Schick deine Elfe zurück und lass sie die Wahrheit aus dem Unsterblichen Volodi herausschneiden, schlug der Nachtblaue vor.
Ich würde ein subtileres Vorgehen …
Subtileres Vorgehen? Der Nachtblaue gebärdete sich, als wollte er dem Smaragdenen an die Kehle gehen. Er war halb aus seiner Höhle gekrochen und bleckte die Zähne. Wir haben Krieg auf Nangog. Das bedeutet das Ende allen subtilen Vorgehens. Lassen wir sie spüren, was es heißt, uns zu Feinden zu haben! Vergießen wir ihr Blut! Subtiles Vorgehen … Er schnaubte verächtlich. Das ist etwas für Lämmer!
Der Smaragdene hatte den Kopf eingezogen, um weniger von seiner verwundbaren Kehle preiszugeben. Der Erste, der aufs Schlachtfeld stürmt, ist nicht zwingend der, der es als Sieger verlässt.
Reden wir lieber über den Krieg, mischte sich der Flammende ein. Wir haben die Menschenkinder im ewigen Eis besiegt. Nutzen wir Angst und Entsetzen unter ihnen und verpassen wir ihnen gleich den nächsten Schlag.
Lasst uns erst entscheiden, was wir gegen das Traumeis unternehmen, verlangte Nachtatem. Ich stimme meinem Bruder zu, es darf den Devanthar auf keinen Fall in die Hände fallen. Eher vernichten wir es.
Der Goldene war überrascht. Es war lange her, dass er vom Erstgeschlüpften unterstützt worden war.
Noch so ein Lämmchen, zischte der Nachtblaue.
Besser ein kluges Lamm als eine hirnlose Echse, konterte Nachtatem herablassend.
Der Nachtblaue senkte angriffslustig den Kopf. Kommst du mit hinauf in den Himmel über den Basaltklippen, Lämmchen?
Brüder …, begann der Frühlingsbringer beschwichtigend, als ein Flammenstoß das weite Rund zwischen den Höhlen füllte, in denen sie lagen. Der Goldene war einen Herzschlag lang geblendet. Als er wieder klar sehen konnte, stockte ihm der Atem. Nachtatem kauerte auf dem Nachtblauen. Ein Krallenfuß drückte den Kopf des Blauen zu Boden, und die Reißzähne des Erstgeschlüpften waren an der Kehle seines Bruders.
Was für ein Drache bist du, dass du dich von einem Lämmchen überrumpeln lässt?, höhnte Nachtatem.
Der Schweif des Blauen peitschte über den Steinboden. Er war jedoch klug genug, nicht den Versuch zu unternehmen, gegen Nachtatem anzukämpfen.
Erwartungsvoll sah der Goldene zu seinen Brüdern. Er spürte ihre Überraschung, aber außer dem Flammenden war niemand erzürnt. Der Smaragdene, der schon oft zur Zielscheibe des Spotts des Nachtblauen geworden war, empfand sogar Genugtuung über das Schicksal seines Bruders.
Möchte noch jemand die Klauen des Lämmchens spüren?
Der Flammende regte sich, er blähte die Nüstern, und kurz schien es, als wollte auch er einen Flammstoß tun, aber dann kam er doch nicht aus seiner Höhle hervor. Die weite, unterirdische Halle, auf die neun Höhlen mündeten, wäre groß genug, um noch weitere Kämpfer aufzunehmen.
Was also werden wir wegen des Traumeises tun, Brüder? Nun erschien Nachtatem wieder völlig beherrscht.
Auch wenn wir uns eigentlich dagegen entschieden hatten, unsere Drachenelfen weiter in die Paläste der Menschenkinder zu schicken, würde ich vorschlagen, einen Spitzel in die Nähe Volodis zu bringen. Jemanden, der die Gabe hat, schnell und unauffällig das Geheimnis an sich zu bringen.
Ich stimme meinem Goldenen Bruder erneut zu, erklärte der Dunkle. Seine Stimme war wie Eis in den Gedanken.
Er war keinen Augenblick in Rage geraten, dachte der Goldene verblüfft. Was er dem Nachtblauen angetan hatte, war ruhigem Kalkül entsprungen.
Nachtatem ließ von seinem Bruder ab und zog sich in seine Höhle zurück. Dabei behielt er den Blauen misstrauisch im Blick, als rechnete er jeden Moment mit einem heimtückischen Angriff.
Nach und nach stimmten sie alle zu. Nur der Nachtblaue enthielt sich der Stimme. Auch er war in seine Höhle zurückgekrochen, von wo aus er den Erstgeschlüpften hasserfüllt anstarrte.
Ich gebe auch unserem Bruder, dem Flammenden, recht, was die Fortführung des Krieges auf Nangog angeht, wandte sich der Dunkle erneut an sie alle. Seine Höhle war ein Loch undurchdringlicher Finsternis, in der er nun verschwunden war. Greifen wir an! Überrumpeln wir die Menschenkinder. Wir brauchen schnelle Siege. Für einen langen Krieg sind wir nicht bereit. Greifen wir sie an sieben oder acht Orten zugleich an. Dann werden sie nicht wissen, wohin sie Entsatztruppen schicken sollen.
Mir scheint, dies ist auch in unserer Runde deine Strategie. Schnelle Angriffe, die alle überrumpeln, kommentierte der Frühlingsspringer spitz.
Der Goldene war von der Ironie seines lindgrünen Bruders überrascht, gehörte er doch sonst eher zu den Ruhigen und Pragmatischen in ihrer Runde. Ich nehme an, dir schweben auch schon einige Ziele vor?
Zumindest bin ich mir sicher, wo wir nicht angreifen sollten. Die Goldene Stadt darf nicht unser Ziel sein. Darauf werden die Devanthar vorbereitet sein.
Sind wir überhaupt vorbereitet?, warf der Rote in die Runde. Welche Truppen sollen wir einsetzen? Unsere Armee ist klein. Wenn wir sie zersplittern, werden wir dann nicht verwundbar? Und wer soll die Truppen führen? Wie sollen sie untereinander Verbindung halten? Wie werden die Befehle des Oberkommandierenden sie erreichen, wenn sie an weit voneinander entfernten Orten kämpfen.
Wir dürfen unsere Feldherren nicht an die Kette legen, entgegnete Nachtatem leidenschaftlich. Dieser Plan kann nur aufgehen, wenn jedes unserer Heere einen eigenen Befehlshaber hat. Wir geben ihm sein Ziel vor, doch es liegt an ihm zu entscheiden, auf welchem Weg er es erreichen will. Wir können nicht zehn Schlachtfelder zugleich unter Kontrolle halten. Versuchen wir es erst gar nicht. Wir legen den Plan fest, und dann vertrauen wir denen, die wir auserwählen, ihn auszuführen.
Schweigen war die Antwort ihrer Brüder.
Der Goldene war nicht überzeugt, doch sein Bruder hatte ihn erstaunlicherweise unterstützt. Nun wollte er ihn auf die gleiche Art überraschen. Dieser Krieg ist größer als jeder, in den wir zuvor ziehen mussten. Wir werden ihn nicht gewinnen, wie wir bisher unsere Schlachten gewonnen haben. Es ist an der Zeit, neue Wege zu gehen. Ich stimme dem Erstgeschlüpften zu. Wagen wir es! Lassen wir die Besten unter den Albenkindern kommandieren. Bedenkt, wie sehr uns Solaiyn überrascht hat. Finden wir heraus, wie viele weitere große Feldherren darauf warten, sich zu bewähren.
Werden nicht auch wir verwundbar, wenn wir versuchen, so viele Orte zu besetzen?, wandte der Smaragdene ein.
Wir wollen keine einzige Stadt besetzen, entgegnete der Dunkle entschieden. Wir werden nicht die Fehler unserer Gegner begehen. Schließlich wollen wir Nangog nicht erobern. Wir wollen die Welt der Riesin befreien.
Warum führen wir diesen Krieg, wenn wir nichts erobern? Der Flammende wirkte ernsthaft verwirrt. Ich gehe doch auch nicht auf die Jagd, um meine Beute dann nicht zu verschlingen.
Die Beute ist zu groß, sprach der Dunkle, nun sanft. Wenn wir versuchen, sie zu verschlingen, werden wir daran verenden. Wir dürfen sie nur nicht unseren Feinden überlassen. Sie würden sie verschlingen, ein ganzes Zeitalter lang, und danach wären sie so mächtig, dass wir sie nicht aufhalten können. Verweigern wir ihnen dies! Die Alben haben uns zu den Hütern ihrer Mark berufen. Wir kämpfen auf Nangog, um unsere Heimat zu schützen. Nach jeder Schlacht werden wir unsere Truppen sofort zurückziehen, damit sie keinem Gegenschlag der Devanthar ausgesetzt sind. Bedenkt, dass die Menschen uns an Zahl weit übertreffen. Wir dürfen ihnen nicht gestatten, dass sie diesen Vorteil nutzen. Denn so zahlreich sie auch sind, auch sie haben sich mit Nangog eine Beute einverleibt, die zu groß für sie ist. Sie können nicht überall zugleich sein. Verbrennen wir ihre Städte, zerstören wir ihre Handelswege, streuen wir Salz auf ihre Felder, schlachten wir ihre Herden. Wenn es nichts mehr gibt, was sich auszubeuten lohnt, werden sie abziehen.