»Meine Dame, ich vermag nicht in Worte zu fassen, wie sehr es mich erfreut, Euch endlich wieder in Eurer natürlichen Schönheit zu sehen.«
Bidayn räusperte sich nervös vor Aufregung. Auch wenn es nur ein Kompliment gewesen sein sollte, nahm es ihr eine ungeheure Last von der Seele. »Ich danke Euch, Strahlender.«
Er hob beschwichtigend die Hände. »Nein, nein. Ich habe keinen Dank verdient.« Nun sah er auch Anjali an. »Ich stehe in Eurer Schuld. Es ist unverzeihlich, zwei so anmutige Damen zu versetzen.« Er pflückte einige Trauben und schob sie sich in den Mund. »Manchmal sind einige meiner Nestbrüder geradezu unerträglich geschwätzig. Ihr vermögt nicht zu ermessen, wie sehr ich mich nach Euch gesehnt habe, meine Schönen.«
Ein warmes, wohliges Gefühl nistete sich in Bidayns Bauch ein und strahlte von dort in all ihre Glieder. Sie fühlte sich ein wenig behäbig, ja, fast schläfrig. Dass Anjali in die Komplimente des Goldenen mit eingeschlossen war, störte sie nicht, denn der Drache hatte nur Blicke für sie allein. Es waren keine leeren Worte. Er fand sie wirklich schön! All ihre Sorgen wegen ihres Äußeren waren weggewischt. Sie war begehrenswert für den einen, von dem sie mehr als von jedem anderen begehrt zu werden wünschte.
»Kommt mit mir.« Er winkte ihnen zu und führte sie in das Bad mit dem großen Becken, in dem Anjali jeden Tag viele Stunden verbrachte. Im Gehen öffnete er die Schnallen seines Lederpanzers. Noch bevor er die Schwelle der Tür erreichte, ließ er die Rüstung fallen. Darunter trug er ein weißes Seidenhemd.
Anjali war schneller bei ihm. Ihre Hände fuhren unter sein Hemd. Er beugte sich zurück und küsste sie auf den Hals.
Bidayn beschleunigte ihren Schritt. Als sie die beiden erreichte, griff sie nach dem Gürtel seiner Hose. Er lachte leise. »Nicht so schnell, meine Dame. Ich verspreche Euch, wir werden viel Zeit miteinander verbringen.«
Bidayn wollte nicht seine Worte. Sie wollte seine Küsse. Sie packte sein Haar, riss ihn von Anjali fort und küsste leidenschaftlich seine Lippen.
Die Nymphe versuchte nicht, den Goldenen für sich zurückzuerobern. Stattdessen strich sie ihr langsam über den Rücken. Bidayn keuchte auf. Ein unbekanntes Gefühl der Wollust überkam sie. Sie biss dem Goldenen in die Lippen, schmeckte dessen Blut in ihrem Mund. Er drückte sie an sich und erwiderte ihren Kuss mit der Leidenschaft, die sie so lange vermisst hatte. Immer wieder musste sie an die Nacht zurückdenken, in der sie eine Drachenelfe geworden war. Die Nacht, in der er sie tätowiert und geliebt hatte. In der Lust und Schmerz miteinander verschmolzen waren. Asfahal war ein wunderbarer Liebhaber, aber verglichen mit dem Goldenen war er wie ein Kerzenlicht neben der Sonne.
Anjali öffnete die Verschnürung am Rücken von Bidayns Kleid. Der Goldene streifte es von ihren Schultern und hob sie, nackt wie sie war, auf seine Arme. Seine Haut war angenehm warm. Seine Muskeln darunter wie aus Stein gemeißelt. Sie wusste, wie schier grenzenlos seine Kraft war. Er könnte sie ohne Anstrengung zerdrücken wie ein frisch geschlüpftes Küken. Er war ein Raubtier, und manchmal, wenn die Lust ihn übermannte, flackerte seine animalische Seite auf.
Er stieg mit ihr ins Wasser des weiten Badebeckens, ohne seine Hose oder seine Stiefel abgelegt zu haben. Anjali blieb die ganze Zeit an ihrer Seite. Ihr rotes Kleid lag, nun da es nass war, wie eine zweite Haut auf ihrem Körper. Nein, nicht wie eine Haut … Eher das Gegenteil. Das Rot war dunkler geworden, es sah aus, als wäre sie gehäutet.
Der Goldene bog Bidayns Kopf zurück, und die Nymphe küsste sie. Ihre Zunge drang über Bidayns Lippen. Sie wollte das nicht, doch sie spürte, dass es den Goldenen erregte, und ließ es geschehen. Es war wie in der Nacht, in der er sie tätowiert hatte. Sie musste sich hingeben, musste alles über sich ergehen lassen, ohne dagegen anzukämpfen, und würde von ihm als Lohn zu neuen, unbekannten Ekstasen geführt werden.
Eine Hand legte sich auf ihre Scham. Finger streichelten sie scheu. Bidayn drückte dagegen, wollte mehr, doch die Hand verschwand. Sie schmiegte sich an den Goldenen, der immer noch seine Hose trug. Immer und immer wieder brachten die zwei Bidayn an den Rand der Erlösung, um dann ihre Liebkosungen zu unterbrechen. Die Elfe stöhnte, sie schrie, sie warf sich auf den Goldenen und Anjali und erhielt doch nicht, was sie begehrte.
Schließlich sah sie erschöpft zu, wie sich die Nymphe dem Liebesspiel mit dem Drachen hingab. Anjali tat Dinge, die sie noch nie gesehen hatte. Ihre Hände und Lippen waren überall. Sie füllte ihren Mund mit erwärmtem Wein und küsste den Goldenen, der ihre Kunstfertigkeit lobte. Dann forderten die beiden Bidayn auf, es Anjali nachzutun. Sie war eine eifrige Schülerin, und als sie dem Drachen zum ersten Mal Befriedigung verschaffte, empfand sie ein rauschhaftes Glück wie nie zuvor in ihrem Leben.
Schlug ihr Herz vom Liebesspiel wie eine rasende Trommel, änderten die beiden das Tempo. Dann lagen sie zu dritt umschlungen, streichelten und küssten einander nur, bis Bidayn neue Kraft schöpfte. Sie erkundete die verborgenen Geheimnisse der Nymphe, schenkte sich dem Drachen, doch war sie die Einzige, die nie Erfüllung im Liebesspiel fand. Wann immer sie kurz davor stand, die letzten Höhen der Ekstase zu erreichen, nahmen Anjali und der Goldene sich zurück. Die beiden ergötzten sich daran, sie leiden zu sehen. Sie darum betteln zu lassen, auch ihr zu schenken, was sie längst empfangen hatten.
Bidayn verlor jegliches Gefühl für Zeit, und als der Goldene sie schließlich aus dem Wasser zu weichen Laken trug und ihr gab, was sie so sehr begehrte, sank sie nur einen Augenblick danach in tiefen Schlummer.
Blutbad
Als Bidayn erwachte, fühlte sie sich fiebrig. Ihr Körper glühte. Die Glieder schmerzten, und Durst peinigte sie. Ihr Mund war staubtrocken, die Lippen rissig.
Es war dunkel in dem Zimmer, in dem der Goldene ihr seine Leidenschaft geschenkt hatte. Ihre Hand tastete über die seidenen Laken. Das Bett war kalt. Sie war allein. Eine Zeit lang lag sie ganz still, hielt den Atem an und lauschte auf Geräusche. Niemand, der atmete, war mit ihr in diesem Zimmer. Einmal glaubte sie, irgendwo ein Geräusch wie von einer Kelle zu hören, die gegen einen Kessel schlug. Vielleicht waren es die Kobolde, die nach diesem verlassenen Schloss sahen.
Die Elfe schwelgte in Erinnerungen. Hatten sie sich eine Nacht lang geliebt? Oder viel länger? Nagender Hunger ließ sie vermuten, dass vielleicht noch ein ganzer Tag verstrichen war. Oder noch mehr? Wie lange hatte sie geschlafen? Immer noch schmeckte sie die Küsse des Goldenen auf ihren Lippen. Sie setzte sich auf. Vom Schlafgemach musste sie durch das große Badezimmer gehen, um zu dem Raum zu gelangen, in dem die Dienerschaft eine Tafel mit kalten Speisen aufgetragen hatte. Vielleicht war sie ja nicht abgeräumt. Wo die Küche in der Palastruine lag, wusste sie nicht.
Unglaublich, wie dunkel es war. Das Schlafgemach besaß kein Fenster, ebenso wenig das Bad. Dennoch vermochte sie sich nicht zu erklären, warum sie so schlecht sah. Lag es an dem Licht, das den Goldenen stets umgab. Erschien ihr nun, da er nicht mehr an ihrer Seite war, die ganze Welt dunkler?
Sie lächelte in sich hinein. Das waren Gedanken wie die eines verliebten, jungen Mädchens. Sie sollte sich nicht solchem Unsinn hingeben. Wenn sie ein wenig wartete, würden sich ihre Augen schon an die Dunkelheit gewöhnen und sie würde wenigstens Schemen sehen.
Bidayn schloss die Lider und öffnete sich ganz ihren anderen Sinnen. Sie spürte die Feuchtigkeit des warmen Wassers, die in der Luft lag, vermengt mit dem Duft der Liebesnacht. Es war tatsächlich so still, als wäre sie die Einzige, die in diesem verfallenden Palast zurückgeblieben war.
Mit vorgestreckten Armen tastend fand sie die Tür. Sie versuchte sich zu erinnern, wie der Raum geschnitten war. Wo lag das Becken? Mit kleinen Schritten wagte sie sich voran. Ihre Kehle brannte. Sollte sie einen Schluck von dem Wasser nehmen? Dem Wasser, in dem sie zu dritt gebadet und sich geliebt hatten … Das große Becken musste Tausende Liter fassen. Egal, was sie darin getan hatten, das Wasser war sauber.