich werde mich nun zurückziehen und versuchen, diesem stinkenden Weiher Schönheit zu schenken.«

»Ich werde es finden«, sagte sie entschlossen und kämpfte gegen den Kloß in ihrem Hals. Sie würde sich erst dann aus ihrer Schuld entlassen fühlen, wenn sie auch ihm das Traumeis brachte.