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Lag da Sehnsucht in seinen Augen? Oder war das nur Wunschdenken?

»Wie heißt du, Mädchen?«

»Anisja, Erhabener. Ich hatte das Glück, dass Euer Hofmeister Vladi mich in Euren Dienst aufnahm, Herr.«

»Ich glaube, ich war es, der Glück hatte, Anisja. Du bist so schön wie ein frischer Rehbraten. Allein dich anzusehen gibt einem unruhigen Herzen Frieden.«

»Ihr seid ein Dichter, Erhabener.«

Er lachte leise. »Ich bin vieles, aber ganz gewiss kein Dichter.« Er öffnete die Tür und trat in sein Gemach.

Schön wie ein frischer Rehbraten, dachte Bidayn. Auf so ein Kompliment konnte nur ein Drusnier kommen. Wenn sie Asfahal davon erzählte, würde er am Boden liegen vor Lachen. Der Gedanke an den Elfen versetzte ihr einen Stich. Sie mochte ihn. Er brachte sie zum Lachen und war ein guter Liebhaber. Und er würde sie betrügen. Sie sollte sich nicht auf ihn einlassen, das würde sie nur unglücklich machen. Sie gehörte allein dem Goldenen.

Vom Vergangenen und dem, das kommen soll

Das Treffen war wichtig. Es war das erste Mal seit der Niederlage im ewigen Eis, dass alle Unsterblichen sich versammelt hatten. Sie beratschlagten, wie sie in Zukunft gegen die Daimonen vorgehen konnten. Gerade sprach der Unsterbliche Ansur. Er war ein Langweiler. Seine Stimme monoton. Artax vermochte einfach nicht mit den Gedanken bei ihm zu bleiben oder bei dem Übersetzer, der ihm ins Ohr flüsterte, was Ansur sagte.

Artax sah dem Unsterblichen ins Antlitz, damit es weniger auffiel, dass seine Gedanken nicht in der kleinen Halle waren, in der sie auf schlichten Bänken um eine Feuergrube versammelt saßen. Das Treffen war geheim gehalten worden. Nur wenige Vertraute aus dem engsten Umfeld der Unsterblichen wussten davon. Schließlich hatte es erst kürzlich einen Überfall der Daimonen auf ausgerechnet diesen Palast gegeben. So hatten sich allein die Unsterblichen und ihre Übersetzer in der Halle eingefunden.

Artax sah zu Volodi. Er hatte den Eindruck, dass auch sein Freund mit seinen Gedanken nicht bei der Sache war.

»Und deshalb genügt es nicht, unsere Truppen zu verstärken«, flüsterte der Übersetzer. »Wir müssen die Befestigungen der Städte stärken, die Türme, die Mauern …«

Unsinn, dachte Artax. Was halfen Mauern gegen Feinde, die auf riesigen Adlern ritten? Volodi hatte ihm vom Überfall auf seinen Palast berichtet. Die Daimonen kamen und gingen, wie es ihnen gefiel. Mauern waren das Letzte, was sie aufhalten würde.

Wie tödlich die fliegenden Daimonen waren, hatte er am eigenen Leib erfahren. Manchmal verfolgte ihn der rot gewandete Krieger in seinen Träumen, der auf seinem fliegenden Pferd gegen ihn gekämpft hatte. Der Daimon hatte den Unsterblichen Madyas getötet und auch ihn fast ermordet. Nie würde er die kalten, völlig schwarzen Augen seines Gegners vergessen und wie hilflos er sich gefühlt hatte, als der silberne Löwe, auf dem er zusammen mit Madyas geritten war, aus dem Himmel stürzte.

Daran, was nach dem Kampf im Himmel geschehen war, hatte er fast keine Erinnerung. In seinen Fieberträumen war Shaya bei ihm gewesen. Ormu hatte eine Heilerin geholt, die ihm in der Nacht, bevor sie das ewige Eis verließen, das Leben rettete. Er musste sie gesehen haben, konnte sich an ihr Gesicht aber nicht erinnern. Ormu sprach nicht viel über sie. Der Bogenschütze war ohnehin nicht sonderlich gesprächig, aber was diese Nacht anging, war er besonders verschlossen.

Artax hatte inzwischen mit anderen Überlebenden gesprochen. Viele hatten ihm von einer dunkelhaarigen Frau berichtet, die man auf dem Rückzug »die Trösterin« genannt hatte. Unermüdlich hatte sie den Verwundeten und Sterbenden geholfen. Doch nun war sie spurlos verschwunden. War sie am letzten Tag noch umgekommen?

An diesen Tag konnte er sich noch gut erinnern. An die Lawinen, die gleich tosenden weißen Wolken die Hänge hinabgeglitten waren und Hunderte, die schon das rettende Weltentor vor Augen hatten, noch in den Tod gerissen hatten. Er hatte überlebt, weil er gegen die grauen Riesen und die Zwerge auf den eisernen Schlitten gekämpft hatte.

Wahrscheinlich war die Trösterin bei den Verwundeten und Nachzüglern an den Hängen gewesen. Artax haderte damit, dass die Götter so ungerecht waren. Er hatte seine Spitzel beauftragt, nach der Trösterin zu suchen oder zumindest jemanden zu finden, der wusste, wo sie in jenen letzten Stunden im ewigen Eis gewesen war. Er wollte nicht akzeptieren, dass die Frau, die ihm das Leben gerettet hatte, wenige Stunden später gestorben sein sollte.

Er seufzte leise. Warum nur spielte ihm seine Erinnerung so verrückte Streiche? Warum sah er Shaya in jener Nacht an seiner Seite. War er dem Tod so nahe gewesen, dass er sich von der Wirklichkeit gelöst hatte und seine Wünsche das Einzige gewesen waren, was für ihn noch Gestalt hatte?

Seine Gedanken wanderten weiter zu Lamgi, dem kahlköpfigen, schlaksigen Krieger, der Scharführer unter den Kushiten geworden war. Er hatte Talent gezeigt, besonders unauffällig zu sein. Ashot mochte ihn nicht, doch Artax war überzeugt, dass Lamgi ein ausgezeichneter Spitzel sein könnte. Deshalb hatte er ihn beauftragt, die Wolkenstadt von Tarkon Eisenzunge zu finden. Als sie den Kult, der die Grünen Geister anbetete, zerschlagen hatten, war er auf ein Wolkenschiff gestiegen und verschwunden. Inzwischen bereute Artax, Lamgi auf diese Mission geschickt zu haben. Er hatte seit vielen Wochen nichts mehr von ihm gehört. Wäre er hier, er wäre der Mann gewesen, der die verschwundene Trösterin gefunden oder einen Zeugen für ihren Tod aufgespürt hätte.

»Reden wir nicht länger über Mauern, hinter denen wir uns verstecken wollen, Brüder!«, unterbrach der Unsterbliche Acoatl den Vortrag Ansurs. Der Herrscher der Zapote deutete mit ausgestrecktem Arm auf Volodi. »Dein Wolkenschiff, Drusnier, woher kommt das? Wo finden wir weitere solche fliegenden Rochen? Warum sind wir ihnen bisher nicht begegnet?«

Ein Augenblick verging, während die Übersetzer den Unsterblichen zuraunten, was Acoatl gesagt hatte.

»Nun …« Volodi drehte unschlüssig das Methorn, das er in Händen hielt.

Artax war aufgefallen, dass sein Freund während des Treffens ungewöhnlich viel getrunken hatte, und Volodis Zunge klang schwer, als er antwortete.

»… mir scheint, er ist der einzige Flugrochen.«

»Scheint es so, oder ist es so? Ich weiß, du warst an Bord. Du hast mit ihm gesprochen, nicht wahr?«

»Nur die Lotsen sprechen mit den Wolkensammlern«, wandte Artax ein. »Das sollte selbst dir bekannt sein, Acoatl.«

»Wenn ich von dir etwas wissen will, dann frage ich dich, Tempelschänder. Oder bist du nun die Zunge des Unsterblichen Volodi?«

Bevor Artax etwas erwidern konnte, hob Volodi die Stimme. »Ich konnte mit ihm sprechen. Acoatl hat recht. Seine Adlermänner haben wohl sehr scharfe Augen.« Der Drusnier nahm sein Methorn und trank in tiefen Zügen.

Artax hatte nicht das Gefühl, als tränke sein Freund aus Lust am Zechen. Er kämpfte damit gegen etwas an …

»Er ist der Einzige seiner Art«, sagte der Drusnier müde. »Es wäre zwecklos, den Himmel nach weiteren fliegenden Rochen zu durchsuchen.«

»Das müssen wir auch nicht«, trumpfte Subai auf. Der neue Unsterbliche der Ischkuzaia strotzte vor Stolz und Selbstgefälligkeit. Trotz der Hitze trug er einen Umhang aus Schneeleopardenfell. Auch war er der Einzige, der die weiße Lederrüstung der Unsterblichen trug, was einem Affront nahekam, konnte man es doch so deuten, dass er sich im Palast Volodis nicht sicher fühlte. Artax hingegen vermutete, dass Subai lediglich mit den Insignien seiner neuen Macht protzen wollte.

»Wir selbst werden den Himmel erobern. Langarm wird mir zwanzig silberne Wölfe anfertigen. Die ersten zehn sind schon vor einer Woche gekommen. Meine besten Reiter üben sich an einem verborgenen Ort darin, mit ihnen den Himmel zu stürmen.«

»Silberne Wölfe?«, fragte Labarna, der hünenhafte Herrscher Luwiens.