»Sie kotzen in den Pferch. Die Schweine sind ganz verrückt danach.«
Der Unsterbliche schwor sich stumm, dass er hier nie wieder einen Bissen Schweinefleisch anrühren würde. Die Kopfschmerzen wurden wieder stärker. Er rieb sich mit den Fäusten die pochenden Schläfen. »Und wie kann ihn das getötet haben?«
Oleg sah ihn zerknirscht an. »Ganz sicher bin ich mir nicht. Aber Jascha war ein großer Mann, er könnte vornübergekippt sein, als er sich über den Zaun gelehnt hat. Sturzbetrunken da drinnen zu landen ist nicht gut. Schweine sind nicht nett. Und nicht sehr zimperlich, was ihr Fressen angeht.«
Das Wort sturzbetrunken bekam in diesem Zusammenhang einen wirklich üblen Beigeschmack, dachte Volodi. Dann öffnete er das Gatter und kniete sich in den schwarzen Schlamm. Mit einem Ruck zog er den Umhang zur Seite und wünschte sich noch im selben Augenblick, er hätte es nicht getan. Die Schweine hatten nicht alles gefressen, aber am Gesicht, den Händen und den Innereien schienen sie besonderen Gefallen gefunden zu haben.
Volodi kämpfte gegen einen Anfall von Übelkeit und richtete sich auf. Es stank erbärmlich nach Schweinescheiße, dicke, schillernde Fliegen summten in der Luft, und die verfluchte Sonne am Himmel stach ihm ein weiteres Paar Dolche durch die Augen. Er machte einen Schritt zurück, lehnte sich schwer gegen den Zaun und sah Oleg an, der ebenfalls in den Pferch getreten war und nun den Umhang wieder über den Leichnam zog.
»Ihr habt ihn auch nicht wiedererkannt, Erhabener?«
»Lass den Scheiß mit dem Erhabenen«, fuhr er den Hauptmann an. »Wir haben nebeneinander im Dreck gelegen, geblutet und gesoffen und zusammen die Hurenhäuser der Stadt gekauft. Wenn hier kein ganz großes Tamtam läuft und die Würdenträger anderer Reiche zu Dutzenden um mich herumlungern, bin ich Volodi. Geht das in deinen Schädel?«
»Ja …«
Der Hauptmann wirkte gequält. Volodi hatte das Gefühl, es lag nicht an der Zurechtweisung. »Na los, spuck’s aus!«
Oleg sah ihn überrascht an. Einen Herzschlag lang wirkte er regelrecht in Panik. Dann brach es aus ihm heraus. »Das kann doch nicht sein! Da geht einer durch mehr als dreißig Schlachten, und dann passiert das hier. Ein Mann wie ein Baum von Schweinen gefressen!«
Volodi legte ihm den Arm um die Schultern. »Manchmal haben die Götter einen eigenartigen Sinn für Humor. Was du jetzt brauchst, ist ein Schluck Met. Lass uns noch einmal zu Miladin gehen.« Der Unsterbliche wandte sich an die übrigen Krieger, die in kleinen Grüppchen um den Pferch standen und ungläubig auf das starrten, was sich durch den Umhang im Schlamm abzeichnete.
»Kommt alle mit! Wir wollen Jaschas Andenken feiern. Ich möchte, dass ihr mir von seinen Kämpfen erzählt, von seinen Weibern und wie er beim Würfeln betrogen hat. Ich erinnere mich noch gut, wie er auf dem Arsch gelandet ist, als er zum ersten Mal versuchte, einen Streitwagen zu besteigen, damals, als der Unsterbliche Aaron uns ausgeschickt hat, den Luwiern ihre Schmiede zu stehlen. Und bei den Göttern, als es auf der Hochebene von Kush hart auf hart ging, da hat er gewusst, wie ein Mann von einem Wagen herab kämpft.«
Einige der Männer nickten. Manchen standen sogar Tränen in den Augen. »Verabschieden wir ihn, wie Drusnier es tun, diesen verdammten Hurenbock und Helden.«
Von Dichtern und Trollen
Galar hatte ein klammes Gefühl im Bauch. Er blickte über das Tal, in dem das riesige Heer lagerte. Kolonnen marschierten auf das schillernde Weltentor zu. Alles schien in Bewegung geraten zu sein.
»Geht wieder los«, murmelte Nyr. »Wohin sie uns wohl diesmal schicken?«
»Wohin die da gehen, weiß ich nicht, aber ich wette, uns schicken sie wieder direkt in die Scheiße.« Immer noch kochte die Wut in Galar auf, wenn er daran dachte, wie sie im ewigen Eis als Köder für das Heer der Menschenkinder missbraucht worden waren. Sie hatten um eine Stadt gekämpft, die mit Vogelscheiße handelte! Dafür war Glamir verreckt. Glamir, der verdammt gescheiteste Drecksack, der ihm in seinem Leben begegnet war. Glamir, der den Grünen Spinnen ihren geheimnisvollen Schatz entrissen hatte und dafür mit einem Arm und einem Bein bezahlt hatte. Glamir, der Drachentöter und der geniale Schmied. So vieles hätten sie beide zusammen noch erschaffen können!
»Da kommen die anderen.« Nyr deutete den Hang hinab.
Che, der Kobold, der die berüchtigten Eisbärte anführte, ging neben dem Troll Groz. Beide waren mit neuen Waffen ausgestattet. Groz trug eine Keule auf seine breiten Schultern gestützt, die wahrscheinlich mehr wog als zwei Zwerge, und Che hielt eine Armbrust in Händen, die sich Nyr sicher gerne einmal genauer angesehen hätte. Er würde seinen Arsch darauf verwetten, dass es eine Waffe des Elfenschmieds Gobhayn war, dachte Galar.
Das ungleiche Paar erklomm den steilen Hang, wobei der Kobold sich ordentlich ins Zeug legen musste, um mit Groz mitzuhalten.
»Wir gehen.«
Das grobschlächtige graue Gesicht des Trolls zeigte keine Regung, als er vor ihnen stehen blieb. Zum ersten Mal bemerkte Galar, dass Groz einige ausgekochte Menschenschädel an Lederriemen von seinem breiten Gürtel hängend trug, der seinen Lendenschurz hielt.
Leicht keuchend erreichte sie Che. »Wir sind abkommandiert«, stieß er hervor. »Natürlich hat man uns nicht gesagt, wohin. Die Trolle sind zu einem anderen Truppenteil beordert worden. Ist ein übles Durcheinander dort unten. Sieht so aus, als würden wir an einem halben Dutzend Stellen zugleich angreifen.«
Galar nickte. »Groz sagte das schon.«
Che sah ihn ungläubig an. Alle wussten, dass der Troll nicht sonderlich gesprächig war.
»Mit seinen Worten …«, lenkte Galar ein. Er hätte das kleine Schlitzohr gerne an seiner Seite gehabt. Vor ein paar Monden hätte er nicht geglaubt, dass er einmal Wert darauf legen würde, dass ein Zwergenmörder ihm mit seiner Armbrust den Rücken freihielt. Er blickte zu Groz. Die Totenschädel baumelten Galar nun direkt vor der Nase. Er reichte dem mehr als drei Schritt großen Troll nur zwei Handbreit über das Knie.
»Er hat sie gestern Nacht ausgekocht«, zischte ihm Che ins Ohr. »Die Schädel. Er hatte sie in dem grässlichen Beutel, den er hinten am Gürtel trägt. Zusammen mit einigen Herzen. Du hättest das sehen sollen. Die ganze Trollbande hat zusammengehockt. Sie haben sich irgendwas erzählt und dann die Herzen gefressen. Und aus den Schädeln haben sie die Gehirne gepult, um dann …«
»Groz hat große Ohren.«
Che blickte zu dem Troll auf. »Hab Galar doch nur von eurem netten Abendessen erzählt. Ich finde, er sollte wissen, was für harte Jungs ihr seid.«
»Nicht Abendessen«, grollte er. »Ehre für Tote. Isst du Herz von Tapferen, kommt Tapferkeit zu dir. Isst du Verstand von Schlauen, kommt Schläue zu dir.«
»Was würdest du denn von mir essen?«, fragte Che mit provozierendem Grinsen. »Mein Herz oder meinen Verstand?«
»Du bist ein Happen, kleiner Mann.«
Galar lachte laut auf. »Ich werde dich vermissen, Groz.«
Der Troll kniete vor ihm nieder. »Komme wieder, Flickenbart.«
Jetzt lachte Che. »Flickenbart. Wie charmant.«
Galar bedachte den Kobold mit einem ärgerlichen Blick. Ches loses Mundwerk würde er nicht vermissen! Groz hatte recht. Galars Bart war eine Katastrophe, dünn, mit Flecken durchsetzt, an denen einfach kein Haar sprießen wollte. Schon seit ihm der erste Flaum gesprossen war, war sein Bart das Ziel von spöttischen Bemerkungen gewesen. Aber der Zwerg wusste, dass Groz es nicht böse gemeint hatte.
Der Troll versetzte ihm einen Knuff auf die Brust, der Galar fast von den Beinen holte. »Von dir Herz essen.« Er tippte sich an die Stirn. »Dein Kopf zu verrückt.«
»Mach so weiter, Groz, und dieser Abschied endet mit einer Blutfehde«, feixte Che.
Der Troll ignorierte ihn, wandte sich an Nyr und versetzte auch ihm einen Knuff mit der Faust. »Komme wieder, Adlerauge.«
Galar war nicht ganz klar, ob der Troll meinte, dass er wiederkommen würde, oder ob er ihnen gerade den Befehl gegeben hatte zu überleben, damit sie wiederkommen würden. Aber wahrscheinlich war diese Überlegung schon viel zu kompliziert für ein Trollhirn.