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Ambitioniert, dachte er. Wollte er wirklich, dass die anderen Himmelsschlangen von diesem Geheimnis erfuhren? Er wusste es noch nicht. Er sollte verhindern, dass Bidayn dem Falschen etwas erzählte. Er vertraute ihr, aber nicht der Gruppe von Drachenelfen, die sie um sich geschart hatte. Insbesondere nicht Asfahal.

Ihr habt Euch bewährt, meine Dame. Ihr habt die Erwartungen, die ich in Euch gesetzt habe, sogar übertroffen. Es wäre mir eine Ehre, wenn Ihr mir die Gunst erweisen würdet, ein wenig Zeit mit mir zu verbringen.

Er sah, wie sich Bidayns Augen weiteten. Er spürte, wie sie empfand. Wie sie überging vor Glück.

Schält Euch aus Eurer falschen Haut, meine Schöne. Ich möchte Euch morgen so sehen, wie Ihr wirklich seid. Es gibt nichts, das Ihr vor mir verbergen müsstet. Ich werde erst nach Sonnenaufgang zurückkehren. Er deutete mit dem Kopf auf den Treppenabgang, der aus dem verdorrten Rosengarten hinab zu dem verfallenen Palast führte, den er einst einige Jahrzehnte lang bewohnt hatte. Dort unten werdet Ihr ein Bad finden, und einige der Räumlichkeiten werden immer noch von meinen Dienern bewohnbar gehalten. Es wird Euch an nichts fehlen, meine Dame. Und … wundert Euch nicht über die Apsara, die im Bad lebt. Anjali ist ein friedfertiges Geschöpf, auf dem der Fluch liegt, manchmal in die Zukunft sehen zu können. Sie wird Euch jeden Wunsch von den Lippen ablesen.

Und vielleicht wird sie auch noch tiefer blicken. Anjali besaß die Gabe, manchmal die Zukunft von Albenkindern zu sehen, wenn sie diese berührte. Vielleicht wüsste sie etwas Interessantes über Bidayn zu erzählen, wenn er zurückkehrte.

Nun muss ich Euch leider bitten, Euch zurückzuziehen. Ich möchte einen Augenblick allein in Gedanken verbringen, bevor ich mich auf den Weg zu meinen Nestbrüdern mache.

»Ich fiebere unserer erneuten Begegnung entgegen, strahlendes Licht meines Lebens!«, sagte die Elfe ehrerbietig und zog sich zurück.

Meine Dame?

Sie hatte schon fast die Treppe erreicht. »Mein Gebieter?«

Würdet Ihr mir die Gunst erweisen, den Kristall zurückzulassen? Ich möchte ihn an einen sicheren Ort bringen. Und behaltet das Geheimnis um Nangogs Herz zunächst bitte in Eurem Herzen verschlossen.

»Wie Ihr es wünscht, Allweiser.« Bidayn legte den Kristall auf dem moosbewachsenen, steinernen Geländer ab.

Manchmal schwang in der Ehrerbietigkeit der Drachenelfen ein Unterton von Arroganz mit. Lag es an der altmodisch respektvollen Art der Rede, in der sie einander begegneten, oder trugen sie alle den Keim der Rebellion in sich, der bei Nandalee so groteske Blüten getrieben hatte? Der Goldene betrachtete den Kristall und lauschte auf die Schritte der Elfe.

Ein Stück des Herzens einer Göttin. Bidayn hatte es tatsächlich geschafft, ihn bei einer Begegnung zwei Mal zu überraschen. Wie viele solcher Splitter mussten sie wohl finden, um Nangog zu erwecken?

Er schloss die Augen und ließ die melancholische Stimmung dieses Ortes auf sich wirken. Als er diesen Palast errichtet hatte, wollte er herausfinden, ob er Liebe für eine Frau empfinden konnte. Es war das eine Gefühl, das ihnen als Himmelsschlangen versagt blieb. Die Alben hatten keine weibliche Himmelsschlange erschaffen. Warum das so war, hatte er nie ergründen können. Wollten sie, dass sie sich asketisch allein ihrer Aufgabe des Schutzes ihrer Welt verschrieben? Hatten die Alben befürchtet, dass sie sich fortpflanzen und zu viele werden würden?

Lange hatte er fasziniert beobachtet, wie sich die anderen Albenkinder verhielten, wenn sie verliebt waren. Elfen und Zwerge, Kentauren und Kobolde. Sie alle kannten das Feuer der Liebe, das ein Geschöpf erstrahlen lassen, aber auch vernichten konnte.

Er hatte eine Elfe gefunden, deren Schönheit selbst unter ihrem Volk hervorstach. Aillean war ihr Name gewesen. An sie zu denken erfüllte ihn selbst jetzt noch, so viele Jahre nach ihrem Tod, mit Wehmut. Er war in Elfengestalt zum Gehöft ihrer Sippe gereist. Sie waren weder reich noch in irgendwelchen Künsten bewandert. Aillean war das Schönste, das sie bis dahin hervorgebracht hatten. Natürlich war sie seinem Charme erlegen. Es war seine Eigenart, dass er die Herzen aller berührte, die in seine Nähe kamen. Schnell war er mit den Ältesten übereingekommen, was der Brautpreis sein würde. Er hatte die Sippe zum Fürstengeschlecht von Langollion erhoben, einer Insel im Osten von Alvemer.

Aillean hatte die Farbe Weiß geliebt. Nie hatte er sie in anderen als weißen Gewändern gesehen. So hatte er ihr einen Palast aus strahlend weißem Marmor erbaut, in den Bergen nah der Küste. Und er hatte einen Garten erschaffen, in dem weiße Rosen aus ganz Albenmark blühten.

Sie hatte ihn von Herzen geliebt. Er hatte nie so tief empfunden wie Aillean. Vielleicht war es ihm nicht gegeben. Vielleicht hatte es auch daran gelegen, dass ihre Verbindung einem Gedanken entsprungen war. Der Suche nach einem Gefühl, das ihm fehlte. Aus seinem Herzen war es nicht geboren.

Irgendwann hatte sie es bemerkt, und ihr Glück war verwelkt wie eine Rose, der das Wasser fehlt. Andere Frauen hätten sich daran berauscht, mächtig zu sein, die Geliebte einer Himmelsschlange, die ihr jeden Wunsch erfüllte. Doch Aillean hatte nur eines gewollt: So geliebt zu werden, wie sie selbst liebte.

Eines Morgens hatte er sie hier, an dieser Stelle, an der er nun lag, tot aufgefunden. Sie hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten. Ihr weißes Kleid war rot von ihrem Blut, und auch die weißen Rosen ringsherum hatten von ihrem Blut getrunken und die Farbe ihres Blutes angenommen. Unwissend musste sie einen Zauber gewoben haben, als sie starb, denn die Rosen blieben rot.

Er hatte diesen Palast verlassen. Niemand goss mehr die Rosen. Er hatte es den wenigen Kobolden, die zurückgeblieben waren, unter Androhung eines schrecklichen Todes verboten. Und doch verdorrten sie nie alle. Ganz gleich zu welcher Jahreszeit er kam, stets blühten irgendwo im Dickicht aus Dornenranken zwei oder drei blutrote Rosen.

Auch Ailleans Sippe hatte den Palast aufgegeben und sich an anderer Stelle niedergelassen. Der Rosenturm, wie die Kobolde die Ruinen nach dem größten Gebäude benannt hatten, galt von nun an als verfluchter Ort. Die Kobolde erzählten sich, dass Elfen hier niemals glücklich werden würden.

Der Goldene schmunzelte. Gewiss taten sie das, um die Elfen fernzuhalten und in den Ruinen ihre eigenen Herren zu sein.

Wenn er in melancholischer Stimmung war, kam er gerne hierher. Er hatte gespürt, dass Lyvianne gestorben war. Es war ein schwerer Tod gewesen. Sie hatte lange gekämpft. Einige Male hatte er sie hierhergebracht. Sie hatten sich im Bad und in den Gemächern, die erhalten geblieben waren, geliebt. Er hatte sie gemocht. Aber auch sie hatte sein Herz nicht berührt. Das, was sie, die Elfen und die anderen Völker, Liebe nannten, wollte einfach nicht zu ihm finden.

Nach dem Tod Ailleans war er zutiefst aufgewühlt gewesen. Er hatte um sie getrauert. Und er war zornig gewesen, weil sie sich ihm entzogen hatte und so seiner Suche nach der Liebe ein Ende bereitet hatte.

Der Goldene sah zum Turm hinauf. Ein großer Teil der Marmorverkleidung war inzwischen abgebrochen. Darunter lag grauer Granit. Die Mauern würden noch viele Jahrhunderte überstehen. Ein Zeitalter lang hatte sie währen sollen, seine Liebe. Und für ein Zeitalter hatte er diesen Palast errichtet …

Es nutzte nichts, dem Vergangenen nachzutrauern. Er weitete die Schwingen und flog nach Westen, dem Festland entgegen. Und er berauschte sich an der Vorstellung, wie mächtig er werden würde, wenn er an das Traumeis gelangte und er sich selbst nach seinen eigenen Wünschen neu erschaffen könnte.

Mit Klauen und Zähnen

Wir wissen nicht, wo es ist, erinnerte der Smaragdfarbene. Es ist müßig, von etwas zu träumen, das unerreichbar ist.

Aber sollten wir nicht wenigstens versuchen, es zu finden?, begehrte der Goldene auf. Ihm gefiel ganz und gar nicht, wie seine Nachricht aufgenommen worden war.