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Der Anführer der Jaguarmänner blieb vor dem Scheiterhaufen stehen, und der Trommelwirbel verstummte. Laut rief er den Namen Quetzallis. Dann hielt er eine Rede über seine tote Schwester. Volodi hatte die Sprache der Zapote nie wirklich gelernt. Er verstand nur einzelne Worte. Es ging um Ehre und Verrat.

Leises Murren lief durch die Reihen der Jaguarmänner. Sprach Necahual von dem Verrat, den Quetzalli an ihrem Volk begangen hatte, als sie mit Volodi gegangen war? Oder sprach er von dem Verrat, den Quetzalli erfahren hatte, als Yuri sie erpresste?

Womöglich hatte sein Schwager ihm ja etwas vorgemacht, damit er allein hierherkam und zuletzt doch noch auf dem Opferaltar landete? Er war zu unbedarft, was Intrigen anging, dachte Volodi erschauernd, während die Jaguarmänner rechts und links von ihm jetzt ein wütendes Knurren ausstießen. Auch die Adlermänner stimmten ein. Sie stießen schrille Schreie aus, ganz wie die Raubvögel, denen sie sich verschrieben hatten. Jetzt setzte auch wieder das Grollen der Trommeln ein. Was immer es war, das Necahual dort oben sagte, seine Rede schien sich ihrem Höhepunkt zu nähern, als er mit einem schrillen, letzten Ruf die Fackel in den Scheiterhaufen stieß.

Im selben Augenblick drehten sich alle Jaguarmänner in Richtung der Pyramide. Volodi reagierte um zwei Herzschläge zu spät. Er spürte, wie er verwundert von den Kriegern ringsherum angesehen wurde.

Necahual schrie ein weiteres Wort heraus, das der Drusnier nicht verstand.

Alle verbeugten sich.

Diesmal verneigte sich Volodi im selben Augenblick wie die anderen Jaguarmänner. Und er erinnerte sich, das Wort, das Necahual gerufen hatte, schon einmal gehört zu haben. Ehrt sie, würde es in der Sprache Drusnas heißen. Auch wenn er sich dagegen gesträubt hatte, dass Necahual seine Schwester hierherholte, war es doch die richtige Entscheidung gewesen. Quetzalli war wieder in ihrer Heimat angekommen. Die Zapote überraschten ihn. Sosehr sie die abtrünnige Priesterin gehasst hatten, der Tod hatte sie mit ihr ausgesöhnt.

Ein weiterer Befehl seines Schwagers ließ die Krieger sich wieder aufrichten. Sie alle sahen zur Stufenpyramide und mit ihnen noch Tausende andere Zapote. Alle aus ihrem Volk, die in der Goldenen Stadt lebten, schienen gekommen zu sein.

Hohe Flammen schlugen aus dem Scheiterhaufen. Sie griffen nach der zarten Seide, die binnen eines Herzschlags zu Asche wurde.

Auf Wiedersehen, meine wunderschöne, kriegerische Geliebte, dachte Volodi und lächelte wehmütig. Quetzalli mochte vermisst haben, dort oben zu stehen, aber sie hatte es niemals bereut, ihm nicht das Herz herausgeschnitten zu haben. Das wusste er ganz sicher. Sie hatte sein Herz auch so in ihren Händen gehalten, ohne dass sie ihm den Brustkorb hatte öffnen müssen.

Als sich Wellen in dem weiten Becken vor der Pyramide kräuselten, erklang plötzlich ein Schrei. Er klang ganz anders als das Geschrei der Tiermänner. Er war in Todesangst ausgestoßen. Und dann sah er ihn. Yuri! Einige kahlköpfige Priester zerrten ihn zu einem Altar, der unmittelbar am Rand des künstlichen Sees lag. Der alte Heiler wurde mit Gewalt auf den dunklen Stein herabgedrückt. Schlingen wurden ihm um die Arme gewunden.

Fluchend und strampelnd kämpfte er gegen seine Peiniger an.

Necahual stieg vom Scheiterhaufen die Stufen der Pyramide herab. Er hatte die Fackel gegen einen dieser Ritualdolche mit einer Klinge aus schwarzem Stein getauscht. Ob es jene Waffe war, die einst so viel Unglück über ihn und Quetzalli gebracht hatte, konnte Volodi auf die Entfernung nicht erkennen.

Der Jaguarmann beugte sich über Yuri und zog dem Heiler das Messer in einem flachen Schnitt über die Brust. Volodi war überrascht. Necahual hatte ihm nicht sagen wollen, was heute geschehen sollte. Der Drusnier hatte damit gerechnet, dass dem Heiler das Herz aus der Brust gerissen wurde, doch die Zapote schienen andere Pläne zu haben.

Zwei lange, hölzerne Masten wurden rechts und links des Altarsteins aufgerichtet, und dann zogen zwei Priester Yuri an seinen Armfesseln zwischen den Masten hoch. Der Heiler schrie und bäumte sich gegen seine Fesseln auf. Sie hatten ihm alle Kleider vom Leib gerissen.

Jetzt senkten sich die Masten dem See entgegen, bis Yuri fünf Schritt über der Wasseroberfläche hing. Blut troff von seiner Brust in den See. Wieder kräuselten sich Wellen, und Wasser spritzte über die Einfassungsmauer. Etwas Großes bewegte sich auf die Masten zu. Dann schnellte ein goldener Drachenkopf aus dem Wasser. Er erwischte Yuri nur an einem Bein, als die metallenen Kiefer zuschnappten. Einen Augenblick lang hing der Drache wie ein Fisch an der Angel. Die beiden Masten bogen sich leicht durch.

Deutlich konnte Volodi den mit Federn bedeckten, schlangenhaften Leib unterhalb des Drachenkopfs erkennen. Zwischen dem Gefieder schimmerte es purpurn, als würde sich unter dem Federkleid noch eine zweite Haut verbergen.

Der Drache stürzte ins Wasser zurück. Er hatte Yuris Bein dicht unterhalb des Knies abgebissen. Der Leib des Heilers wurde hochgerissen, als die beiden Masten in ihre aufrechte Position zurückschnellten. Yuri drehte sich um seine eigene Achse, gehalten von den Armfesseln. Dabei kugelte er sich beide Schultergelenke aus. Seine Schreie klangen wie von einem Tier. Alles Menschliche war ihm verloren gegangen. In pumpenden Stößen pulsierte sein Blut aus dem Beinstumpf.

Volodi empfand kein Mitleid mit dem Alten. Hätte Yuri selbst Quetzalli und Wanya vom Flugdeck gestoßen, er hätte sich nicht schuldiger am Tod der beiden gemacht.

Wieder schoss der goldene Drachenkopf aus dem Wasser empor. Diesmal verschlangen die gierigen Kiefer den Heiler bis unter den Rippenbogen. Als sie sich schlossen, endeten Yuris Schreie abrupt.

Mit einem Knall zerbrach einer der beiden Masten unter dem Gewicht des zerrenden Schlangendrachen. Die Bestie riss am toten Fleisch, bis nur noch ein abgetrennter Arm vom Seil am verbliebenen Mast hing. Dann verschwand sie mit ihrer Beute im dunklen See. Augenblicke später war die Wasseroberfläche wieder glatt wie ein Spiegel, als wäre nie etwas geschehen.

Necahual erhob noch einmal seine Stimme. Und dieses Mal verstand Volodi jedes Wort, denn der Zapote hatte ihm zuvor erklärt, was er sagen würde.

»Gehe in Frieden, Schwester, und empfange die Seele des Juh Rie als unsere letzte Gabe an dich, auf dass er dir im Reich der Schatten auf ewig als Sklave dienen möge.«

Der Fluch

Eingekeilt zwischen den anderen Jaguarmännern, wurde Volodi den engen Tunnel hinaufgeschoben. Sie drängten und stießen einander. Manche fauchten wie Raubkatzen. Offenbar zogen sie sich in ihre Quartiere zurück. Er konnte nicht aus ihren Reihen ausscheren, ohne Verdacht zu erwecken. Und jedes Mal, wenn er versuchte, sich ein wenig zurückfallen zu lassen, wurde er von den Männern hinter ihm derb nach vorne gestoßen.

Er erinnerte sich gut, was Quetzalli ihm über diese Männer erzählt hatte. Sie waren keine richtigen Menschen mehr. Die Priester hatten die Seelen von Jaguaren in sie hinabgerufen. Sie waren wild und unberechenbar, und nicht selten kam es vor, dass sie in ihrer ungehemmten Lust eine der Frauen zerfleischten oder verstümmelten, deren Strafe es war, diesen Halbmännern zu Willen zu sein.

Er wollte diese Quartiere nicht sehen. Den Ort, an dem Quetzalli so lange gelitten hatte. Und doch zog ihn der dunkle Strom aus fellbedeckten Leibern beständig mit sich. Immer weiter ging es hinauf.

Ein harscher Befehl ließ das drängelnde Rudel schlagartig verharren. In einer tiefen Wandnische sah Volodi eine schattenhafte Gestalt. Ein krallenbewehrter Arm deutete aus dem Dunkel auf ihn.